Verstärkte Impulse für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur – das erhoffen wir uns vom ADFC Bad Vilbel (hier mit Ute Gräber-Seißinger und Theo Sorg) während der Konferenz am Infostand des ADFC Bad Vilbel/Karben
Clemens Breest
Zweite Wetterauer Fahrradkonferenz
Rückenwind fürs Rad
Am 21. September 2020 wollte der Wetteraukreis mit einer öffentlichen Fahrradkonferenz erneut zeigen, was in dieser Region bisher für den Fahrradverkehr getan worden und was weiter geplant ist. Mit knapp 100 Teilnehmenden aus Städten und Gemeinden sowie von Verbänden und Initiativen war der Saal im Bürgerzentrum Karben (nach den aktuellen Regeln) gut besetzt. Moderiert wurde die Tagung von Christian Sperling, zuständig für Regionalentwicklung und Umwelt im Wetteraukreis.
Die Bedeutung des Alltagsradverkehrs rückt in den Blickpunkt
Der Kreisbeigeordnete Matthias Walter machte zu Beginn deutlich, welche Bedeutung dem Radverkehr als ökologische Mobilitätsalternative zukommt. Es komme jetzt darauf an, den bisherigen Fokus der Freizeitorientierung auf den Alltags- und Berufsverkehr zu verschieben. Der Bürgermeister der Stadt Karben Guido Rahn stellte überzeugend die Anstrengungen dar, die für die Verbesserungen der pedalierenden Mobilität unternommen werden und welche Schwierigkeiten in dem Geflecht aus Förderregelungen und Planungszuständigkeiten bestehen, wenn gut ausgebaute Fahrradwege nicht an der Ortsgrenze enden sollen. Immerhin konnte er vermelden, dass mit der Stadt Bad Vilbel nun eine Einigung über die baldige Verlegung der fehlenden 830 Meter Asphaltdecke auf der Verbindung zwischen Dortelweil und Karben erreicht wurde. Rahn machte auch auf die Planungskonflikte aufmerksam, die sich durch den vermehrten Fahrradverkehr der letzten Monate abzeichnen, wenn Fahrradwege nicht nur für Berufspendler-Geschwindigkeit, sondern auch für Fußverkehr, spielende Kinder oder Rollatoren schiebende ältere Menschen ausreichende Sicherheit bieten sollen.
Digitales Kataster soll Planungen erleichtern
Besonders informativ war der Vortrag Peter Hünners, der sich schon seit Jahren als zuständiger Referent im Wetteraukreis dem Radverkehr verschrieben hat. Hünner legte unter anderem dar, dass ein weiterer Ausbau des Radwegenetzes vor allem in der östlichen Kreisregion angestrebt wird. Die aktuellen Planungen sollen in Zukunft auf ein digitales Kataster aller Radwege zurückgreifen können – ein Verzeichnis, das nicht nur eine einheitliche und stringente Beschilderung gewährleisten, sondern auch die Erstellung der Druckvorlagen für die Schilder erleichtern soll. Als Pilotprojekt wurde damit in Bad Vilbel eine umfangreiche Neubeschilderung gestaltet. Hünner sieht für die westlichen Kreisteile auch Bedarf an einer Straffung des Radwegenetzes, zumal vielfach parallele Verläufe oder Umwege eine stringente Führung der Radwege erschweren. Bis 2025 sind unter anderem sieben Ausbaumaßnahmen von Radwegen im Kreishaushalt verankert, darunter der Ausbau des Radwegs zwischen Gronau und Rendel. Auf die Frage nach dem Ausbau durchgehender Routen Richtung Frankfurt in einer Zusammenführung der Konzepte "Kurze Wetterau" und des vom ADFC favorisierten Fahrradschnellwegs in Verbindung mit dem Ausbau der S-Bahn entlang der Main-Weser-Bahnlinie (FRM6) zeigte sich Hünner sehr zurückhaltend.
Sanierungsoffensive Hessen
Egon Weß von Hessen Mobil befasste sich mit Radwegen, für die Bund oder Land zuständig sind. Im Hinblick auf die Verbindung nach Frankfurt gab auch er sich eher einsilbig: "Planung erst im nächsten Jahr". Weß stellte die Projekte der "Sanierungsoffensive Hessen" vor, bei der unter anderem der Ausbau des Radwegs entlang der L3008 von Gronau nach Niederdorfelden einen Schwerpunkt im Bereich Bad Vilbels bildet. Auch für das etwa 2,3 Kilometer lange Teilstück zwischen Okarben und Nieder-Wöllstadt liege die Entwurfsplanung vor, sodass 2022 mit dem Bau begonnen werden kann.
Neu: Zählstellen zur Erfassung des Radverkehrsaufkommens
Felix Weidner von Hessen Mobil präsentierte die Steuerungsgruppe Radverkehr und erläuterte anhand der organisatorischen Neuaufstellung und personellen Verstärkung von Hessen Mobil, welche Bedeutung der Radverkehr dort in Zukunft gewinnen soll. Eine konkrete Planungshilfe sollen unter anderem 20 elektronische Zählstellen bilden, um ein dauerhaftes Monitoring des Radverkehrsaufkommens im Verkehrsalltag sicherzustellen. Weidner bestätigte, dass verlässliche Daten zum Fahrradverkehrsaufkommen nicht vorliegen. Vorrang habe daher, Basisdaten zu erarbeiten. Schon Schöller/Canzler/Knie haben das im "Handbuch Verkehrspolitik" (Wiesbaden 2007, 2. Auflage 2016) als deutschlandweiten Mangel beschrieben.
Fördermittel stehen bereit!
Stefan Burger vom hessischen Wirtschaftsministerium beschrieb die finanziellen Fördermöglichkeiten des Landes, auf die die zuständigen Träger mit ihren Anträgen zurückgreifen können. Sein Fazit: Geld ist derzeit genug da! Es wurde bislang kein Antrag aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Insgesamt zeigte die Konferenz ein erfreulich breites Bild von zahlreichen Verkehrsplanungs- und Verwaltungsfachleuten, die sich für den Fahrradverkehr engagieren. Radwegplanung ist hochgradig komplex, nicht nur weil sich Zuständigkeiten auf kommunaler, Kreis-, Landes- und Bundesebene überschneiden. Vorgaben zum Flächenerwerb oder Umweltschutz spielen ebenfalls eine erhebliche Rolle, sodass Planungen und Anträge nicht in dem Maße vorankommen, wie es zumindest die große Zahl der wohlmeinenden Akteure der 2. Wetterauer Fahrradkonferenz gerne sehen würde.
Walter Baumann