"Pizzaschilder" im Wald
Mein gesamtes bisheriges Radlerleben lang habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob ich in freier Natur das Verkehrsschild aus weißem Feld und rotem Rand beachten muss. Im Gegenteil: Wenn der Weg dahinter befahrbar war, habe ich dankend zur Kenntnis genommen, dass mich ab jetzt kein Auto mehr belästigen würde. Und niemand hat mir das je übelgenommen.
Deshalb war ich auch zunächst verblüfft, als mir angeraten wurde, mich dafür einzusetzen, dass alle diese Schilder im Wald mit dem Zusatz "Radfahrer frei" versehen werden.
Seitdem der gesamte Hochtaunuskreis dankenswerterweise radverkehrsbeschildert worden ist, häufen sich offensichtlich die Konflikte zwischen grünen Radroutenschildern und dem bekannten roten Pizzaschild mit der Nummer 250. Ausgerechnet auf dem "Dach der Welt", nämlich in Glashütten, sind sie eskaliert – so sehr, dass bei mir ein nahezu verzweifelter Anruf aus der Gemeindeverwaltung Glashütten einging: Ob der ADFC helfen könne: Die Gemeinde Glashütten, der Naturpark Hochtaunus und der Hochtaunuskreis seien sich nicht einig, wie der Konflikt zwischen Grün und Rot zu lösen sei; schließlich bedeute Rot doch "Verbot für Fahrzeuge aller Art", und ein Fahrrad sei doch ohne Zweifel ein Fahrzeug. Zwar beschäftigt der Hochtaunuskreis einen "Master of Public Management", aber der wusste es auch nicht.
Ich versprach, mich beim ADFC umzutun, was wohl der Stand der Dinge sei.
Mir fiel gleich Roland Huhn ein, der in der ADFC-Zeitschrift "Radwelt" über "Schilderrätsel" gerätselt hatte. Allerdings wollte ich mir nicht die Blöße geben, ihm zu zeigen, dass ich seinen Rätseltext in großen Teilen nicht verstanden habe. Daher habe ich selbst im Internet-Auftritt des ADFC die Datenbank der Radfahrer-Urteile mit dem Stichwort "Waldweg" durchsucht. Und siehe da: Es gibt unter "Fahrrad-Urteile Detailinformationen" unter der Überschrift "Unwirksamkeit von Verkehrszeichen auf Waldweg" Folgendes:
"Leitsatz:
Ein Verbotszeichen, das für einen im Staatsforst verlaufenden tatsächlich öffentlichen Weg auf Anordnung der staatlichen Forstverwaltung angebracht worden ist (hier: Zeichen 250), verkörpert kein wirksames hoheitliches Verkehrsverbot. Seine Nichtbeachtung verstößt daher nicht gegen die Straßenverkehrsordnung."
Ohne dass ich diesen juristischen Text in allen Feinheiten verstehe, kommt es mir vor, als hätte ich lebenslang das Richtige getan, nämlich Verkehrsschilder in freier Wildbahn zu ignorieren.
Das Ergebnis meiner Forschung habe ich der Gemeinde Glashütten mitgeteilt, ergänzt um Informationen zum Thema "Keine Verkehrssicherungspflicht auf Waldwegen". Möge jetzt Frieden herrschen zwischen Rot und Grün, auf dem Dach der Welt und ringsumher.
Günther Gräning