Erläuterungen des Mit-Tourenleiters Thomas Fuchs zum Gehspitzweiher von erhöhter Position.
Angelika Klein-Wittmeier, Naturfreunde Frankfurt am Main
Frieden in Bewegung
Wandern und Radfahren für mehr Frieden und Abrüstung
Unter diesem Motto und der Schirmherrschaft von Konstantin Wecker organisieren die Naturfreunde von Mai bis Juli 2021 eine Wandertour in 55 Etappen quer durch Deutschland: Von Hannover bis zum Bodensee und rundherum über Bregenz sowie Kreuzlingen nach Konstanz. Die Wandertour sollte ursprünglich 64 Etappen mit Start in Hamburg umfassen. Doch die ersten zehn Etappen fielen der Pandemie-Situation zum Opfer.
Über das Fronleichnam-Wochenende 2021 gastierte die Aktionsbewegung im Rhein-Main-Gebiet, beim Radeln auch vom ADFC Frankfurt am Main unterstützt. Neben innerstädtischen Wanderungen fand an Fronleichnam auch noch eine große Demonstration auf dem Römerberg statt. Ein zentrales Thema waren außerdem die KZ-Außenlager in Frankfurt und Umgebung, wie in den Adlerwerken im Gallus, wo es zukünftig auch eine Gedenkstätte geben soll. Über das Leben der Zwangsarbeiter im KZ "Katzbach" und die spätere Entwicklung der Adlerwerke bis in die Neuzeit hielt Lothar Reininger, Sprecher der Initiative "Leben und Arbeiten in Griesheim und Gallus" (LAGG), am Freitagabend einen interessanten Vortrag im Naturfreundehaus Niederrad.
Am Samstag ging es schließlich auf die 35. Etappe zu Fuß vom Naturfreundehaus in Niederrad zum Naturfreundehaus in Egelsbach. Diese Etappe bot als einzige die Möglichkeit, die Strecke auch per Fahrrad zurückzulegen. In der Spitze waren bei trockenem und teilweise sonnigem Wetter fast 50 Radler:Innen dabei.
Der ADFC Frankfurt, namentlich Helmut Lingat, Angela Merlau und der Verfasser dieses Artikels unterstützten die Naturfreunde und deren Mitorganisatorin Heidrun Ziehaus bei der Planung der Tour. An einigen Haltepunkten gab ich Wissenswertes in Kurzvorträgen an die Mitradelnden weiter.
Auch andere hatten Informationen vorbereitet: Am Fußballstadioneingang an der Mörfelder Landstraße erinnert ein Gedenkkreuz an den "Friedenspfarrer" der Gutleutgemeinde Martin Jürges, seine Frau, deren beider Kinder und einer Nichte. Alle waren ums Leben gekommen, als beim Absturz eines kanadischen Kampfjets am Pfingstsonntag 1983 brennende Wrackteile deren Auto trafen.
Weiter ging es zum Gehspitzweiher, einer ehemaligen Tonabbaugrube, heute ein rund 25 Hektar großes Naturschutzgebiet. Über Zeppelinheim erreichten wir die Gedenkstätte der Luftbrücke nach Berlin an der A5. Imposant das Denkmal aus Beton, volkstümlich auch "Hungerharke" genannt, oder die beiden Rosinenbomber sowie ein Stück der ehemaligen Berliner Mauer. Hier trafen wir das erste Mal auch die Wandergruppe wieder.
Während der gemeinsamen Mittagspause am KZ-Denkmal in Mörfelden-Walldorf vermittelte Historikerin Cornelia Rühlig sehr einfühlsam tiefere Einblicke in diese düstere Zeit deutscher Geschichte. 1699 jüdische, aus Ungarn verschleppte Frauen mussten damals vom August bis November 1944 die heutige Südbahn des Flughafen Rhein-Main unter grausamen und menschenunwürdigen Bedingungen für die Firma Züblin und den Flughafen bauen. Folterungen waren ein weiterer Grund, dass viele das viermonatige KZ-Arbeitslager und die folgende Deportation nicht überlebten. Das Lager wurde zu Kriegsende gesprengt, das Areal wieder aufgeforstet.
1972 entdeckten drei Jugendliche aus Walldorf bei einer Studienfahrt ins KZ Buchenwald auf einer Übersichtskarte das KZ Mörfelden-Walldorf. Später beauftragte die Stadt Mörfelden-Walldorf Historikerin Rühlig, diese dunkle Zeit der Stadtgeschichte aufzuarbeiten. Ihr und vielen Helfern gelang es, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erreichen und durch Ausgrabungen und Kontakte zu Überlebenden die Vergangenheit zu rekonstruieren und Erinnerungen wieder lebendig werden zu lassen. Die Firma Züblin zahlte zwar nach zähem Ringen und Druck in den Entschädigungsfonds für KZ-Zwangsarbeiter ein, lehnte aber ein offizielles Statement der Entschuldigung oder des Bedauerns bisher stets ab.
Über die zahlreichen informativen Schautafeln hinaus vermittelte die in der gläsernen Gedenkstätte der Margit-Horváth-Stiftung zu besichtigende KZ-Küche beklemmende Eindrücke. Die Stiftung ist nach einer der Lagerarbeiterinnen benannt.
Weiter ging es durch herrliche Landschaftsschutzgebiete zum Oberwaldberg, einer ehemaligen Schutt- und Hausmülldeponie. Von hier blickt man bei klarer Fernsicht bis hinüber nach Rheinhessen und über die Taunushöhen, den Vogelsberg und Spessart bis hin zum Odenwald. Vorbei an mehreren Seen und durch den Wald von Mörfelden-Walldorf erreichten wir das idyllisch gelegene Naturfreundehaus in Egelsbach. Neben Manfred Wittmeier, dem Landesvorsitzenden der Naturfreunde sowie Tobias Wilbrand, dem Egelsbacher Bürgermeister und Andreas Heidenreich, dem ersten Beigeordneten aus Erzhausen sang die Liedermacherin Anne Duda noch eigene Friedenstexte. Die Naturfreunde hatten alles gut organisiert, abends vertiefte der Film "Die Rollbahn" die Eindrücke vom KZ Mörfelden-Walldorf. Wer nicht vor Ort übernachtete, nahm die nahe S-Bahn oder radelte zurück nach Frankfurt. Sicher in Gedanken an diesen sehr informativen und geselligen gemeinsamen Tag.
Thomas Fuchs