Die Behelfsbrücke über die Nidda ist …
Jochen Waiblinger
Bad Vilbel hat eine neue Attraktion
Umleitung des Nidda-Radwegs – in Teilen ein sehr
eigenwilliger
Parcours
eigenwilliger
Seit 2018 kann man den Fortgang der Arbeiten zum Ausbau der Main-Weser-Bahn auf vier Gleise zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel beobachten. Für Radelnde gingen und gehen die Arbeiten mit einer langfristigen oder sogar permanenten Sperrung liebgewonnener und überaus praktischer Bahnunterführungen einher. In Bad Vilbel war zuerst die Unterführung betroffen, die den Berkersheimer Weg mit der Kläranlage beziehungsweise der Wiesengasse verbindet. Sie wurde gesperrt und anschließend zugeschüttet.
Im Sommer 2021 wurde es im Rahmen einer Präsentation der DB-Netze vor dem Bauausschuss der Stadt Bad Vilbel offenkundig: Ab Herbst 2021 würde es im Stadtgebiet durch den Abriss und Neubau der entlang der Kasseler Straße verlaufenden Bahnüberführung zu massiven Beeinträchtigungen und Teilsperrungen des Nidda-Radwegs kommen. Auch die dem Fuß- und Radverkehr dienende, parallel verlaufende alte Steinbrücke über die Nidda würde für den geplanten Zeitraum bis Anfang 2024 nicht mehr nutzbar sein.
links:
… mit Längsplanken ausgestattet – sieht gefährlich aus, ist gefährlich!
rechts:
Auffahrt zur Gleisbrücke (siehe links) – hier ist großes Geschick gefragt
Jochen Waiblinger
Aus radfahrtechnischer Sicht drohte etwas, das man gemeinhin GAU nennt – eine größte anzunehmende Unzumutbarkeit –, denn die hochfrequentierte Pendel- und Touristikstrecke zwischen Karben und Frankfurt, gleichzeitig die einzige sichere innerstädtische Radverbindung in Nord-Süd-Richtung, würde unterbrochen. Dies würde Schüler:innen und Bewohner:innen aus dem Zentrum und den südlichen Stadtgebieten dazu zwingen, die in den Morgenstunden von Kraftfahrzeugen intensiv genutzte Kasseler Straße und die Bahnunterführung der Homburger Straße zu befahren, um Schulzentrum, Schwimmbad oder Berufsförderungswerk zu erreichen. Vonseiten der Bahn waren zu dieser Zeit ein Behelfssteg über die Nidda ("Radfahrer absteigen") und ein "Steg" über die Baustelle der neuen Bahngleise für den Fußverkehr geplant – beides auf Höhe des Südbahnhofs.
Im August 2021 auf diese Problemlage vom ADFC angesprochen, zeigten sich die zuständigen Vertreter der Stadt Bad Vilbel durchaus verständnisvoll und kooperativ. Man versicherte, dafür sorgen zu wollen, dass eine fahrradtaugliche und nahezu barrierefreie Querung der Gleise (mit Steigungen von acht Prozent anstelle von sechs Prozent) bereitgestellt und dass auch die Behelfsbrücke über die Nidda mit dem Rad befahrbar sein würde.
Aus Sicht der Bahn allerdings stellten sich die Gespräche mit der Stadt augenscheinlich ein wenig anders dar, denn die einen Monat später von ihr vorgelegten Pläne für die Umleitungen der (Rad-) Wege waren überwiegend nicht fahrradtauglich. Sie wurden folglich von der Stadt zurückgewiesen. Dies betraf insbesondere die Überquerung der Bahngleise.
Die Nidda-Behelfsbrücke wurde Ende September freigegeben. Allem Anschein nach war sich die Stadt bei der Abnahme des Bauwerks wohl nicht des Problems bewusst, welches die gewählte Längsbeplankung der Rampen mit sich bringt: Bei Nässe und erst recht bei Minusgraden bergen die glatten metallenen Längsfugen für Radfahrende (und nicht nur für diese) erhebliche Rutschgefahren. Stadt und ADFC wiesen in der Folge die Bahn mehrfach auf dieses Problem hin – bislang (Stand 23. Dezember 2021) jedoch ohne sichtbare Konsequenzen.
