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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Fahrradmobilität für alle Menschen

Velafrica wird in der Region Frankfurt aktiv

Velafricas Vision ist eine Welt, in der alle Menschen die ­Vorteile der Fahrradmobilität zur Verbesserung ihrer ­Lebensbedingungen nutzen können. Um diese Vision ­umzusetzen, verbindet Velafrica ­soziale Arbeit in der Schweiz und Deutschland mit einer spezifischen Form der Entwicklungszusammenarbeit. Das erste Glied dieser Wirkungskette sind gespendete Fahrräder.

Von Dr. Valentin Janda

In der Schweiz, wie auch in Deutschland, gibt es ebenso viele Fahrräder wie Einwohner (Quelle: Statista). Bei einer Neuanschaffung oder dem Umstieg auf ein E-Bike stellt sich für viele Besitzer:innen die Frage: kann ich etwas Sinnvolles mit meinem noch funktionstüchtigen Rad tun? Durch verschiedene Kanäle, wie Sammelaktionen von Firmen oder Privatpersonen, Abhol­aktionen in Städten und Gemeinden, feste Abgabestellen aber auch mit der Hilfe von Versicherungen und Liegenschaftsverwaltungen sammelt Velafrica jährlich allein in der Schweiz etwa 40.000 Fahrräder ein – vom fast neuen Mountainbike aus Carbon bis zum Drahtesel ohne Gangschaltung aus den 1960er Jahren.

Die Fahrräder allein erzeugen aber noch keinen sinnvollen Mehrwert. Erst durch die Sortierung, Instandsetzung, Kategorisierung und durch den Transport entsteht ein Mehrwert, hierfür braucht es eine Menge Arbeitskraft, das zweite Glied in der Wirkungskette von Velafrica. Träger aus der freien Wohlfahrtspflege, aber auch Justizvollzugsanstalten, setzen für ihre Integrationsprozesse auf meist handwerkliche Arbeit. Ehemals obdachlosen Menschen, Suchtkran­ken oder Straffälligen kann es durch eine strukturierte Tätigkeit gelingen, Selbstwirksamkeit zu erleben – wir alle kennen das gute Gefühl, ein Projekt, eine Aufgabe oder eine Reparatur erfolgreich abgeschlossen zu haben. Diese Selbstwirksamkeit resultiert aus sinnvoller Arbeit und macht für viele Menschen die Freude an der eigenen Tätigkeit aus. Mit dem Wissen um die enorm hohe Nachfrage und die soziale Verwendung der Fahrräder in Subsahara-­Afrika durch Velafrica wird die Arbeit am Fahrrad für viele Menschen aus integrativen Kontexten hoch sinnstiftend. Eine hohe Motivation, eine Identifikation mit dem eigenen Tun und das gute Gefühl, einen Beitrag zu einem wirksamen Projekt geleistet zu haben sind die Folge.

Von den 40.000 in der Schweiz gesammelten Fahrrädern gelangen rund 25.000 pro Jahr nach Gambia, Elfenbeinküste, Burkina Faso, Ghana, Tansania, Südafrika und Ma­dagaskar zu neun Partnerbetrieben. Stark defekte Fahrräder werden demontiert und dienen als Teilespender, Altmetall wird sortiert und ins Recycling gegeben. Rund um die exportierten Fahrräder wird mit lokalen afrikanischen Sozialunternehmen Mobilitätsentwicklung betrieben. Die Fahrräder werden zu subventionierten Preisen vor Ort verkauft, so erhöht jedes Fahrrad die Produktivität der Menschen enorm. Lange Wege werden kürzer, schwere Lasten werden leichter. Arbeit, Haushalt, Wege zum Markt oder zur Schule, aber auch der Transport von Waren werden gefördert – ein gebrauchtes Fahrrad vereinfacht gute lokale Prozesse. Gleichzeitig ist es preiswert in Anschaffung und Betrieb, braucht wenig Infrastruktur und ist umweltfreundlich. Besonders hervorzuheben ist der duale, staatlich anerkannte Ausbildungsgang Velomechanik in Burkina Faso. Ebenso die Bike to School-Programme, die Kindern aus besonders abgelegenen Regionen durch ein Fahrrad den Schulbesuch ermöglichen. Die Verknüpfung von sozialer Arbeit in der Schweiz und Deutschland mit einer Mobilitätsentwicklung rund ums Fahrrad in Subsahara-Afrika machen diesen besonderen Ansatz und seinen Erfolg aus.

