Was tun bei Verkehrsunfällen?
Es schadet nicht, sich rechtzeitig über Hilfeleistung und
„Erste Hilfe“ Gedankenzu machen
Auch wenn Radfahren an sich sehr sicher ist, kommt es leider trotzdem manchmal zu Unfällen. Mal ist bei Dunkelheit eine kleine Kante nicht zu sehen oder es wird einem die Vorfahrt genommen – die Ursachen sind vielfältig. Und egal, ob man einen Unfall nur beobachtet hat oder selbst beteiligt war: Ein paar Dinge gibt es zu beachten, damit die Betroffenen schnell ärztlich versorgt werden, finanzielle Schäden ersetzt werden und der bürokratische Aufwand im Nachgang überschaubar bleibt.
Die oberste Maxime bei einem Unfall ist „ruhig bleiben“. Panik und Aktionismus helfen niemandem. Zuerst sollten Helfende die Unfallstelle absichern, um Folge-Unfälle zu verhindern. Neben klassischen Hilfsmitteln wie Warndreieck eignet sich auch das eigene Fahrrad gut zur Absicherung einer Unfallstelle: Liegen zum Beispiel Verletzte an einer schlecht einsehbaren Stelle auf der Straße, kann ein Fahrrad gut sichtbar einige Meter vorher quer auf die Fahrbahn gestellt werden, um herannahende Verkehrsteilnehmende vor dem Unfall zu warnen. Auch bietet es sich an, andere anwesende Personen zu bitten, die Absicherung zu übernehmen. Welche Absicherung genau notwendig ist, kommt auf die Situation an. Allgemein gilt aber: Helfende sollten trotz aller Sorge um die Betroffenen sich nicht selbst in Gefahr bringen. Eigensicherung geht vor Fremdsicherung!
Notruf-Nummer 112 wählen!
Als nächstes sollten Helfende mit den betroffenen Personen sprechen und prüfen, ob es Verletzte gibt. Ist das der Fall, sollte sofort die internationale Notruf-Nummer 112 angerufen werden (nicht 110, die ist nur für reine Polizeieinsätze!). Bis die Profis vom Rettungsdienst vor Ort sind, ist Erste Hilfe zu leisten, wenn nötig. Je nach Ort und Verletzungen leitet der Rettungsdienst auch per Telefon an. Wichtig: Selbst nicht perfekt ausgeführte Erste Hilfe hilft mehr als gar keine Hilfe und rettet unter Umständen Leben! Übrigens: Wird über die Notruf-Nummer 112 ein Verkehrsunfall mit Personenschaden gemeldet, sollte von der Leitstelle auch automatisch die Polizei alarmiert werden. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann beim Anruf aber extra darauf hinweisen.
Wenn keine schweren Verletzungen zu versorgen sind, sollten Helfende den Verletzten zur Seite stehen, weitere Personen im Umfeld ansprechen und diese bitten, dem nahenden Krankenwagen gut sichtbar zu winken bzw. ihn einzuweisen – das spart wertvolle Zeit, wenn die Rettungskräfte nicht erst den Unfallort suchen müssen. Da viele Personen in Unfallsituationen unsicher sind und Menschen generell besser reagieren, wenn sie direkt angesprochen werden, ist es wichtig, Aufgaben konkret zu verteilen: Nicht „jemand muss den Rettungswagen einweisen“, sondern „DU weist den Rettungswagen ein“ oder „DU kümmerst Dich um die Absicherung der Unfallstelle“.
Wichtig ist generell zu wissen, dass an einem Unfall direkt beteiligte Personen in der Regel unter Schock stehen, auch wenn sie das selbst oft nicht merken oder sich eingestehen wollen. Dabei handelt es sich um eine sinnvolle Reaktion des Körpers, die aber auch dafür sorgt, dass selbst schwerere Verletzungen durch das ausgeschüttete Adrenalin nicht bemerkt werden. Es passiert also durchaus, dass Radfahrende trotz gebrochener Handgelenke o.ä. fast schmerzfrei noch selbst weiter radeln können und erst später bemerken, dass die Schäden größer sind als anfangs gedacht. Gerade deswegen ist es sinnvoll, den Rettungsdienst lieber einmal zu viel zu rufen als einmal zu wenig. So kann bei einer kurzen Untersuchung im Krankenwagen geprüft werden, ob die Fahrt ins Krankenhaus notwendig ist oder ob es wirklich nur ein paar Kratzer sind. Da die Verunfallten oft aber denken, dass alles in Ordnung ist, hilft es, sie aktiv auf ihren Schock und die Auswirkungen hinzuweisen und ihnen ein paar Minuten Zeit zu geben. Manchmal äußert sich ein Schock aber auch ganz offensichtlich durch seltsam wirkendes Verhalten, wie z.B. das Laufen/Stehen direkt auf einer vielbefahrenen Straße oder das Bestehen auf der Weiterfahrt, selbst wenn die Person vor Schmerzen/Brüchen gar nicht mehr aufstehen kann. Hier ist es gut, wenn die umstehenden Menschen beruhigend mit der verletzten Person sprechen und ihr klar machen, dass man jetzt erst einmal einen Moment warten sollte.