Zur selben Zeit erwuchs zwischen Nidda und Südbahnhof ein optisch beeindruckendes Gerüst, das sich an die bahneigene Gleisbrücke anschließt. Gleiches entstand in schmalerer Form auf der gegenüberliegenden Seite des Südbahnhofs. Lange, querbeplankte Rampen führen serpentinenartig in 180�-Kurven die Brückenkonstruktion hinauf. Es bedarf schon einer gewissen Geschicklichkeit, um ein Fahrrad durch diese Kurven zu lenken. Auch die Steigung von acht Prozent ist stattlich. Für junge, konditionsstarke Menschen wenigstens mag sie zu bewältigen sein.
Seitdem die Stadt, wiederum angestoßen durch den ADFC, bei der Bahn die Entfernung des an dieser Brücke angebrachten "Radfahrer absteigen"-Schildes erwirkt hat, ist die Strecke sogar StVO-konform. Letzteres wiederum gilt für die südseitige Zufahrt zur Rampe am Südbahnhof nur bedingt. Neben einer engen Zufahrt zwischen Toilettenhäuschen und Radabstellanlage, von der aus man im rechten Winkel mehr schlecht als recht auf die Rampe auffahren kann, bleibt StVO-konform nur, das Rad über den Fußweg und durch die Radabstellanlage zur Rampe zu schieben, um dann aufzusitzen und ohne Schwung den Anstieg zu beginnen. Auf unseren Vorschlag, einen regelgerechten Weg zwischen Taxistand und Bahnhofsgaststätte zu markieren und an der Radabstellanlage vorbei in einem stumpfen Winkel an die Rampe zu führen, gab es bisher noch keine Reaktion.
Der Wille der Stadt, bei größeren Verkehrsinfrastruktur-Projekten im Vorfeld die Einschätzungen des ADFC zu erfragen, ist durchaus erkennbar. Und dass ein Planungsprozess hier und da noch Spielraum zur Optimierung bietet, liegt in der Natur der Sache. Je größer allerdings ein Projekt ist, desto früher sollten alle Beteiligten zu Konsultationen zusammenkommen. Für die nächsten zwei Jahre jedenfalls – oder bis zur Eröffnung der neuen Unterführung am Südbahnhof nach Fertigstellung der Gleiserweiterung – hat Bad Vilbel jetzt ein die Gleise und den Fluss überschreitendes Rampenbauwerk, das seinesgleichen sucht.
Nachtrag
Kurz vor Weihnachten traf der Autor zufällig den zuständigen Bauleiter der Bahn für das Projekt "Umleitung Nidda-Radweg" und fand die Gelegenheit, ihn auf mehrere Problempunkte anzusprechen. Der Bauleiter erklärte, dass
- die durch die Längsbeplankung der schwimmbadseitigen Rampe der Nidda-Brücke bedingten Probleme im Februar/März 2022 behoben werden, wenn auf der Straße zwischen Fluss und Sportanlage ein Fuß- und Radweg gebaut und eine weitere Rampe in Richtung Frankfurt errichtet wird. Dann könne die auf der entgegengesetzten Seite bereits vorhandene Rampe kurzfristig gesperrt und umgerüstet werden. Die Rampe auf der gegenüberliegenden Seite der Nidda werde nicht umgerüstet, da sie hierfür – und damit der gesamte Weg – für ein bis zwei Tage gesperrt werden müsste;
- der vom ADFC vorgeschlagene StVO-konforme Zugang zum Rampenbauwerk auf der Seite des Südbahnhofs nicht erstellt werden könne, da dort in Bälde der Bauverkehr für den Gleisausbau durchfahre;
-
der Winterdienst, der seinen Job nicht vertragsgemäß erfüllt hatte (um 11 Uhr waren die Metallrampen noch vereist), von der Bahn angemahnt
werde.
Jochen Waiblinger