Kalt, aber schön
Radrundtour Ems- & Wörsbachtal
links
Vor Bad Camberg ähnelt der Radweg einer Landstraße
rechts
Wer Umwege fährt, ist selbst schuld: Die Rundroute ist perfekt ausgeschildert
Günther Gräning
Dies ist eine Verbeugung vor Fahrradfans und Gemeinden im Kreis Limburg/Weilburg, die seit Jahren mit einer ganzseitigen Anzeige im Tourenprogramm des ADFC Hochtaunus vertreten sind. Ihr beworbener "Fahrrad-Sonntag" findet immer schon am ersten Mai-Wochenende statt. Dass es Anfang Mai noch verdammt kalt sein kann, hat man in diesem Jahr erlebt.
Und wenn ich weit und breit der einzige sein sollte – ich fahre die Runde am 5. Mai! So lautet mein Entschluss; die Anreise von etwa 30 Kilometern mit dem Auto und die Kälte muss ich in Kauf nehmen. Den offiziellen Start um 10 Uhr in Dauborn schaffe ich nicht. Also peile ich Bad Camberg an, gerate ins Getümmel eines Frühlingsfests und fahre weiter über den Hügel ins Tal des Wörsbachs nach Gnadenthal. Dort genießt mein Auto klösterlichen Schutz, und ein Café gibt es auch. Ich starte die Tour in Richtung Norden. Zu meiner Überraschung bin ich bei weitem nicht der einzige Radler, trotz der Kälte. Es geht gegen den Wind nach Dauborn zum Startpunkt. Den angebotenen Stempel will ich nicht, lieber sind mir ein heißer Kaffee und ein Käsebrötchen.
Weiter geht's zum nördlichsten Punkt der Route nach Niederbrechen. Hier bricht niemand nieder, schon allein deswegen, weil die Geräusche der Autobahn alle vorantreibt in den Goldenen Grund. Ab hier ist die Route identisch mit dem Hessischen Radfernweg R8. Die Gegend ist sehr idyllisch und macht ihrem Namen Ehre. Die Autobahn hört man nicht mehr, die Route ist fast völlig autofrei und für jedermann geeignet. Weiter geht's nach Oberbrechen, vorbei an Wiesen und Felsstürzen. Der kalte Wind schiebt jetzt von hinten. Ich wechsele auf die andere Seite des Emsbaches und komme zum Schwimmbad. Hier codiert die Polizei Fahrräder auf klassische Weise mit den bekannten Fräsgeräuschen.
Vor Bad Camberg ähnelt der Radweg einer Landstraße wegen der Mittellinie; man fühlt sich als Radler ein wenig geadelt. Bad Camberg wird oberhalb der Altstadt umgangen. Das ist auch gut so, wegen des Trubels und des Verkehrs, obwohl es manch schönes Gebäude gibt. Der R6 kommt hier von links hinzu. Ein Navi habe ich nicht, den Blick auf die Radkarte spare ich mir, was sich als unklug erweist. Nach Würges kommt Walsdorf. Ab hier hätte ich dem R8 aufwärts folgen sollen, fahre aber faul und bequem weiter im Tal auf dem R6 bis Esch. Ein grüner Radwegweiser erwähnt Idstein als Ziel. Dorthin will ich eigentlich nicht, muss ich jetzt aber doch. Der von mir verschmähte R8 rächt sich mit einem kurzen, aber sehr steilen Anstieg und einem Abschnitt auf der Landstraße. Dann steil bergab nach Idstein hinein und gleich wieder rechts hinaus in Richtung Wörsdorf im Tal des Wörsbaches. Mir ist durchaus bewusst, dass mein Auto jenseits zweier Bahnlinien und der Autobahn steht.
Dennoch verpasse ich kurz vor Wallrabenstein eine scharfe Linkskurve und gerate für zwei vergebliche Kilometer auf einen Golfplatz. Rechts und links sehe ich Golfer erstarren. Ich muss zurück und unterquere drei Tunnel in Richtung Wallrabenstein. Ab hier wird die Strecke zwischen Wiesen, Bach und Wald so richtig herrlich. Ich passiere Mühlen und Stempelposten und erreiche wieder das ehemalige Kloster Gnadenthal. Mein Auto genießt immer noch klösterlichen Schutz.
Statt der angekündigten 40 Kilometer bin ich 55 gefahren. Kalt war's, aber schön. Für die zuviel gefahrenen Kilometer trage ich selbst die Schuld, denn die Beschilderung der Rundroute mit dem großen Schild ist perfekt. Das Engagement der Verpflegungs- und Stemplerposten unterwegs darf bewundert werden. Wer aus Richtung Frankfurt kommt, kann die Tour übrigens am Bahnhof Idstein starten. Und die Anzeige im Tourenprogramm nehmen wir gerne wieder!
Günther Gräning