Die Frankfurter
Falschparker-Kapitulation
Wie behördenübergreifend gefährliche Regelverstöße toleriert werden
Es klang zu schön, um wahr zu sein: Ende 2019 kündigte der damalige Verkehrsdezernent Oesterling eine „null Toleranz“-Richtlinie im Kampf gegen Falschparker an, die seitdem (und auch bis heute!) für die damals neu gegründete Fahrradstaffel gilt und die alltägliche Polizeiarbeit nachhaltig zum Positiven veränderte. Fast gleichzeitig wurde die Bearbeitung der von Privatpersonen eingereichten und bis dahin nur selten bearbeiteten Anzeigen plötzlich wieder aufgenommen. Grund dafür: Der ADFC Frankfurt hatte, u.a. mit eingeschleusten Test-Anzeigen gegen die eigenen Aktiven und Anfragen in der Stadtverordnetenversammlung, öffentlich gemacht, dass diese Anzeigen seit längerer Zeit stillschweigend kaum noch bearbeitet wurden. Die Wirkung der Privatanzeigen war durchaus spürbar, wenn auch nur langsam und mit Verzögerung. Es gab aber erfreuliche Veränderungen im Verhalten der Falschparker und vereinzelte Gerichtsprozesse, wobei die Widersprüche der Falschparkenden zumeist verworfen wurden.
Nicht einmal vier Jahre später haben wir nun schon wieder herausgefunden, dass die Privatanzeigen nicht mehr bearbeitet werden. Egal ob per E-Mail, Brief oder über den Webdienst weg.li eingereicht – die Chancen auf Bearbeitung durch die städtische Bußgeldstelle stehen seit Monaten bei fast Null.
Gleichzeitig sind viele Stellen bei der städtischen Verkehrspolizei unbesetzt, die Prozesse teilweise nicht gerade für Effizienz bekannt und große Teile der Landespolizei vermeiden gerne den unbeliebten Kontakt mit Falschparkern – Verkehrssicherheit hin oder her. Während diese Behörden immer auch gerne auf den Weg der Privatanzeige als Alternative verweisen, landen diese Anzeigen dort zu tausenden Monat für Monat unbearbeitet im digitalen Papierkorb – zur Freude der Falschparkenden. So wird auch die an sich gute Bußgeldreform des letzten Jahres weitestgehend außer Kraft gesetzt. Das Ergebnis sehen wir auf Frankfurts Straßen: wo Platz zum Parken ist, wird auch geparkt. In Feuerwehrzufahrten, auf Zebrastreifen, auf Radwegen, auf Gehwegen, mitten in Kreuzungen.
Behörden stellen Arbeit faktisch ein
Wir haben also praktisch keine Möglichkeit gegen die durchaus gefährliche Regelignoranz vorzugehen, weil sich die Behörden entweder gegenseitig die Verantwortung zuschieben oder aber die Arbeit nahezu komplett eingestellt haben.
Schon 2018 hatten wir dem Ordnungsamt Unterstützung bei der Optimierung der Abläufe angeboten. Viele Menschen informieren sich auf unseren Kanälen über die Möglichkeiten der Privatanzeigen und wir würden gerne zur Verringerung der händischen Nacharbeit in der Bußgeldstelle beitragen. Das Angebot wurde damals leider abgelehnt.
Wegen der aktuellen Nichtbearbeitung haben wir im öffentlichen Ausschuss für Personal, Sicherheit und Digitalisierung unsere Fragen gestellt und auf die faktische Aussetzung von bundesweiten Gesetzen hingewiesen. Dafür erhielten wir eine seltene parteiübergreifende Unterstützung, sogar aus den Reihen der Koalition. Leider konnte das zuständige Dezernat weder Lösungsansätze noch Ideen nennen, mit denen man die Probleme in den Griff bekommen könnte. Immerhin wurde als Hauptursache Personalmangel genannt. Mit etwas Abstand haben wir Ende Juli das zuständige FDP-geführte Dezernat IX nochmals schriftlich um Stellungnahme gebeten und unser Angebot zur Unterstützung erneuert. Da wir bis zum Redaktionsschluss dieses Heftes keine Antwort aus dem Dezernat bekamen, reichen wir diese mit der nächsten Ausgabe nach.