"Radfahrende sollen erstmal Steuern zahlen, bevor sie etwas fordern!"
Wer sich fahrradpolitisch engagiert, bekommt früher oder später dieses Argument gegen Radverkehrsmaßnahmen aller Art präsentiert. Alternativ wird auch gerne direkt eine "Fahrradsteuer" gefordert, damit man als radelnder Mensch überhaupt einen "Anspruch" auf einen Radweg oder Fahrradbügel "erwirbt".
Kein echtes Dokument, aber im Kopf vieler Autofahrender fest verankert: die totale Steuerbefreiung für Radfahrende
Quelle: ADFC Köln
Was im ersten Moment durch die z. B. tatsächlich gezahlten Kfz- und Kraftstoffsteuern logisch klingt, wird auf den zweiten Blick zur einfach widerlegbaren Behauptung: diese Steuern decken nämlich nicht ansatzweise die immensen Summen, die jedes Jahr in Deutschland für den autozentrierten Straßenbau, die Instandhaltung usw. ausgegeben werden und die die Einnahmen aus dem Kfz-Bereich bei weitem übersteigen. So wurden 2019 laut Bundesfinanzministerium rund 9,3 Milliarden Euro an Kfz-Steuer eingenommen. Dem gegenüber stehen laut Bundeshaushalt ca. 10 Milliarden Euro an Ausgaben auf Bundesebene für Straßen. Alle Straßen, Parkplätze etc., die nicht vom Bund bezahlt werden, sind darin noch nicht enthalten.
"Externe Kosten"
Sie tauchen in den offiziellen Bilanzen eines Verkehrsmittels nicht auf und werden gerne verschwiegen, weil sie vom Verursacher entkoppelt betrachtet werden. Sie werden von der Gesellschaft, über Steuermittel, getragen oder an zukünftige Generationen vererbt. Laut der Allianz pro Schiene betrugen die externen Kosten in Deutschland für 2017 149 Milliarden Euro, der Löwenanteil entfällt dabei mit 94,5 % auf den Straßenverkehr.
Auch die "externen Kosten" wie Umweltschäden, Bereitstellung von kostenfreien/subventionierten Parkplätzen in Städten oder auch die aus Steuergeldern verteilten Subventionen wie z. B. die Steuervergünstigung für Diesel (jährlich ca. 7,3 Milliarden Euro) wie pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen (jährlich mindestens 3,1 Milliarden Euro) sind da ebenfalls nicht mit eingerechnet. Dazu kommen noch die Folgekosten- und Schäden der jährlich rund 300.000 Kollisionen (Hauptverursacher:innen bei rund 240.000 davon: Kfz-Fahrerinnen und -Fahrer) mit Personenschaden und 3.000 getöteten Personen im Straßenverkehr.
Diese Kosten, dazu zählen auch Einsätze von Polizei, Rettungsdiensten und Krankenhausaufenthalte, tragen wir alle, z. B. über unsere Mehrwert- & Einkommensteuer oder Beiträge zu Krankenversicherungen. Dabei ist es egal, ob man ein Auto besitzt oder nicht. Gleiches gilt natürlich auch für Personen ohne Fahrrad. Erstaunlicherweise kommt dieses Argument aber nur bei Radverkehrsanlagen und nicht wenn es um den ÖPNV oder Fußverkehr geht.
Wem gehört die Straße?
Was kann man also aus dieser Diskussion mitnehmen? Zum einen gehört der öffentliche Raum uns allen als Menschen, ganz unabhängig vom Verkehrsmittel. Und da es in der jährlichen Steuererklärung bislang kein Kästchen "Habe kein Auto, bin steuerbefreit" zum Ankreuzen gibt, kann man das "Radfahrer zahlen keine Steuern" getrost als schlechten Versuch abtun, eine wichtige Debatte über die notwendige Verkehrswende unsachlich zu sprengen. Und selbst wenn die Einnahmen höher wären als die Ausgaben: Steuern sind per Definition nicht zweckgebunden.
Es liegt außerdem im ureigenen Interesse einer Kommune, Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV zu stärken. Man reduziert Lärm sowie schwere Unfälle und verbessert nebenbei auch noch die Luftqualität. Gleichzeitig spart man auch noch Steuergelder ein, weil Radverkehrsanlagen im Vergleich zur Infrastruktur für Kfz nur einen Bruchteil kosten und im Verhältnis deutlich mehr Personen von A nach B befördern können.
Vor allem der Bund versucht, mit zugegebenermaßen bisher mäßigem Erfolg, über die Erhebung der Steuern lenkend in die persönliche Verkehrsplanung der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Auch der volkswirtschaftliche Nutzen von Radverkehr ist aus den genannten Gründen unterm Strich deutlich höher als beim Autoverkehr, weshalb es eben keine "Fahrradsteuer" o.ä. gibt und diese auch aufgrund der Vorteile des Radfahrens nicht sinnvoll ist.
Ansgar Hegerfeld