Leichtfüßiger Kraftakt
Der Welt-Cup im Kunstradfahren fand in Frankfurt statt
Am 29. April 2023 fand in Frankfurt auf Initiative des Radsportvereins Germania Tempo Höchst der Weltcup im Kunstradfahren statt – damit ist dem Club ein echtes (Achtung: Wortspiel) Kunststück gelungen.
Aus der Ferne mag es wie ein normales Fahrrad aussehen, doch dieser Eindruck korrigiert sich schnell. Zunächst fällt der Lenker auf, eine Art Kopf stehender Rennlenker. Auch hat das Gefährt weder Bremsen noch Schaltung, sondern lässt sich durch einen einzigen Gang mit 1:1-Übersetzung vorwärts wie rückwärts fahren. Der enge Radstand und kleine Steighilfen an den Achsen der Räder machen den Look komplett. Mit regulärem Fahrradfahren hat das, was Daniel Andrés und andere Kunstradathlet:innen zeigen, dann auch wenig zu tun. Rückwärts auf dem Lenker sitzend wird angefahren, sich in den Handstand gestemmt und das Rad von dort aus im Kreis gelenkt. Weitere Übungen sind das freihändige Fahren nur auf dem Hinterrad oder das seitliche Stehen auf Sattel und Lenker. Hinter den leichtfüßigen, unaufgeregten Bewegungen des 32-Jährigen stecken aber höchste Konzentration, Präzision und absolute Körperspannung. „Das genau macht den Sport so besonders“, erklärt er.
Alles wirkt vollkommen mühelos
Daniel Andrés ist Mitglied im Radsportverein Germania Tempo Höchst und war die treibende Kraft hinter der Organisation des Kunstrad-Weltcups in Frankfurt im April 2023. Wie kommt man darauf, die Weltspitze in die Mainmetropole zu holen? „Die Idee wurde erstmals auf der Feier zum 125-jährigen Bestehen unseres Vereins diskutiert. Dort waren Vertreter von Stadt, Land und Bund vor Ort, die uns ihre Unterstützung zusicherten.“ Nun mussten Anträge gestellt und Sponsoren akquiriert werden: ein hartes Stück Arbeit für das fünfköpfige Team um Andrés, das rein ehrenamtlich agiert. Neben Unterstützern aus der freien Wirtschaft konnten die Stadt Frankfurt und das Land Hessen als Förderer gewonnen werden. Zudem wurden 30 Helferinnen und Helfer für den Einsatz vor Ort mobilisiert. Am Wettkampftag selbst – hier drängt sich die Parallele zu diesem Sport geradezu auf – wird dadurch alles vollkommen mühelos wirken.
Daniel Andrés hat das Kunstradfahren quasi in die Wiege gelegt bekommen: Seine Mutter war bereits Trainerin im Verein und nahm den damals sechsjährigen zu den Kursen mit, in denen auch sein älterer Bruder aktiv trainierte. Heute ist der sympathische Frankfurter selbst als Trainer einer Jugendgruppe tätig. Die besonderen Fahrräder stellt der Verein zur Verfügung, denn ein Rad kostet zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Auch Andrés fährt seine Weltcup-Küren auf einem Modell des Vereins. „Man gewöhnt sich sehr stark an das Rad“, erklärt er. Ohnehin ist es nicht so, dass man von dem Sport leben könnte, auch auf Weltklasseniveau nicht. „Es gibt keine Profisportler wie beim Rennradfahren. Das ist sehr schade,“ betont Andrés, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz arbeitet und bald seine Promotion in Informatik abschließen wird. Umso beeindruckender, dass er und der Verein aus Höchst den Weltcup in Frankfurt mit so viel Engagement realisiert haben.
Teamgeist und absolute Synchronisation
Am 29.04.2023 war es dann so weit. 71 Athlet:innen aus 16 Nationen stellten in der ausverkauften Fabriksporthalle in Fechenheim ihr Können unter Beweis und buhlten vor den Augen der internationalen Jury um die begehrten Plätze auf dem Siegertreppchen. Es war das bisher größte Teilnehmerfeld in der Geschichte der Serie. Neben Einzelfahrerinnen und -fahrern waren auch 2er- und 4er-Teams am Start. Hierbei stehen Teamgeist und absolute Synchronisation der Bewegungen im Vordergrund. Im Publikum gaben sich unter anderem der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) Rudolf Scharping und der designierte Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef die Ehre. Beide fanden lobende Worte für den Verein und Josef betonte, dass Frankfurt mit dieser Veranstaltung und dem zwei Tage später stattfindenden Radrennen „Frankfurt-Eschborn“ zu einer echten Radsportstadt wird. Auch für Daniel Andrés hat sich die harte Arbeit gelohnt. „Wir konnten zeigen, dass es in Frankfurt Kunstradfahren auf Weltklasse-Niveau gibt.“
Nutzt man als Kunstradfahrer das Fahrrad eigentlich als Fortbewegungsmittel?. „Als ich noch in Höchst gewohnt habe, bin ich alle Strecken mit dem Rad gefahren“, berichtet der Organisator, der mit seiner Einzelkür Platz 11 einheimsen konnte. Auch die Umgestaltung der Frankfurter Innenstadt hat er positiv wahrgenommen, sieht im Westen aber noch Verbesserungspotenzial. Nach dem Weltcup steht für ihn das Fahrrad aber vorerst an zweiter Stelle. „Mit dem Projekt hat sich ein echter Traum erfüllt. Aber jetzt konzentriere ich mich auf die Promotion.“