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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Grüneburgweg/Feldbergstraße/Wolfsgangstraße – Modalfilter meistern auch komplexe Kreuzungsbereiche
Ansgar Hegerfeld

Von Filtern und Gewohnheiten

„Modalfilter“ sind ein wichtiger Beitrag zur Verkehrsberuhigung

Sogenannte Modalfilter sorgen durch die Reduzierung von Autoverkehr zwar für mehr Ruhe in den Vierteln, werden aber trotzdem auch von manchen abgelehnt, die von der Installation profitieren würden.

Sie sehen ganz unterschiedlich aus und bestehen teilweise aus Pollern, teilweise aus Steinblöcken, teilweise aus großen Plätzen oder sogar nur aus clever angeordneten Einbahnstraßen ohne bauliche Veränderungen: Modalfilter sollen bestimmte Verkehrsarten durchlassen, während die unerwünschten herausgefiltert werden. In aller Regel geht es darum, dass der Auto-Durchgangsverkehr aus Straßen herausgehalten wird, während Rad- und Fußverkehr mangels Lärm und Abgasen weiterhin passieren dürfen.

In Frankfurt sind bereits viele von ihnen verbaut, es gibt zahlreiche langfristige und positive Erfahrungswerte und trotzdem gibt es bei jedem weiteren geplanten Modalfilter reflexartig auch Widerstände. An den Reaktionen auf diese kleinen Maßnahmen kann man gut beobachten, wie stark Gewohnheiten und Gerüchte sein können.

Nachdem, auch gegen Widerstände im Ortsbeirat, 2022 im Oeder Weg die lebenswertere Umgestaltung inkl. Modalfilter politisch mehrheitlich beschlossen und der Modalfilter aufgebaut wurde, passierte das übliche bei solchen Projekten: Bei den insbesondere von Norden kommenden Autofahrenden gab es in den Wochen nach der Installation einige Irritationen und viele strandeten hilflos an der Barriere, die nur noch Rettungskräfte mit KFZ durchlässt. Sie waren es so gewohnt bzw. hatten sich auf ihre Navigationsgeräte verlassen und wollten wie gewohnt mit dem Auto den Oeder Weg als Durchgangsstraße nutzen. Der Frust war groß, nach wenigen Wochen hatten sich die Navigationsgeräte und Gewohnheiten aber umgestellt und es kehrte die geplante Ruhe ein.

Gerne wird behauptet, dass bei Maßnahmen wie Modalfiltern, Diagonal-Sperrung o.ä. der gesamte Auto-Durchgangsverkehr auf die umliegenden Nebenstraßen verteilt werden würde. Das mag für Laien und auf den ersten Blick logisch klingen, passt aber nicht zur Realität: Die meisten Menschen wählen das Verkehrsmittel und planen ihre Termine/Erledigungen so, dass sie alles möglichst bequem und schnell erledigt bekommen. Nach Alternativen guckt man, auch abseits von Verkehrsthemen, generell erst dann, wenn es dafür einen guten Grund gibt. Das hat psychologische Hintergründe und spart wertvolle Energie, weil man auf Routinen zurückgreifen kann und nicht ständig neu Entscheidungen treffen muss. Mal ist ein gewohntes Produkt nicht mehr erhältlich, ein häufig besuchtes Geschäft wurde geschlossen oder der übliche Weg ist durch einen Modalfilter nicht mehr so einfach und bequem mit dem Auto nutzbar. Bei letzterem spricht man in der Fachwelt von sogenannten Push-Maßnahmen, also Maßnahmen, die einen gewissen Druck erzeugen, damit Gewohnheiten hinterfragt werden.

