links:
Neuer 18-Loch-Platz in Liederbach
Holger Küst
rechts:
Flusslandschaft auf Radweg in Schwalbach
Jürgen Oberfrank
Wir brauchen alltagstaugliche Radwege!
Keine wassergebundenen Oberflächen auf
Alltags-Radrouten!
Die Kreis- und Kommunalparlamente im Main-Taunus-Kreis sind neu besetzt. Radverkehr war im Wahlkampf in aller Munde. Bevor jetzt alle zur Tat schreiten und die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur in Angriff nehmen, anbei einige Beispiele aus Sicht der ganzjährig Alltagsradfahrenden.
Es gibt sie allüberall und sie werden uns gerne als Radwege verkauft. Besonders idyllisch und natürlich umweltfreundlich, denn wenn schon sonst nirgendwo, dann zumindest bei Radwegen ist eine weitere Versiegelung der Landschaft unter allen Umständen zu vermeiden. Vorsicht Ironie!
Wassergebundene Oberflächen nennt man Fahrbahnen, deren Deckschicht ohne Bindemittel erstellt wurde. Sie sind nur für geringen Verkehr, langsame Fortbewegung und leichte Verkehrsmittel geeignet. Weil eine konvexe Anlage unabdinglich ist, damit das Wasser abfließen kann, sind diese Wege zudem nicht in ihrer gesamten Breite für die Radfahrenden nutzbar.
Beispiel 1: Das Arboretum zwischen Schwalbach, Sulzbach und Eschborn
An diesem Beispiel wird deutlich, was passiert, wenn täglich Landwirte und städtischer Bauhof zur Versorgung der Kühe und Entsorgung des Hundekots mit Traktoren oder Bauhof-Fahrzeugen über wassergebundene Oberflächen fahren: die feine Deckschicht wird in Null komme Nix zu einer Schlaglochlandschaft. Die darunterliegende Schotterschicht macht das Radfahren zum Hoppelerlebnis.
Dasselbe gilt auch für die direkte Verbindung zwischen Die Braubach und dem Gelände der SG Oberliederbach (Foto oben links). Hier wurde von der Gemeinde im November 2020 der Starkregenschaden durch eine Erneuerung der Oberfläche beseitigt. Bereits im Februar 2021 waren die ersten tiefen Schlaglöcher wieder sichtbar.
Beispiel 2: In Sulzbach entlang des Bahndamms
Während sowohl der Parkplatz der Kleingartenanlagen als auch die Zufahrt / Parkplätze zu den Häusern direkt an den Enden dieser Verbindung asphaltiert wurden, ist der Radweg entlang des Bahndamms grob geschottert. Er kann also weder mit schmaler Bereifung noch mit schweren Lastenrädern vernünftig befahren werden, obwohl dies eine optimale und autofreie Verbindung durch Sulzbach hindurch sein könnte.
Beispiel 3: Schwalbach entlang der L3015 (zwischen Kronthal und
Bad Soden)
Vor zwei Jahren wurden Reste der alten Straße wiederentdeckt und mit vorhandenen Waldwegen verknüpft, so dass eine durchgängige und autofreie Verbindung entstehen konnte. Leider ist der letzte Kilometer nach Bad Soden "vergessen" worden, aber was noch viel ärgerlicher ist: Schon jetzt ist die Oberfläche durch Erosion an einigen Stellen so beschädigt, dass Sturzgefahr besteht (Foto oben rechts). Als Alltagsradfahrer:in muss man sich gerade bei Dunkelheit auf gute Oberflächen verlassen können. Dies ist auf dem unbeleuchteten Weg nicht der Fall.
7 Zentimeter Gullydeckel-Springen im Eichwald
Jürgen Oberfrank
Beispiel 4: Direkte Verbindung im Bad Sodener Eichwald zwischen Psychiatrie und Psychotherapie St. Valentinus-Krankenhaus und Schwalbacher Straße
Folgt man der Radroutenbeschilderung in Bad Soden, wird man auf einen breiten Waldweg geführt. Unter ihm liegt eine Kanalisation, die viele Gullydeckel in der Mitte des ca. 1 Kilometer langen Weges mit sich bringt. Die Stahlränder dieser Gullys ragen bis zu sieben Zentimeter aus dem Weg (s. Foto). Wer sich hier unfreiwillig mit dem Vorderrad einfädelt, zum Beispiel um Spaziergängern auszuweichen, rutscht und kann stürzen. Im übrigen ist auch dieser Weg holprig und bei schlechtem Wetter unbefahrbar.
Beispiel 5: Hofheim Waldweg hinter Burkartsmühle parallel zur L3011
Auch dieser Weg ist als Radroute ausgewiesen, ist unbeleuchtet und braucht deswegen eine verlässlich fahrbare Oberfläche, die es hier nicht gibt. Hier tritt ein weiteres Problem zutage: Sobald der Radverkehr auf wassergebundenen Oberflächen durch Schranken in eine Schmalstelle gezwungen wird, entsteht hier schnell ein Loch. Wenn dieses dann auch noch mit Wasser, Laub oder Sand gefüllt wird (je nach Umgebung), dann muss man hellwach sein, um beim Umfahren der Schranke nicht zu stürzen.
Beispiel 6: Rampe in der Verlängerung der Neueburgstraße zwischen
Lorsbach und Eppstein (Teil des R8, parallel zur L3011)
Was passiert, wenn man wassergebundene Oberflächen an Stellen mit starkem Gefälle einsetzt, kann jeder erfahren, der den R8 nutzt: Die vor wenigen Jahren ausgebesserte Stelle sieht bereits wieder aus wie ein Bachbett und ist nur für Mountainbiker befahrbar. Weder Trekkingräder noch Cityräder und natürlich auch keine Lastenräder haben hier eine Chance.
Beispiel 7: R3 zwischen Hattersheim und Sindlingen
Hier zeigt sich eine weitere Schwierigkeit mit wassergebundenen Oberflächen: Sobald sie von Bäumen gesäumt sind, kommt es schnell zu Wurzelaufbrüchen. Da macht Radfahren keine Laune, weder mit dem Einkauf noch mit dem Urlaubsgepäck in den Packtaschen.
Beispiel 8: Die Sindlinger Wiesen in Kelkheim
Hier zeigt sich das grundsätzliche Problem von Alltagsradwegen mit wassergebundenen Oberflächen: Sie können schlecht gepflegt werden (Laub- und Schneeräumung), brauchen aber selbst laufende Instandhaltung. Ansonsten bildet sich auf der Fahrbahn eine Sandschicht, die bei Trockenheit als Staub aufwirbelt und bei Regen zu Matsch wird.
Alltagsradfahren kann auch im MTK mehr Spaß machen. Die Chance, dass der Alltags-radverkehr auch hier einen nennenswerten Umfang annimmt, ist gegeben. Dazu braucht es alltagstaugliche Radwege anstatt des immergleichen Totschlagarguments der nicht gewünschten Bodenversiegelung. Es kann nicht sein, dass der umweltfreundliche Radverkehr gegen den Naturschutz ausgespielt wird. Das wäre mal eine Debatte, die ich mir auch in MTK-Parlamenten wünschte.
Gabriele Wittendorfer