Was ist eigentlich
Bikefitting?
Viele Radfahrende kennen es: auf längeren Fahrten schlafen die Zehen ein, bitzeln die Unterarme oder schmerzt der Nacken. Dann ist es höchste Zeit für ein Bikefitting. Aber was ist das genau?
Im Grunde bedeutet Bikefitting, dass man das Fahrrad an seine eigenen Größenverhältnisse anpasst. Also, den Sattel auf die richtige Höhe und in die richtige Neigung bringen oder die Cleats der Fahrradschuhe angemessen positionieren. Das Internet und Youtube bieten dazu eine Fülle von Anleitungen, Berechnungsformeln und sonstigen Tipps. Gerne unterstützt auch die Selbsthilfe-Werkstatt des ADFC dabei. Dazu Rainer Mai: „Für einfachere Dinge wie die Satteleinstellung haben wir auf jeden Fall alles an Werkzeug und Expertise da, auch mit einem Knielot können wir hier arbeiten. Wenn es um kompliziertere Dinge wie das Einstellen des Lenkers geht, verlassen wir uns eher auf unsere allgemeinen Erfahrungswerte.“
„Wichtig sind gute biomechanische und anatomische Kenntnisse“
Wem das noch nicht reicht, der kann ein professionelles Bikefitting buchen. Den Unterschied erklärt uns Piero vom Radlabor in Frankfurt: „Wir haben unsere eigene Smartfit-Messtechnik, um Mensch und Fahrrad zu vermessen, woraus sich Optimalwerte ergeben. Natürlich spielt auch unsere eigene Expertise eine wichtige Rolle, denn wir haben gute biomechanische und anatomische Kenntnisse.“ Dies lohnt sich vor allem für Menschen, die ungewöhnlich groß oder klein sind, unterschiedlich lange Beine haben oder einfach viel auf dem Rad sitzen. Oder, wie ich im Praxistest lernen sollte, eine Frau sind.
Obwohl mein Cyclocrosser – Größe XXS – beim Kauf grob auf mich eingestellt wurde, tat mir nach längeren Strecken oft der Hintern weh und meine Zehen schliefen ein. Das macht keinen Spaß und es überrascht mich rückblickend, dass ich trotzdem jahrelang so weitergefahren bin. Die Analyse im Radlabor brachte 2022 dann Aufschluss, wobei ich vor allem das dazu gebuchte Modul „Fokus Sattel“ als hilfreich empfand. Denn es stellte sich heraus, dass meine Sitzbeinhöcker – wie bei vielen Frauen – wesentlich weiter auseinander stehen, als für den genormten Sattel vorgesehen. Dabei sollen diese ja im Idealfall den Druck des Körpergewichts beim Sitzen aufnehmen. Dass das bei mir nicht der Falls war, zeigte eine Messung der Druckverteilung. Doch ein breiterer und speziell für Frauen gestalteter Sattel schaffte im Handumdrehen Abhilfe. Des weiteren wurden Sitzhöhe, Sattelposition, Sitzlänge und Lenkerhöhe angepasst und entsprachen am Ende fast zu 100 % den Empfehlungen des Smartfit-Systems. Viel wichtiger aber ist, dass sich mein Fahrspaß mindestens verdoppelt hat, so sehr, dass ich ein Jahr später auch mein Freizeitrad habe anpassen lassen.
„Mein Fahrspaß hat sich durch die Anpassung des Rads mindesten verdoppelt“
Wer jetzt denkt, dass hier das Ende der Individualisierung erreicht ist, der liegt allerdings falsch. Besonders ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer stellen sich ihr Rad beim Kauf aus Einzelteilen zusammen oder lassen sich gar ein eigenes Rad personalisieren. Einer der bekannteren Hersteller dafür ist Velotraum in Süddeutschland. Muss das wirklich sein? Nachdem ich gemerkt habe, was für einen Unterschied das Bikefitting macht, bin ich gar nicht mehr abgeneigt. Nur der Blick in den Geldbeutel hält mich derzeit noch davon ab…