Auch so können Modalfilter aussehen: Eysseneckstraße vor der Adickessallee (links) Kreuzung Humboldtstraße/Oberweg (rechts)
Ansgar Hegerfeld
Rückblick

Als 1972 die Zeil, damals eine der größten KFZ-Durchgangsstraßen der Stadt mit mehreren Fahr- und Parkstreifen, für den Autoverkehr gesperrt wurde, waren die Befürchtungen wie üblich groß: die täglich rund 35000 Autofahrten würden komplett auf die umliegenden Straßen verlagert werden und dort würde Chaos ausbrechen, behaupteten die Kritikerinnen und Kritiker im Vorfeld. Vor und nach der Sperrung wurden Verkehrszählungen durchgeführt und die Überraschung war groß, als man im Umfeld (z.B. auf der Bleichstraße) weniger als die Hälfte der erwarteten Zunahme an Autoverkehr zählte. Dass die täglich über 17000 Fahrten spurlos verschwunden waren, ging als „Zeil-Bleichstraßen-Effekt“ in die Geschichte ein, wie man beim Stadtplanungsamt der Stadt Frankfurt nachlesen kann. Wie stark der Rückgang des Autoverkehrs durch solche Maßnahmen ist, lässt sich vorab kaum berechnen und schwankt je nach Ort und Gewohnheiten. Unstrittig ist aber, dass es insgesamt einen Rückgang gibt.

So erklärt es sich dann auch, dass sich weltweit überall dasselbe Phänomen beobachten und zählen lässt: Macht man Autofahrten nur etwas unbequemer, hinterfragen Menschen ihre Gewohnheiten und einige kommen auf den Gedanken, dass das Auto nicht mehr das für sie effektivste Mittel ist. Diese Autofahrten entfallen dann bzw. werden durch Wege mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV ersetzt. Davon nicht betroffen sind explizit die wirklich zwingend notwendigen Autofahrten, wie die z.B. von Lieferdiensten, Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder natürlich Rettungskräften aller Art. Diese Gruppen machen aber im städtischen Verkehr nur einen erstaunlich kleinen Anteil aus.

Gleichzeitig müssen immer auch positive Anreize (die Pull-Maßnahmen) für den Wechsel des Verkehrsmittels geschaffen werden, damit das Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten nicht in einer großen Frustration ohne echte Lösung endet. Auf dem Oeder Weg haben die Zählungen bereits gezeigt, dass rund 1500 Radfahrten mehr pro Tag dort absolviert werden. Die Verkehrsberuhigung scheint also auch in dieser Hinsicht gut angenommen zu werden. Und im Gegensatz zu Menschen im Auto können Radfahrende während der Fahrt problemlos links und rechts die Geschäfte im Auge behalten, spontan bei etwas Interessantem anhalten und einkaufen.

Alleine direkt östlich des Oeder Wegs, auf der Humboltstraße und Jahn-/Sternstraße, gibt es seit Jahren bereits vier Modalfilter, die das Viertel beruhigen. Bei der heiß diskutierten März-Sitzung des Ortsbeirates 3 berichtete die Stadtbezirksvorsteherin Cornelia Walther davon, wie sich auch bei diesen Modalfiltern am Anfang Widerstand regte. Heute würde dort wohl niemand mehr auf die Idee kommen und den Rückbau fordern, schließlich hat man sich an die Ruhe und die hohe Lebensqualität gewöhnt. Die Menschen, die dort mit dem Auto fahren, wollen auch tatsächlich genau an dieser Stelle ein Ziel erreichen und nicht das Viertel als Abkürzung nutzen. Alle anderen suchen sich entweder ganz andere Wege oder wechseln das Verkehrsmittel. Auch westlich auf der Eysseneckstraße gibt es Richtung Norden einen Modalfilter, der die Abkürzung von der Eschersheimer Landstraße zum Alleenring für Autofahrende durchs Wohngebiet unterbindet. Auch darüber regt sich selbstverständlich niemand (mehr) auf.

Bei der März-Sitzung des Ortsbeirates 3 wurde, nach langer Diskussion, mehrheitlich der Wunsch beschlossen, den installierten Modalfilter im Kreuzungsbereich von Oeder Weg und Holzhausenstraße wie geplant bis mindestens 2024 bestehen zu lassen. Zusätzlich wurde beschlossen, dass die von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen zwei zusätzlichen Modalfilter gegen den tatsächlich nun erhöhten Auto-Durchgangsverkehr im Holzhausenviertel installiert werden sollen. Erfahrungsgemäß schlägt der Widerstand nach kurzer Zeit in Gewohnheit und dann in Gefallen um.

