Cati ohne Rad? Undenkbar!
Aktivenporträt aus Bad Vilbel
Ein Blick in das Mitgliederverzeichnis des ADFC-Bundesverbands bestätigt, was Cati nach kurzem Nachdenken angibt: Sie ist vor fast 15 Jahren, im April 2008, Mitglied im ADFC geworden. Vor sechs Jahren dann ist sie zu den Aktiven des ADFC Bad Vilbel / Karben hinzuzustoßen. Seitdem unterstützt sie vor allem in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Bislang hat sie es nicht bereut. Was sie an unserem Verein schätzt, sind die sympathische Arbeitsatmosphäre im Kreis der Aktiven und mindestens genauso sehr das ehrenamtliche Engagement zur Förderung des Radverkehrs. „Es braucht mehr Leute, die das Team unterstützen. Ich hätte nicht länger mit gutem Gewissen nichts machen können. Man kann sich nicht immer nur darauf zurückziehen, dass andere die Arbeit machen“, sagt Cati. „Die Sache an sich ist es absolut wert. Das Fahrrad muss als Verkehrsmittel gleichberechtigt auf den Straßen behandelt und eingestuft werden. Ein toleranteres Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer würde mir gefallen – Respekt und Rücksicht. In der Provinz, so muss ich Bad Vilbel in dieser Hinsicht leider nennen, braucht das Team einen langen Atem, um mit seinen Ideen in die Köpfe der Entscheider:innen vorzudringen. Je mehr Ehrenamtliche, desto länger der Atem und desto stärker das Rück(g)rad(t).“
Caterina Pohl-Heuser ist gebürtige Leipzigerin. Mit ihren 57 Jahren gehört sie zu den Jüngeren im Aktivenkreis. Cati ist leidenschaftliche Sportlerin, liebt die Natur und besitzt die Gabe, die Dinge mit einem feinen Humor zu nehmen. Das Fahrrad ist für sie mit Abstand das wichtigste Verkehrsmittel. Mit ihm bewältigt sie fast alle Wege im Alltag – zur Arbeit, zum regelmäßigen Besuch bei ihrer betagten Mutter, zum Tennis, zum Einkaufen … Gerne würde sie öfter auch in ihrer Freizeit auf Tour gehen, doch noch ist die Zeit nicht gekommen, in der sie neue Routen mit Muße planen könnte.
„Auf dem Fahrrad fühle ich mich frei und unabhängig“, sagt sie. „Ich liebe es draußen zu sein. Mit dem Rad bin ich nah dran. Ich bin privilegiert, was meinen Weg zur Arbeit angeht. Ich kann die Nidda entlangfahren. Je nach Jahreszeit sehe ich Störche, Wasserschildkröten, Reiher, Nutrias, Eisvögel, Schwäne, jede Menge Krähenvögel. Die Spatzen machen in den Bäumen vor dem Bauernhof Radau, und im Sommer höre ich die Lerchen über den Feldern. Im Herbst steigt der Morgennebel auf, die Felder sind von Raureif weiß gefärbt. Ich bin nicht religiös, aber dann muss ich schon an die Schöpfung denken. Und ich will dazu beitragen, sie zu bewahren. Keine Fahrpläne, keine oder wenig Parkplatzprobleme. Ich tue etwas für meine Gesundheit. Physisch und für meine Seele. Auf dem Fahrrad kann ich gut nachdenken, Abstand gewinnen. Zwiegespräche mit Petrus führe ich, wenn er mich mit Gegenwind ausbremst und/oder Glatteis und Schnee das Fahrradfahren, trotz Spikes, unmöglich machen.“
A propos Weg zur Arbeit: Cati arbeitet als Fotoredakteurin in einem Verlagshaus. Umweltthemen, Klimakrise, ökonomisch, klimaneutral, ökologisch leben, das sind auch Themen in den Publikationen. Vor kurzem ist ein Beitrag übers Radeln im Heft erschienen. Cati konnte eine tolle Illustratorin für den Job gewinnen, die die Geschichte sehr witzig und originell illustriert hat.
Bei der Frage, ob ihre Familie gleichermaßen emsig mit dem Fahrrad fährt wie sie selbst, huscht Cati ein leises Lächeln übers Gesicht. Ihr Sohn liebt es, Auto zu fahren – und bringt damit die CO2-Familienbilanz kräftig durcheinander. Dabei hat er als kleiner Knirps zusammen mit Mutter und Vater stramme Touren am Gardasee durchgehalten. Doch die Chancen, dass er irgendwann wieder mehr aufs Rad zurückgreifen wird, schätzt Cati als durchaus gut ein. Ehemann Norbert fährt ebenfalls Fahrrad, doch an Catis Frequenz kommt er – was Wunder – nicht heran. Auch Catis Eltern sind gerne, regelmäßig und bis ins hohe Alter geradelt.
Das E-Bike ist mächtig im Aufwind. Daran beteiligt ist auch Catis Arbeitgeber, über den sie vor anderthalb Jahren ein JobRad-Pedelec geleast hat. Ihr gutes, mit Muskelkraftantrieb ausgestattetes Gudereit SX90, mittlerweile sieben Jahre alt, hat sie deswegen keineswegs außer Betrieb genommen. Auch das Vorgängerfahrrad benutzt sie noch immer. Es steht bei ihren Eltern, für kurze Wege, wenn sie mit dem Auto dort ist. Also: zwei treue Weggefährten. Das Pedelec nutzt Cati seltener, und dann nur für längere Strecken. „Denn hier kommt die Power aus der Steckdose. Und die muss produziert werden.“ Der Weg zu ihren Eltern bedeutet: zwei Mal über den „Heartbreak Hill“ Bad Vilbels – den Schöllberg hoch und wieder hinunter. Auf dem Rückweg gibt es Momente, in denen sie um Unterstützung durch den E-Motor froh ist.
Die Wahl fällt nur selten unausweichlich auf das Auto – etwa dann, wenn Cati ihre Mutter nebst Rollator oder Rollstuhl zu Besorgungen mitnimmt. Nicht zu vergessen: Es gibt eben auch Urlaubsziele, die ohne Auto zu erreichen mehrere Tage dauern würde. Ganz oben auf Catis und Norberts Zettel steht England. Mit Zug, Bahn, Fähre und Bus – so haben sie’s bereits praktiziert, und so ist bereits der Weg Teil des Ziels. Nur: Wären da nicht die lange Reisezeit und der eng gesteckte zeitliche Rahmen …
Ute Gräber-Seißinger