Mit Abstand sicher unterwegs
Forschungsergebnisse der Hochschule RheinMain zeigen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Pkw und Radelnden beim Überholen in 50 Prozent der Fälle innerorts und sogar in 80 Prozent der Fälle außerorts unterschritten werden – zum Teil erheblich. Messungen ergaben Werte von unter 40 Zentimetern.
Dabei gilt seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung im April 2020 ein Mindestabstand von 1,5 Metern innerorts, außerorts sogar von 2 Metern. Für Radfahrende bedeutet es erheblichen Stress, ohne angemessenen Abstand überholt zu werden, was ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann. Von einem Bus in einem Abstand von weniger als einem halben Meter überholt zu werden, ist freilich kein Spaß. Um solchen Situationen zu entgehen, nutzen viele den Gehweg, teilweise verbotswidrig, was zu Konflikten mit zu Fuß Gehenden führt.
Warum werden die vorgeschriebenen Überholabstände so erheblich unterschritten? Vermutlich geschieht das, weil die bestehenden Regeln nicht bekannt sind – oder auch durch Fehleinschätzung des Abstands. Die Unkenntnis der Notwendigkeiten eines sicheren Radverkehrs verleitet auch Verkehrsteilnehmende in ihren sicheren Blechgehäusen dazu, die Gefährdung Radelnder bewusst oder unbewusst in Kauf zu nehmen.
Einen Verstoß gegen die Abstandspflicht gerichtsfest zu dokumentieren, gestaltet sich in der Praxis als sehr schwierig; die hohen Bußgelder helfen da auch nicht.
Um die Situation zu verbessern, gibt es die Landeskampagne „Mit Abstand sicher unterwegs“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Das Land bietet jede Menge Informationen und Materialien für Kommunen und Landkreise. Viele Gemeinden unterstützen diese Aktion, auch in unserer Nachbarschaft, leider nicht die unsrige. Angesichts der schlechten Ergebnisse beim letzten Fahrradklima-Test würde es der Stadt gut zu Gesicht stehen, diese Aktion ebenfalls aktiv zu unterstützen und für einen sicheren Radverkehr zu werben.