Von manchen und besonders lauten Vertreterinnen und Vertretern aus diesem Viertel wurde anstatt dieser weiteren Filter gefordert, dass der Autoverkehr einfach durch den Rückbau des bestehenden Modalfilters wieder auf den Oeder Weg verlagert werden soll. Die genauen Hintergründe bleiben mangels vorgebrachten Sachargumenten rätselhaft, schließlich werden sie persönlich und ihr gesamtes Viertel sehr von der nun zusätzlich beschlossenen Verkehrsberuhigung profitieren. Allerdings wird es für einzelne Personen natürlich minimal unbequemer, wenn sie ihr Haus mit dem Auto erreichen möchten. Verkehrsberuhigung funktioniert aber generell nicht, wenn man selbst weiterhin immer und überall mit dem Auto hinfahren können will und man versucht, nur „die anderen“ aus dem Viertel zu halten. Die Pläne sehen vor, dass wie gehabt jede einzelne Adresse mit dem Auto erreichbar bleibt. Auch hier geht es, wie beim Oeder Weg, nur um den Durchgangsverkehr.

Die zahlreichen Befürworterinnen und Befürworter berichteten dagegen von deutlich weniger Lärm, besserer Luft, mehr Lebensqualität und von insgesamt weniger Autoverkehr im gesamten Viertel. Sie forderten, dass man nicht nur an seine eigene Haustür, sondern auch an die restliche Umgebung denken muss, man daher nicht versuchen sollte einzelne Straßen gegeneinander auszuspielen und boten den Dialog an. Mit 500 gesammelten Unterschriften und einer konstruktiven und sachlichen Diskussionskultur verliehen sie ihrem Anliegen Nachdruck – mit Erfolg!

Nebenbei bemerkt: Die u.a. in dieser Sitzung von den Gegnern vorgebrachten Gerüchte, nach denen der Oeder Weg „für den Autoverkehr gesperrt“ wurde, dass es gar keine Öffentlichkeitsbeteiligung oder politische Beschlüsse für die Umgestaltung gab und die Frage nach der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Unterschriften für den Radentscheid, kann man getrost als populistisches Ablenkungsmanöver abstempeln. Alle Beschlüsse sind online einsehbar und über die Pläne und die schon 2020 durchgeführte öffentliche Ausstellung kann man sich nach wie vor beim Radfahrportal der Stadt Frankfurt informieren: www.radfahren-ffm.de/608-0-Fahrradfreundlicher-Oeder-Weg.html

Ansgar Hegerfeld

Kartengrundlage: OpenStreetMap

Wir haben uns gefragt: wie viele Modalfilter gibt es eigentlich schon in Frankfurt? Die exakte Definition so eines Filters ist zugegebenermaßen schwierig. Muss es z. B. bauliche Trennelemente geben oder reichen auch geschickt kombinierte Einbahnstraßenregelungen, die den selben Effekt haben? Zählen auch Straßenabschnitte, die im Laufe der letzten Jahrzehnte zurück gebaut wurden und die nur noch für den Rad- und Fußverkehr freigegeben sind (z. B. die früher vorhandene Straße zwischen der Praunheimer Brücke und „Am Ginnheimer Wäldchen“, die parallel zur Nidda mitten durch den heutigen Niddapark verlief)? Für die Karte haben wir uns der Übersicht halber auf möglichst baulich eingerichtete Filter beschränkt und solche Straßen weitestgehend außen vor gelassen. Man erkennt sehr gut, dass Modalfilter in Frankfurt absolut nichts Neues sind! Weltweit haben sie sich als Mittel zur Verkehrsberuhigung bewährt und es gibt keinen Grund, nicht noch öfter zu diesem Mittel zu greifen. Das hilft nicht nur dem Radverkehr, sondern auch den Anwohnenden und am Ende auch dem Einzelhandel. Am Ende der Anreise gehen alle zu Fuß, unabhängig vom Verkehrsmittel. Und wer möchte schließlich an Straßen zu Fuß einkaufen gehen, wo man dank Lärm und Abgasen möglichst schnell wieder weg möchte?
Die Karte wird auch weiterhin aktualisiert werden. Link zur interaktiven Karte der Frankfurter Modalfilter: umap.openstreetmap.fr/de/map/modalfilter_891269#13/50.1315/8.6291 

Ansgar Hegerfeld