Leserbrief: Verkehrswende in Hessen
Die Gerichte geben Gas – für Autofahrer
Vorgestern hat der Hessiche Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass der geplante Verkehrsversuch in Gießen rechtswidrig ist.
Das passt ins Bild, wenn man sich die Verkehrspolitik in Hessen anschaut: der Radschnellweg von Darmstadt nach Frankfurt sollte vor Jahren fertiggestellt sein und ist weiterhin nur ein Torso. In 9 Jahren unter dem aktuellen „Grünen“ Verkehrsminister wurden 27 Kilometer landstraßenbegleitende Radwege errichtet. Es macht ja auch deutlich mehr Freude ein neues Flughafenterminal zu eröffnen, als sich für 3 Kilometer Radweg feiern zu lassen. Im laufenden Wahlkampf wird sich unser Verkehrsminister aber sicherlich wieder pressewirksam erinnern, dass er im letzten Jahrtausend in Offenbach Fahrrad gefahren ist…
Doch nun zum aktuellen Fall: da klagen im Juni 2023 zwei Gießener Bürger gegen den Verkehrversuch in der Gießener Innenstadt, im Juli entscheidet das Verwaltungsgericht für die Anwohner/Autofahrer und nur einen weiteren Monat später fällt der Verwaltungsgerichtshof das endgültige Urteil: Sie argumentieren aber auch anhand der Tatsache, dass der Anlagenring eine hohe Bedeutung für den motorisierten Verkehr in Gießen habe und von Radfahrern „derzeit gering genutzt“ werde – was womöglich an den fehlenden Radwegen liegt.
Zwischen Klage und letztinstanzlichem Urteil liegen nur 2 Monate. Wenn man das mit der aktuellen Verfahrensdauer vor Verwaltungsgerichten vergleicht, ist das erstaunlich: Ein Hauptverfahren hatte zwischen Januar und Ende September 2019 vor den fünf hessischen Verwaltungsgerichten im Durchschnitt 16,8 Monate gedauert, vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof waren erstinstanzliche Verfahren 19,4 Monate anhängig gewesen.
Wenn es darum geht Einschränkungen für Autofahrer zu vermeiden, geben die Gerichte richtig Gas, diese als rechtswidrig zu brandmarken. Anders beim geplanten Verkehrwendegesetz das seit Oktober 2022 beim Hessichen Staatsgerichtshof liegt: hier hatte es bisher niemand sehr eilig, die Rechte von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV zu stärken.