� 100.000 Verfahrenskosten
London: Ein Radfahrer passierte eine für ihn Grün zeigende Ampel. In diesem Augenblick trat eine Frau auf die Straße, den Blick fest auf ihr Smartphone gerichtet. Der Radfahrer stieß einen Warnschrei aus, womit er allerdings einen Zusammenprall nicht mehr verhindern konnte. Nach dem Unfall waren beide Teilnehmer kurzzeitig bewusstlos, die unaufmerksame Dame hatte darüber hinaus ein paar leichte Kratzer abbekommen, die jedoch nicht von ihrer "attraktiven Erscheinung ablenken", wie das Londoner Gericht feststellte. Dem Radfahrer wurde attestiert, ein ruhiger und verantwortlicher Verkehrsteilnehmer zu sein, der mit moderater Geschwindigkeit unterwegs war.
Im Juni des vergangenen Jahres kam es zu einem überraschenden Urteil in diesem Fall. Die Richterin gab beiden Unfallgegnern zu gleichen Teilen die Schuld. Ein Radfahrer müsse immer darauf vorbereitet sein, dass vor ihm überraschend ein Fußgänger auf die Fahrbahn tritt, meinte sie. Der Dame wurden 4,161.79 Pfund Schadenersatzansprüche zugestanden. Dem Radfahrer, der es versäumt hatte, seinerseits Ansprüche auf Schadenersatz anzumelden, wurden die Kosten des Verfahrens aufgebürdet – rund 100.000 Englische Pfund.
Jenseits aller Empörung in der britischen Fahrrad-Szene über den Schuldspruch zeigt dieser Fall Eigenheiten der englischen Rechtsprechung. Hätte der Radfahrer ebenfalls Schadenersatzansprüche gestellt, wären ihm die Verfahrenskosten erspart geblieben. Hätte er eine Versicherung gehabt, wären seine Kosten ebenfalls limitiert gewesen. Den Bankrott des Mannes versucht nun eine Crowdfunding-Kampagne zu verhindern.
Quellen: Guardian / Independent, Juni 2019
Peter Sauer