Bad Homburger Sackgassen: (vlnr) Friedberger Straße, Kaiser-Friedrich-Promenade, Innenstadt-Querung endet in glitschigem Kopfsteinpflaster, Ende der Fahrradstraße
Günther Gräning
Radverkehrskonzepte, andernorts
Es wäre vermessen, ein bundesweites Modell für Radverkehrskonzepte zu fordern, angesichts völlig unterschiedlicher geographischer Bedingungen, die ja beim Radeln eine große Rolle spielen. Aber man darf schon erwarten, dass einzelne Gemeinden Konzepte für ihren Radverkehr entwickeln und durchhalten.
Hier aus meiner persönlichen Erfahrung (im wahrsten Sinne) ein paar Beispiele sehr unterschiedlicher Art:
Wilhelmshaven: Alle Straßen haben beidseitige Radwege. (Radler haben Vorfahrt, immer und überall. Wer einen Radler zum Absteigen zwingt, riskiert einen Punkt in Flensburg.)
Wien: Man fahre mit dem Rad überall genau dort, wo der Weg grün angemalt ist. Das Netz dieser Radwege umfasst die gesamte Stadt.
Kiel: Rad und Auto fahren prinzipiell getrennt. Ansonsten gibt es breite Schutzstreifen oder Tempo 30. Fahrradampeln stehen an fast allen Kreuzungen und garantieren bei Grün, dass kein Querverkehr kreuzt. Wo man Radler nicht gerne haben möchte, werden sie elegant und geschickt auf Fahrradstraßen gelockt.
Dresden: Am Elbhang gibt es schräg verlaufende, sich kreuzende Zubringer zur Elbe, die ausgeschildert, bequem und sicher sind.
Mühlhausen/Th.: Das ist ein Modell für viele kleinere Städte, insbesondere in Mitteldeutschland. Beschilderte Radrouten auf ruhigen Straßen treffen sich in der meist verkehrsberuhigten Innenstadt. Es gibt zentrale Wegweiser in alle überörtlichen Richtungen. Man lotst also Radler*innen auf Radwegen oder Nebenstraßen zur zentralen Einkaufsstraße oder zum Marktplatz, das nutzt dem örtlichen Handel und den Radlern. Der Radler erkennt die Absicht und ist erfreut.
Eichwalde bei Berlin: Hatte 1990 nur gröbstes Kopfsteinpflaster oder Sandwege, beides für Radler unbefahrbar. Der Stadtplan folgt einem Schachbrettmuster. Heute ist jede dritte Straße (senkrecht und waagerecht) asphaltiert und hat beidseitige Radwege, die man benutzen kann, aber nicht muss.
In den genannten Städten gibt es ein Konzept, einen roten Faden, dem entlang über Jahrzehnte hinweg Radverkehrsplanung entwickelt wurde. Das ist wichtig für Ortsfremde, weil sie das Konzept nach kurzer Zeit verstanden haben und sich darauf verlassen können.
Dagegen Bad Homburg: Seit 1980 wurden von externen Firmen drei oder vier sogenannte "Radverkehrskonzepte" entwickelt – ein Beweis dafür, dass man nie eins hatte. Dem aktuellen "Radverkehrskonzept" wurde sogar die Maßgabe vorangestellt, dass dem Auto nichts weggenommen werden dürfe! Infolgedessen besteht es aus einer langen Liste von kleinen Maßnahmen, die weder Ziel noch Zusammenhang haben. Viele sind überflüssig oder gefährlich. Das sagen mir ADFC-Mitglieder, während sie die zusätzlichen Abstellbügel durchaus begrüßen. In der Einleitung zum "Radverkehrskonzept" steht "Schaffung eines verkehrssicheren, effektiven und komfortablen Zielnetzes". Was auch immer "effektiv" und "komfortabel" bedeuten könnten – "verkehrssicher" jedenfalls können nur Fahrzeuge sein! Ganz anders bei allen oben genannten Gemeinden: Deutlich ist zu erkennen, dass es immer und überall um den Schutz von Leib und Leben der schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen geht.
So jedenfalls scheint die traditionelle Platzierung der Stadt Bad Homburg in der kommenden ADFC-Umfrage nicht gefährdet.
Günther Gräning