Mit gut 20 Mitarbeiter:innen und 36 Partnerbetrieben ist Velafrica in der Schweiz gut etabliert. Die enorme Nachfrage der afrikanischen Partner nach gebrauchten Fahrrädern stellt Velafrica jedoch vor ein Problem: Um die gut und aufwändig eingeführten afrikanischen Projekte und Sozialunternehmen zu halten oder gar auszubauen, werden wesentlich mehr Fahrräder benötigt. Eine Verdopplung auf 50.000 exportierte Fahrräder pro Jahr wird mittelfristig angestrebt. Dafür ist Velafrica seit Ende 2022 auch in Deutschland aktiv, dem größten Fahrradmarkt in Europa. Aus Aachen wurden bereits zwei Container mit jeweils ca. 400 fahrbereiten Fahrrädern exportiert. Münster und nun Frankfurt sind weitere Pilotregionen. Aktuell laufen erste Gespräche mit interessierten Trägern in der Region Frankfurt. Die Paul Schuster Stiftung unterstützt Velafrica beim Aufbau der Wirkungskette in der Region mit dem Ziel, in Malawi einen Fahrradhub mit Rädern aus der Region Rhein-Main aufzubauen. Ihre Expertisen für Kreislaufprozesse und Recycling zeichnen die Paul Schuster Stiftung und Velafrica aus. Die Produktivität und den Lebens­zyklus von bereits vorhandenen, aber nicht mehr benötigten Fahrrädern maximal auszudehnen und so Perspektiven für Menschen in Malawi zu schaffen, passt ideal zum bereits laufenden Engagement der Paul Schuster Stiftung im südostafrikanischen Malawi.

Obschon die soziale und nachhaltige Verwendung der Fahrräder durch die afrikanischen Partner etabliert und sichergestellt ist, bleibt das Sammeln und die Verarbeitung der Fahrräder hierzulande eine Herausforderung. In der Region Frankfurt werden interessierte Träger gesucht, vor allem aber auch Privatpersonen, Läden, Werkstätten und andere Einrichtungen, die Fahrräder sammeln oder die als Annahmestelle dienen. Ebenso suchen wir Kontakt zu Immobilienverwaltungen, Fundbüros und Ordnungsämtern und allen Einrichtungen, bei denen regelmäßig Fahrräder anfallen.

Velafrica bietet einen innovativen Ansatz, das Radfahren durch Up­cyc­ling und zirkuläre Nutzung nachhaltiger zu machen. In der Fahrradcommunity hat Velafricas Verknüpfung von sozialer Arbeit und Mobilitätsentwicklung ein gutes Potential, sich auch in Deutschland zu etablieren, sofern die Bereitschaft zu Spenden und für Engagement unter den Frankfurter:innen ebenso gegeben ist wie in Aachen und der Schweiz.

Kontakt zu Velafrica e.V. in Deutschland:

valentin.janda[ät]velafrica.de Tel. +4915774210746


Dr. Valentin Janda ist Techniksoziologe und hat an der Technischen Universität Berlin und der Universität Paderborn zum Zusammenhang von Technik, Design und sozialer Transformation geforscht und gelehrt. Seit November 2022 ist er Geschäftsführer von Velafrica e. V. und leitet den Aufbau in Deutschland, das Fundraising und den operativen Aufbau im Raum Aachen und Frankfurt am Main. 2019 gründete er mit Chris Klein und anderen das ­Social Start-Up Provide the Slide.