Es tut sich was!
Ein Jahr neuer Nahmobilitätsbeauftragter in Eschborn
Seit über einem Jahr hat die Stadtverwaltung Eschborn wieder einen Mitarbeiter, der sich um Nahmobilität kümmert und unter anderem um die Belange des Radverkehrs in Eschborn und Niederhöchstadt im Auge hat. Der ADFC hatte bekanntlich regelmäßig die Wiederbesetzung der vier Jahre lang vakanten Stelle eines Nahmobilitätsbeauftragten gefordert. Mit Andreas Gilbert wurde ein Niederhöchstädter Bürger für diese Stelle im Eschborner Rathaus eingestellt, der nicht nur die Themen und Probleme der heimischen Radlerinnen und Radler kennt und anpackt, man sieht ihn auch des Öfteren selbst am Alltagsverkehr mit dem Fahrrad teilnehmen.
Mit Verve stieg Andreas Gilbert Anfang 2021 in den neuen Job ein. Mit einem Masterabschluss im Studiengang Infrastrukturmanagement und vier Jahren Erfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Research Lab for Urban Transport an der Frankfurt University of Applied Sciences startete er mit spürbaren Aktivitäten zur Verbesserung des örtlichen Radverkehrs: An einigen neuralgischen Punkten des Straßenverkehrs wurden rote Flächenmarkierungen als optischer Warnhinweis auf die Straße gebracht, an zentralen Standorten wurden mehrere Fahrradboxen zum sicheren Unterstellen aufgestellt und in der Nähe des Montgeronplatzes sowie am Rathausplatz (am Stadtplan) steht nun je eine Servicestation für kleine Reparaturen und zum Aufpumpen schlapper Reifen. Ein prima Service.
Radeln für den guten Zweck
Coronabedingt musste in den letzten beiden Jahren der traditionelle Fahrrad-Aktionstag ausfallen. In abgespeckter Form wurden im vergangenen Herbst, auf Initiative von Herrn Gilbert, eine Fahrrad-Codierung des ADFC und ein Fahrrad-Check der Firma Biketempel am Rathausplatz angeboten. Ebenfalls fand das Stadtradeln letztes Jahr statt – mit Rekordbeteiligung! In der Beratung mit den Teamkapitänen der Teilnehmergruppen wurde zur Auslobung vorgeschlagen, dass die Stadt für jeden geradelten Kilometer einen Geldbetrag in ein ökologisches oder soziales Projekt spendet. Die etwa 163.000 dokumentierten Kilometer erbrachten 1.630 Euro, von denen Bäume an der Kita Bismarckstraße gepflanzt und ein Teilbetrag an das Klima-Bündnis zur Unterstützung indigener Bevölkerung am Amazonas gespendet wurden. Eine gute Idee!
links:
Abschließbare Fahrradboxen
rechts:
Service-Station Niederhöchstadt
Fotos: Helge Wagner
Ganz wichtig für Andreas Gilbert ist die Einbeziehung des ADFC bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Und da gab es inzwischen mit der AG Radverkehr mehrfach Ortstermine mit Vertretern des Bau- und Ordnungsamtes. Diese Form der Treffen erweist sich als sinnvoll, da vor Ort Probleme, Verbesserungen, Abwägungen und Ausführungen "am lebenden Objekt" erörtert werden können. Trotz oftmals unterschiedlicher Meinungen begrüßt der ADFC diese Meetings. Inwieweit schließlich die jeweilige Maßnahme ausgeführt wird, obliegt letztendlich der Verwaltung. Nicht jeder Vorschlag wurde als notwendig anerkannt.
Auch wurde der ADFC beim Nahmobilitäts-Check an zwei anschließenden verkehrspolitischen Workshops beteiligt. Hier brachten die ADFC-Vertreter in der Runde mit Vertretern der Stadtverwaltung und der Stadtverordnetenversammlung Vorstellungen und Forderungen aus Sicht der Radfahrer ein, die teilweise kontrovers diskutiert wurden. Ob die eine oder andere Forderung auf fruchtbaren Boden gefallen ist, werden wir im Auge behalten.
Blick über den Kirchturm hinaus
Nach dem ersten Jahr des neuen Nahmobilitätsbeauftragten ist zu resümieren, dass der ADFC als kompetenter Partner und Interessenvertreter in Sachen Radfahrer:innen und Radverkehr akzeptiert wird. Es liegt auf der Hand, dass auch in Eschborn ein Nahmobilitätsberater erforderlich war und ist. Mit Sachverstand, Kooperationsbereitschaft und Engagement muss er die Verkehrsprobleme aufgreifen, gute Lösungen suchen und deren Umsetzung angehen. Die Abstimmung mit anderen Fachbereichen und Behörden ist nicht immer einfach.
