links:
Trübe Aussichten: wir werden in diesem Herbst und Winter die Pandemie nicht los, eher im Gegenteil. Wer jetzt gut Radfahren kann ist klar im Vorteil
Bertram Giebeler
rechts:
Wenn es denn mal richtig Winter wird in Frankfurt, dann hätten wir auch gern solche Zustände: vorbildlich geräumter Radweg in Groningen, Niederlande
ADFC Pressestelle
Radfahren ist eine gute Idee
Auch unter Corona-Bedingungen in Herbst und Winter
Leider werden wir den Herbst und den Winter unter Corona-Restriktionen verbringen müssen. Selbst wenn es Impfstoffe geben sollte, werden die erst mal beim medizinischen und pflegerischen Personal eingesetzt, dann bei den Hochrisikogruppen, und erst dann bei allen anderen. Bis das durch ist – wenn es überhaupt dazu kommt – wird's wieder wärmer. Richten wir uns also auf kalte, nasse, dunkle Corona-Monate ein.
Radfahren ist dann prinzipiell eine gute Idee. So leid uns die Umsatzrückgänge tun für VGF und RMV, aber eine volle U-Bahn im Winter bietet schon ohne Corona eine gute Gelegenheit sich zu infizieren. Wenn alle Maske tragen, ist das Risiko deutlich reduziert, aber trotzdem – wer es vermeiden kann, sucht nach Alternativen. Damit nicht alle wieder im Auto sitzen, sollten jetzt also auch die "Schönwetterradler" sich und ihr Fahrrad winterfest machen.
Die Beleuchtung muss funktionieren, am besten hält man noch einen Satz Batterie-LEDs weiß und rot in Reserve, falls der Dynamo oder der Scheinwerfer doch mal ausfällt. Richtig einstellen – Lichtkegel 10 Meter vor dem Vorderrad, nicht weiter, um niemanden zu blenden. Öl muss zu Hause griffbereit sein, bei Schlechtwetter entölt die Kette schneller. Es kann nicht schaden, dem Fahrrad gegebenenfalls einen Satz neue Radmäntel zu spendieren, das erhöht die Pannensicherheit, und ein Platten bei Nässe, Kälte und Dunkelheit macht keinen Spaß. Warme regenfeste Kleidung sollte noch selbstverständlicher sein als sonst, denn in Corona-Zeiten ist es auch nicht gut, durch eine banale Erkältung die Immunkräfte zu schwächen. Die Jacke sollte sichtbar sein, also nicht schwarz oder sehr dunkel – oder man zieht eine reflektierende Schärpe (passt in die Jackentasche) bzw. Weste drüber.
Hardcore-Wintervorbereitungen wie Spikes-Reifen braucht es in Frankfurt nicht – wann haben wir hier schon mal einen ernsthaften Winter? Bei richtiger Schnee- oder gar Eisglätte sollten "normale" Radfahrer:innen besser nicht fahren, so etwas muss man geübt haben, und Stürze im Stadtverkehr können böse enden. Dann doch lieber auf Bus und Bahn umsteigen – trotz Corona. Oder auf ein paar gute Wanderschuhe. Einfach mal den Alltagsweg auf Google-Maps ausmessen. Das Walkingtempo eines gesunden (nicht sportlichen) Erwachsenen liegt bei fünf bis sechs Kilometer pro Stunde. Frankfurt ist gar nicht so groß, man kommt auch zu Fuß ganz gut voran!
Größere Gruppen werden wir meiden müssen
Events mit größeren Gruppen werden bis auf Weiteres zu meiden sein. Eine gepflegte Radtour in einer kleinen Gruppe, etwa zu viert, ist aber eine Corona-gerechte Freizeitgestaltung. Wenn denn der Lockdown nicht mehr gilt, bekommt man in so einer Konstellation auch noch einen Tisch in einem Lokal. In Ausgabe 4-20 von Frankfurt aktuell hatten wir schon einmal attraktive Ziele in kurzer und weiterer Distanz vorgestellt – "Tourentipps für Einzelne und Kleingruppen".
Bei aller Aufmerksamkeit auf die individuelle Vorbereitung der eigenen Mobilität im Corona-Winter bleibt für den ADFC immer noch die zentrale Frage: was kann die Stadt tun, um gerade jetzt das Radfahren sicherer und komfortabler zu machen. Anderswo unternehmen Städte explizit wegen Corona große Anstrengungen dafür. Frankfurts Partnerstadt Mailand beispielsweise, in der der vorher sehr geringe Radverkehrsanteil pandemiebedingt sprunghaft stieg, wies kurzfristig 35 Kilometer neue Radwege aus, wenn auch erst mal nur temporär. Das gleiche Bild in Brüssel: 40 km neue Radwege, Tempo 30 flächendeckend, Vorrang für Fuß- und Radverkehr in der gesamten inneren City.
Eine interessante Studie des Instituts für Verkehrswirtschaft der Universität Münster aus dem Jahr 2020 wertete die Daten von 122 Radzählstationen in 30 Städten aus, bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen. Ergebnis: in Städten mit guter Fahrrad-Infrastruktur wie Münster oder Göttingen ging der Radverkehr bei schlechtem Wetter nur um 5-10 Prozent zurück.
Gute Infrastruktur bringt die Leute auch bei schlechtem Wetter aufs Rad
Wo die Infrastruktur eher schlecht ist, etwa in Stuttgart oder Würzburg, betrug der Rückgang des Radverkehrs rund 30 Prozent. Fazit: wo das Radfahren eh schon Stress macht, treiben nasskaltes Wetter und Dunkelheit viele Leute endgültig aus dem Sattel, es fahren dann nur noch die Pickelharten. Stimmt die Infrastruktur wenigstens einigermaßen für die große Masse der Radfahrenden, lassen sie sich von schlechtem Wetter nicht entmutigen.
Bei allem Respekt vor den roten Radstreifen der letzten Monate in Frankfurt: warum die Stadt Frankfurt sich auch in Corona-Zeiten so hartnäckig gegen PopUp-Bikelanes sträubt, bleibt unverständlich. In Berlin, München oder Köln geht das, der wegen des Home-Office im Moment eh reduzierte Autoverkehr bricht davon nirgends zusammen. Es schafft einfach den nötigen Platz, um auch in einer dicht gedrängten Metropole einigermaßen sicher Rad zu fahren auf Straßen, die bislang null Radverkehrsführung haben.
Bertram Giebeler