Drei Partnerstädte im Vergleich
Lyon liegt am Zusammenfluss der Flüsse Rhone und Saone. Viele Touristen fahren auf dem Weg zum Mittelmeer achtlos vorbei. Dabei ist Lyon eine würdige Partnerstadt für Frankfurt und eine der attraktivsten Metropolen Europas!
Bertram Giebeler
In Lyon wurde auf Einladung des Goethe-Instituts über den Radverkehr in Lyon, Mailand und Frankfurt diskutiert
Das Goethe-Institut in Lyon lud im September Protagonisten des Radverkehrs aus den drei Partnerstädten Lyon, Mailand und Frankfurt zu einer Diskussion ein: wie hat sich die jeweilige Situation für Radfahrer:innen in den letzten Jahren entwickelt? Wird mehr Rad gefahren? Hat sich die Infrastruktur für das Radfahren verbessert? Der Autor dieser Zeilen, des Französischen einigermaßen mächtig, nahm die Einladung an. Im Goethe-Institut, mitten in der Lyoner City gelegen, fanden sich etwa 30 Zuhörer:innen ein – nicht allzu viele, aber durchaus hochkarätige, wie der neue und junge Mobilitätsdezernent der Stadt Lyon, Valentin Lungenstrass, der sich ehrgeizige Ziele in der Radverkehrsförderung auf die Fahnen geschrieben hat.
Diskussionsrunde zum Radverkehr im Lyoner Goethe-Institut. V.l.n.r.: Hannah Kabel, Goethe-Institut (stehend am Mikrofon); Benoit Beroud, Moderator; Isabelle Becque,
Goethe-Institut Lyon
Als Ergebnis muss schon konstatiert werden, dass rein mengenmäßig der Radverkehrsanteil in Frankfurt deutlich höher ist als in Mailand oder Lyon. Aber da kann sich durchaus einiges verschieben. Mailand setzt in erster Linie auf ein weit ausgebautes Bike-sharing-System mit derzeit 17.000 Leihrädern. In den sehr dicht bebauten mediterranen Städten, wo es in den Häusern kaum Platz zum sicheren Abstellen eines individuellen Fahrrades gibt, spielt Bike-Sharing eine größere Rolle als in Deutschland. Mailand ist topographisch und von Dichte und Entfernungen eigentlich ideal zum Rad fahren, aber es mangelt noch ganz massiv an einer sicheren und komfortablen Infrastruktur.
links:
Dazu gehörte erheblicher politischer Wille: eine von zwei Tunnelröhren am
rechts:
Zweckarchitektur kann auch schön sein: Brücke über die Rhone für den
Bertram Giebeler
In Lyon gibt es ebenfalls ein Sharing-System, aber im Stadtbild sind mehr private Fahrräder zu sehen – und es sind erfreulich viele geworden! Das "Maison du Vélo", das etwa dem ADFC-Infoladen mit zusätzlicher kleiner Werkstatt entspricht, wird von der Stadt gefördert. Lyon galt bisher in Frankreich nicht unbedingt als Fahrrad-Hochburg, weniger jedenfalls als Straßburg, Lille oder Paris. Die westlich von Rhone und Saone gelegenen Stadtteile sind auch sehr bergig, aber die Mehrheit der Lyoner lebt in der ausgedehnten Ebene im Osten der Stadt. Hier besteht die Radverkehrs-Infrastruktur zunächst einmal aus für Fahrräder freigegebenen Busspuren, die für sonstige Kraftfahrzeuge tabu sind. Übrigens gibt es moderne Oberleitungs-Busse in Lyon – auch das ist Elektromobilität! Sehr weit verbreitet ist die Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung. Radwege und Radstreifen gibt es auch einige, aber weniger als bei uns, was wegen der engeren und dichteren Straßenräume nicht verwunderlich ist.
Es gibt auch einige durchaus spektakuläre Infrastrukturen speziell für Rad- und Fußverkehr. Die wichtigste ist der Tunnel unter dem auf einem Bergrücken gelegenen Viertel Croix-Rousse. Hier wurden zwei von vier Fahrspuren (eine von zwei Tunnelröhren) einer Schnellstraße dem Autoverkehr entzogen und für Bus, Fahrrad und Fußverkehr umgebaut. Es entstand ein fast zwei Kilometer langer gut ausgeleuchteter Tunnel – im topografisch schwierigen westlichen Teil Lyons eine enorme Erleichterung für den Alltags-Radverkehr. Gelungen ist auch die neu ausgebaute, angstraumfreie Unterquerung des Perrache-Bahnhofs zwischen der City und dem nagelneuen Confluence-Viertel am Zusammenfluss von Rhone und Saone. Hier steht auch eine auffällige Rhone-Brücke, ausschließlich für Straßenbahn, Rad- und Fußverkehr.
Lyon und Mailand gehören zu den "ältesten" Partnerstädten Frankfurts. Die drei Städte werden, wenn die Schnellstrecke Turin-Lyon durch die Westalpen demnächst fertig gebaut ist, wie ein Dreieck mit Hochgeschwindigkeitszügen miteinander verbunden sein. Städtepartnerschaft macht besonders dann Sinn, wenn die beteiligten Städte positive Errungenschaften voneinander übernehmen. In Sachen Radverkehr gibt es viel Austauschpotential. Das Lyoner Goethe-Institut, eigentlich eine Kultureinrichtung und kein Instrument der Kommunalpolitik, hat einfach mal einen Anfang gemacht. Fortsetzung sollte folgen!
Bertram Giebeler