Die Verkehrspolitik im Visier
Politischer Salon: Ist Offenbach auf dem Weg
zur Fahrrad-Stadt?
"Politischer Salon" – hört sich doch interessant an! Und ihn gibt es seit über 20 Jahren in Offenbach als Diskussionsforum für aktuelle Themen, gegründet von einem kritikfreudigen Journalisten der Frankfurter Rundschau und verortet bei der Volkshochschule und der Arbeiterwohlfahrt. Das Thema am 28.10. lautet: "Wird Offenbach eine Fahrradstadt?"
Zunächst geht es um die seit vielen Monaten bestehende Teststrecke "Senefelderstraße". Sie ist 700 m lang und wurde bereits mehrfach geändert: Die Rechts-vor-links-Regelung wurde zur Vorfahrtsstraße zugunsten der Radfahrer geändert, es wurden mehr Fahrrad-Symbole auf die Fahrbahn aufgebracht und der weiße Abstandsstreifen zu den parkenden Autos wurde um einen blauen verdoppelt. Es hatte sich nämlich eine unerwartete Haltung der verschiedenen Nutzer gezeigt. Der Autoverkehr war gleichstark geblieben, die Verkehrsregelung "frei für Anlieger" wurde von den freien Bürgern für ihre freie Fahrt ebenso schlicht ignoriert wie die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h. Die Rechts-vor-Links-Regelung hatte die höhere Geschwindigkeit kaum gehemmt. Aber auch die Radfahrenden hatten die Grundsätze einer Fahrradstraße nicht begriffen: Viele betrachteten den Abstandsstreifen entlang der parkenden Autos als Radwegbegrenzung und klemmten sich auf die 75 cm schmale Spur, und niemand nutzte das Recht auf das Nebeneinanderfahren.
Wie weiter mit der (Rad-) Verkehrspolitik in Offenbach?
Peter Sauer
Auf dem Podium war man sich da einig: Die Offenbacher haben mittlerweile den Umgang mit den Regeln der Fahrradstraße gelernt, aber noch nicht so weit, dass man zufrieden sein könnte. Nach wie vor gibt es viele PKW, die kein "Anliegen" ansteuern, sondern einfach flott durchfahren. Bald werden indessen auch die nächsten zwei Fahrradstraßen (von insgesamt sechs geplanten) fertiggestellt sein, hoffentlich ohne dass der Lerneffekt so viel Zeit benötigen wird wie im Testlauf. Könnte da nicht auch mehr Aufklärung durch die Behörden geleistet werden, und zwar früher und konsequenter (z.B. Polizeikontrollen) als bei der Teststrecke?
Das Podium nahm dann die Verkehrspolitik insgesamt ins Visier: Was erfordert die so genannte Verkehrswende an Änderungen in Offenbach? Der Fokus der Konzepte liegt klar auf der Förderung des ÖPNV – akzeptiert, aber was ist mit der Förderung des Radverkehrs? Die kann sich nicht darin erschöpfen, dass bestehende Radwege ausgebessert und neue angelegt werden, nein, es muss konzeptionell mit mehr Fantasie ans Werk gegangen werden!
Und wie soll das gehen? Wir müssen von der derzeitigen Erfahrungslage der Radfahrenden ausgehen. Und die ist? Einfach unerträglich! Aus dem Publikum kommen –zig Beispiele aus der täglichen Erfahrung auf der Straße, jede Leserin und jeder Leser von Frankfurt aktuell kennt das, eine Aufzählung erübrigt sich hier.
Die Veranstaltung selbst ist eine wirkliche Enttäuschung. Auf dem Podium saßen außer einem sehr gut vorbereiteten Vertreter des Umweltamtes lediglich Abgeordnete von zwei Parteien: Grüne und Linkspartei. Beide vertraten die Interessen von Radfahrenden engagiert und kenntnisreich. Ob SPD, CDU und FDP eingeladen waren, weiß ich nicht. Nur ein dutzend Zuhörer waren erschienen, davon die Hälfte vom ADFC Offenbach. Ob es in Offenbach ganz allgemein ein Desinteresse an Problemen von Verkehrsteilnehmern gibt? Gewiss nicht, aber es scheint, als beschäftige man sich nur mit den Behinderungen für den Autofahrer. So mussten z.B. die Vorlagen zur Entwicklung der sechs Fahrradstraßen so abgefasst werden, dass kein einziger Parkplatz weichen dürfe …
Eine Abschlusserklärung der Veranstaltung? Auch nicht.
Wolfgang Christian