Es gibt sie auch in Bad Soden: Spezialradfahrende
Spezialrad-Ausflug zum Eschborner Traktorspielplatz.
Gabriele Wittendorfer
Jedes Jahr findet die Kampagne Stadtradeln mehr Fans – und sogar Bad Soden gehört inzwischen zu den Wiederholungstätern unter den Kommunen. Neu und in diesem Jahr erstmalig, hat sich ein Team "Spezialradfahrende + Freunde" angemeldet. Spezialräder in Bad Soden? Grund genug, einmal nachzuhören.
Es fing damit an, dass sich zwei "Spezis" auf dem Bad Sodener Wochenmarkt trafen – und sofort fachsimpelten, zu den Rädern, zu den dazugehörigen Radfamilien und zum Radfahren aus Überzeugung. Hast Du das Lastenrad schon gesehen, das morgens immer aus Sulzbach reinfährt? Bist Du jenem Trike schon mal begegnet, das oft vor dem Kindergarten parkt? Daraus entstand die Idee, beim Stadtradeln mitzumachen, um die anderen Spezis der Stadt kennen zu lernen.
Radfahrende ziehen immer öfter samt Spezialrädern aus
Frankfurt in den MTK
Denn, was in Frankfurt bereits zum Stadtbild gehört, ist in Bad Soden noch ein echter Hingucker: an Fahrräder mit Anhänger, Lastenräder, Liegeräder oder sogar Trikes müssen sich die SUV-gewöhnten Menschen im Vordertaunus noch gewöhnen. Die Reaktionen reichen von Unverständnis bis Bewunderung. Eines ärgert die Spezis besonders, nämlich wenn sie unterschätzt werden. Antje nervt es total, wenn PKWs glauben, dass ihr schnittiges Pedelec-Lastenrad mit Carbonkabine in der Stadt schon deshalb überholt werden muss, weil es per se nicht schnell sein kann. Von wegen…
Das Spezialrad taugt für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, in den
Beim gemeinsamen Ausflug zum Eschborner Traktorspielplatz lachen sich auch alle kaputt über den denkwürdigen Satz eines Bad Sodener Mitbürgers, der im Rahmen der Mobilitätskonzept-Entwicklung empört ausrief: "Ja, wie soll ich denn ohne Auto meine zwei Wasserkästen transportieren?" Über solche Aufgaben denken echte Spezialradfahrende gar nicht mehr nach. Allerdings räumt Florian ein, dass der Transport von 120 kg Äpfeln vom Schrebergarten nach Hause schon eine gewisse Herausforderung war.
Wasserkastentransport geht auch ohne Auto
Gabriele Wittendorfer
Spezialräder gehören zur Familie und sind viel mehr als ein
Wer sich ein Spezialrad leistet, der ist sportlich und bekennt sich zu einem klima- und umweltfreundlichen Lebensstil. Das fällt bei den meisten nicht vom Himmel, denn auch sie sind Auto-sozialisiert. Fast alle besitzen auch einen PKW, aber nur einen pro Familie. "Irgendwann gab es die Initialzündung, als ich in Bad Soden ein Lastenrad fahren sah, ob das nicht auch etwas für uns ist", so Astrid. Denn ob die tägliche Autofahrt wirklich das Nonplusultra ist?! Man steht meist im Stau und hockt und hockt und hockt – "nicht nur im Büro, sondern auch noch im Auto", fügt Florian hinzu, der seit vier Jahren mit dem Rad zur Arbeit fährt. Die Wahl des richtigen Spezialrads ist ein echtes Projekt (Gewicht, Aufbauten, Rahmengeometrie, Antrieb) und alle Spezis empfehlen: Recherchieren und Ausprobieren muss sein! Außerdem sollte das neue Gefährt unbedingt "eingefahren" werden – am besten sonntags auf dem leeren Parkplatz eines Supermarkts. Das Fahren eines Spezialrads braucht Übung, vor allem weil es in Bad Soden keine Radwege gibt.
Auch Spezialräder brauchen Rad-Infrastruktur
Da alle in der Runde auch mit kleinen Kindern unterwegs sind, fällt ihr Votum zu längst fälligen Verbesserungen ziemlich eindeutig aus:
Erstens, kein Zuparken der Bürgersteige, nicht einmal mit "nur" zwei Reifen, kein Reinparken in einmündende Straßen oder Stehenbleiben in Ausfahrten, so dass Eltern und Kind auf die Straße ausweichen müssen.
Zweitens, die Bürgersteige entlang der Hauptstraßen müssen viel breiter und dann für Radfahrende frei gegeben sein, damit Fuß- und Radverkehr im Schritttempo und geschützt vor den Kfz in der Stadt vorwärtskommt. Zur Erinnerung: Kinder bis zum Alter von acht Jahren müssen auf dem Gehweg oder auf baulich von der Fahrbahn getrennten Radwegen fahren und dürfen von einer Person auf dem Rad begleitet werden. "Dann fallen auch mal Parkplätze oder eine Abbiegespur auf der Königsteiner weg, aber das Miteinander gewinnt", ist die einhellige Meinung.
Drittens, Radfahrende nicht wie Verkehrsteilnehmende zweiter Klasse behandeln. "Auch wir haben Vorfahrt, wenn wir von rechts kommen." "Wir wollen nicht mitten im Kreisel überholt werden." "Auf einer innerörtlichen Straße mit 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung macht das Überholen sowieso keinen Sinn, weil wir genauso schnell und ziemlich lang sind; am besten einfach hinter uns bleiben."
Schon kommen wir von den Beschwerden zu den schönsten Raderinnerungen. Denn die Spezis und Ihre Gefährte sind einfach unzertrennlich – mit E-Unterstützung auch auf längeren Strecken. Antje fährt mit ihrem Lastenrad beispielsweise bei fast jedem Wetter – auch bei Regen – die 15,5 km (einfache Fahrt) hin und zurück zu ihrem Arbeitsplatz in Frankfurt. Alles, was sie braucht (Notebook, Verpflegung etc.) kommt dann vorne in die Kabine. Kein lästiges Rucksacktragen auf dem Rücken, und auch der Familien-Einkauf unterwegs hat noch Platz.
Die Zeit auf dem Traktorspielplatz ist schnell vergangen bei so viel Rad-Enthusiasmus. Wer Fragen zum Spezialradfahren in Bad Soden hat oder mit den Spezis Kontakt aufnehmen möchte, der meldet sich gerne bei gabriele.wittendorfer@adfc-mtk.de. Abschließend haben wir noch herausgefunden, dass alle Radfahrer*innen, ob Spezi oder nicht, eines gemeinsam haben:
Bergab fahren macht besonders Spaß – nur Fliegen ist schöner!
Gabriele Wittendorfer