Die EUROBIKE ab jetzt in Frankfurt – das passt zusammen!
Die weltgrößte Fahrrad-Fachmesse ist von Friedrichshafen nach Frankfurt gezogen. Die nette Stadt am Bodensee und ihr Messegelände waren schlichtweg zu klein und zu peripher gelegen für eine international vernetzte Wachstumsbranche wie die Fahrradindustrie, und andere Bewerberstädte mit großen Ausstellungshallen boten nicht die Ambition, ernsthaft auf dem Weg zu einer Fahrradstadt zu sein.
Man kann sich im Falle Frankfurts zwar darüber streiten, ob die Stadt schon auf diesem Weg ist, aber hier ist in Sachen Radverkehrsförderung in den letzten Jahren mehr passiert, und das auch sichtbarer als anderswo. Insofern hat sich Frankfurt seine neue jährliche (!) Fahrradmesse verdient. Zusätzlich bietet die Stadt den Standortvorteil der zentralen Lage und guten Verkehrsanbindung.
Wie war nun die EUROBIKE, auch aus Sicht des ADFC? Wir waren an zwei Orten der Messe mit Infoständen vertreten, in Messehalle 8 (als Unterstützung für den ADFC-Bundesverband) und am Mainkai, beim Publikumsevent „EUROBIKE CITY“. Bei uns war der Zulauf an den Ständen über die 5 Tage insgesamt gut, aber es gab sowohl in den Hallen als auch am Mainkai erhebliche Flautephasen. Das Angebot am Mainkai war zu dünn, um wirklich viel Publikum extra anzuziehen. Die Veranstalter selbst (die Messegesellschaft FAIRNAMIC als Joint Venture der Messen Frankfurt und Friedrichshafen) äußerten sich hochzufrieden, auch mit den Besucherzahlen (ca. 70.000), die nächste Messe ist für 2023 schon terminiert auf 21.–25. Juni.
Wer noch die EUROBIKE von Friedrichshafen kennt mit ihren vielen kleineren Hallen und dem wuseligen Getriebe drin und drumherum, wird beeindruckt gewesen sein von der schieren Wucht der Architektur der riesigen neuen Frankfurter Messehallen. Gerade größere Ausstellerfirmen konnten sich hier ausgiebig inszenieren. Kapazitätsmäßig ist die Infrastruktur – die westliche Hälfte des Messegeländes – noch lange nicht ausgereizt, die EUROBIKE kann in den nächsten Jahren also noch weiter wachsen.
Welche Trends sind aus den Exponaten zu erkennen? Dem Autor, selbst meist in den Hallen und am ADFC-Stand tätig, fielen zwei Dinge am meisten auf: einmal das starke Interesse an Speziallösungen im Lastenradbereich. Hier zeigten sich jede Menge Startups, und die Diversifizierung der durchweg elektrifizierten Lastenräder für verschiedene professionelle Cargo-Anwendungen – von Paketdienst über Handwerker bis Müllabfuhr – geht immer weiter. Die Parole lautet in vielen Orten schon: letzte Meile mit dem Fahrrad.
Dann war aber auch ein Trend zu spüren, den man ironischerweise als den „Wiedereinstieg der Autobranche durch die Hintertür“ bezeichnen könnte. Noch geht es nicht direkt um VW oder BMW als Fahrradhersteller. Aber nicht zufällig hatte der ADAC einen sehr großen Stand, um seine Pannenhilfe für Radfahrer:innen zu promoten. Und es waren die größten Autozulieferer Deutschlands allesamt vertreten: Bosch, Conti, ZF, Brose, Mahle, aber auch große Prüfdienste wie DEKRA und TÜV Rheinland. Wer das gesamte Spektrum der Exponate gesehen hat, kann auch verstehen warum: gefühlt 90 Prozent waren E-Bikes und Pedelecs. Wer (außerhalb des Renn- und Gravel-Segments) ein „Bio-Bike“ ohne Hilfsmotor suchte, wurde fast schon belächelt. Dabei gilt die Devise: je raffinierter und teurer desto besser – weil profitabler. Ein modernes E-Bike ist heute ein komplexes Gesamtsystem aus Antrieb und Ergonomie, mit noch viel Potenzial für Digitalisierung. Das wird viele Akteure aus der traditionellen mittelständischen Industrie und den kleinteiligen Handwerksbetrieben der Fahrradbranche überfordern. Erst recht gilt das für die sympathische ehrenamtliche Pannen-Selbsthilfe von ADFC-Gliederungen – die für Endverbraucher sowieso. Wer heute ein Auto fährt und die Motorklappe öffnet, steht hilflos vor einer Blackbox. So ähnlich wird es wohl auch beim Zweirad der Zukunft aussehen!
Bertram Giebeler