Rotmarkierung im Schutzstreifen inzwischen an einigen Stellen im Ortsbild zu sehen – an anderen noch erforderlich
Helge Wagner
Dabei hat Eschborn noch viel Luft nach oben, den Radverkehr zu verbessern und auch für Fußgänger:innen die Teilnahme am Straßenverkehr sicherer zu machen. Dazu muss auch die Kommunalpolitik den Blick über den Kirchturm hinaus wagen, insbesondere im Hinblick auf die entsprechend erforderlichen Budgets und die effektiven Beteiligungsmöglichkeiten des Mobilitätsbeauftragten auf Augenhöhe. Verkehrstechnische Insellösungen und Einzelmaßnahmen oder Events wie Stadtradeln oder Fahrrad-Aktionstag erachten wir als notwendig und sinnvoll, sie dürfen aber nicht die Sicht auf eine politische Verkehrswende verschleiern. Das Auto kann nicht wie bisher, ungeachtet aller damit verbunden Probleme, der Maßstab in Sachen Verkehrsplanung sein, bei dem die Belange und Interessen des Fuß- und Radverkehrs weiter hinten anstehen. Die ADFC-Losung der letzten Jahre #MehrPlatzFürsRad ist dabei eine wichtige Orientierung.
So lobenswert das Stadtradeln zur Förderung des Radfahrens ist, so radelt stets eine Portion Skepsis mit: Was nützt diese Aktion der Umwelt und der Radförderung, wenn Tausende Kilometer geradelt und hunderte Tonnen CO2-Ausstoß "gespart" werden, die Luft aber weiterhin durch ansteigende Zahlen an Pkw belastet wird und Verbesserungen für den Radverkehr nur schleppend vorankommen?
Der Blick in die Zukunft
Der ADFC wünscht sich ortsbezogene Ideen, Konzepte und Perspektiven, die von Eschborns Kommunalpolitik und Stadtverwaltung getragen werden. Wir denken da an folgende Punkte:
- Sichere Erschließung aller vorhandenen Gewerbegebiete für den Alltags-Radverkehr bzw. für Pendler.
- Besondere Beachtung sollte dabei die erforderliche Verbindung der beiden in Planung befindlichen Radschnellwege (FRM4 und FRM5) innerhalb des Gewerbegebietes Süd sowie die fahrradgerechte Anbindung der geplanten RTW-Stationen Sossenheimer Straße und Eschborn Süd finden.
- Verbesserung der Anbindung an die Nachbarkommunen Schwalbach, Sossenheim Steinbach sowie an den Stadtteil Niederhöchstadt.
- Fahrradgerechte Erschließung der Bahnhöfe Eschborn Mitte und Niederhöchstadt.
- Schaffung weiterer sicherer Fahrradabstellanlagen im gesamten Stadtgebiet (siehe dazu Broschüre des ADFC Eschborn Sichere Fahrradabstellanlagen).
- Anpassung der Stellplatzordnung der Stadt Eschborn an die Verordnung des Landes Hessen über Fahrrad-Abstellplätze und Überprüfung deren Einhaltung.
- Anlegen von Schutzstreifen nur noch ab einer nutzbaren Breite von 1,5 Metern.
- Fahrradgerechte Ertüchtigung der beiden neuen Kreisverkehrsanlagen. Hintergrund sind mehrere schwere Unfälle mit Fahrradbeteiligung.
- Fortsetzung weiterer Rotmarkierungen an prekären Stellen, insbesondere an Einschwenkstrecken (Kreiseleinfahrten, Ende von Schutzstreifen).
- Überprüfung der vorhanden Drängelgitter, zwecks Durchfahrtmöglichkeit für Lastenräder, Räder mit Anhänger, großen Pedelecs usw.
- Schaffung von Ladestationen für Elektrofahrräder an stark frequentierten Stellen und Plätzen mit optimalen Fahrradabstellmöglichkeiten.
- Frühzeitige und ernsthafte Beteiligung des Nahmobilitätsbeauftragten und des ADFC bei allen Verkehrsplanungen innerhalb der Stadt.
Helge Wagner,
Thomas Buch