Systemrelevant II
Die Farbe Rot hat in Frankfurt Tradition. Der weiße Adler im Stadtwappen steht seit jeher auf rotem Grund, rote Streifen schmücken Einladungen der städtischen Ämter, ein roter Adler steht für die Frankfurter Eintracht, der Ortsbeirat Kalbach-Riedberg wirbt mit einem Fliegenpilz (rot/weiß!) auf der Website der Stadt um Aufmerksamkeit, und nicht zuletzt haben in den chemischen Industrieanlagen in Höchst schon lange vor der Eingemeindung nach Frankfurt die "Rotfabriker" zur Verbreitung der Farbe beigetragen. Da ist es nur folgerichtig, dass Rot endlich auch auf unseren Straßen Einzug hält. "Rotfärber" (von mir so benannt in Anlehnung an die damaligen "Rotfabriker"), ein für uns Radfahrende systemrelevanter Beruf, tauchen an vielen Orten der Stadt auf, hantieren mit Klebebändern, Warnhütchen, Farbeimern, Streichbrettern, und, und, und. Sie hinterlassen leuchtendrote Flächen, auf die sie weiße Fahrradpiktogramme aufgebracht haben. Erinnert uns das nicht an den weißen Adler auf rotem Grund? Höchste Zeit also, die Arbeit der Rotfärber zu würdigen.
Rotfärber
Kommt meist in der männlichen Form vor, als Trupp von vier bis fünf Mann. Hat alles, was benötigt wird, auf der Ladefläche des Lastwagens: rot-weiß gestreifte Warnhütchen, Klebeband, Eimer mit roter Farbe, Streichbrett und Kelle, Fahrrad-Piktogramm-Vorlagen, Gasbrenner, Besen, Gebläse, Teerkocher. Kippt dickflüssige rote Farbe auf den Asphalt, exakt zwischen die vorher aufgebrachten Klebestreifen. Verteilt die Farbe in Handarbeit auf der Straße. Ist in der Lage, die verwirrenden Teile eines Puzzles aus Fahrradteilen zu einem richtigen Fahrrad-Piktogramm zusammenzusetzen. "Brennt" die Piktogramme auf den roten Untergrund (siehe auch Gasbrenner). Arbeitet manchmal auch an Feiertagen, "freiwillig, gibt mehr Geld". Hinterlässt zu Feierabend nach frischer Farbe riechende Radstreifen.
Peter Sauer