Erste-Hilfe-Kurs auffrischen
Der letzte Erste-Hilfe-Kurs liegt schon viele Jahre oder Jahrzehnte zurück? Dann wird es Zeit für eine Auffrischung! Egal, ob über den eigenen Arbeitgeber oder als Bestandteil der ADFC-Tourguide-Ausbildung: Wer regelmäßig die Grundlagen übt, ist im Ernstfall entspannter und kann besser helfen.
Am 21.10. nahmen wieder 13 Tourenleiter:innen an einem kurzweiligen und spannenden Erste-Hilfe-Kurs teil, der neben vielen ernsten Informationen auch jede Menge Platz für Spaß bot.
Sind die Profis vom Rettungsdienst angekommen, die Verletzten versorgt und alle Beteiligten beruhigt, heißt es warten auf die Polizei. Zu diesem Zeitpunkt ist es hilfreich, den Betroffenen Platz zu geben. Insbesondere Schaulustige können ein Problem werden: Alle, die nicht am Unfall beteiligt, Zeuge oder Zeugin waren oder für die Versorgung und Absicherung benötigt werden, sollten die Unfallstelle verlassen. Auch hier helfen konkrete Ansprachen an diese Personen und die Bitte, nicht zu bleiben.
Gedächtnisprotokoll verfassen
Egal, ob man selbst am Unfall beteiligt war oder ihn beobachtet hat: Nach der Versorgung der Verletzten sollten alle Beteiligten möglichst schnell ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. Dies hilft bei der späteren Rekonstruktion für die Versicherungen oder ein mögliches Gerichtsverfahren. Da Erinnerungen innerhalb von Stunden stark verblassen, bietet es sich an, noch direkt vor Ort Sprachnachrichten oder Notizen auf dem Handy festzuhalten und diese zu Hause zu verschriftlichen. In ein Gedächtnisprotokoll gehören natürlich Informationen über den Unfallhergang (Fahrtrichtungen, Geschwindigkeiten, Bremsmanöver, …) und beteiligte Personen (auch weitere Zeug:innen!), aber auch unwichtig scheinende Details wie Wetter- und Straßenverhältnisse, Sonnenstand oder generelles Verkehrsgeschehen (dichter Verkehr oder eher wenig los?). Auch das, was die Beteiligten nach dem Unfall sagen, ist relevant! Gerade für Versicherungen und mögliche Strafverfahren können solche Details später entscheidend sein. Generell gilt: Fotos sagen mehr als 1000 Worte, also sollten alle Details möglichst mit Bildern dokumentiert werden.
Zusätzlich zum Gedächtnisprotokoll sollten auch die Verletzungen ärztlich dokumentiert werden, besonders wenn es mehrere Beteiligte gab und es später um die Schuldfrage geht. Falls von den Verletzungen her möglich, helfen auch hier eigene Fotos.
Zeug:innen nicht vergessen
Zuletzt sollten Zeuginnen und Zeugen ihre Kontaktdaten den Beteiligten mitgeben (gut leserlich auf einem Zettel) oder bis zum Eintreffen der Polizei warten und denen die Daten geben. Leider passiert es sehr häufig, dass Personen sich vom Unfallort entfernen und später nicht mehr ermittelt werden können! Uns sind auch Fälle aus Frankfurt bekannt, bei denen Betroffene später vor Gericht um womöglich lebenslang zu zahlenden Schadenersatz wegen Arbeitsunfähigkeit kämpfen mussten und nur dank Zeugenaussagen Recht und damit eine Chance auf Entschädigung bekamen. Solche Fälle sind zum Glück selten, aber gerade deswegen sollte man sich immer melden und die eigenen Kontaktdaten hinterlassen. Man selbst wünscht sich ja, dass man bei einem eigenen Unfall diese Unterstützung erhält.
Ansgar Hegerfeld und Falko Görres