Für eine Fahrradstadt Offenbach sollte es natürlich Rosen regnen!
Peter Sauer
"Fahrradstadt" Offenbach
Brüder-Grimm-Stadt Hanau, Wissenschaftsstadt Darmstadt – viele Städte legen sich einen Beinamen zu, vermutlich in der Absicht, ihr Image aufzufrischen. Das ist insbesondere dann angesagt, wenn der Ruf nicht schmeichelt, denn: wer will schon Bürger einer "Schlafstadt" sein oder einer "Hochburg der Kriminellen"?
Wir Offenbacher kennen gerade auch diese charakterlichen Zuschreibungen zur Genüge. Hat uns das aufgeregt? Wenn, dann minimal, denn das oft Gehörte trifft mit seinen Wiederholungen nicht den Adressaten auf Dauer, es langweilt ihn.
Und dennoch kennen wir und hören wir aus kommunalpolitischen Kreisen die sehnsüchtige Suche nach dem Positiven, also nach einem richtig guten Namenszusatz. In der Vergangenheit hatte Offenbach wirtschaftliche Hochzeiten erlebt, die ihr jeweils ein Charakteristikum verliehen. Aus dem Fischerdorf am Main entwickelte sich durch die Einwanderung von Hugenotten das Handwerk zu hoher Leistungsfähigkeit. Über Jahrhunderte bis in die jüngste Vergangenheit galt dann Offenbach als Inbegriff der Produktion guter Lederwaren. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich auf diesem gediegenen Fundament ein Industriestandort von hohen Graden, vor allem im Metall- und Chemiebereich. Offenbach wurde somit auch Arbeiterstadt und politisch zum "roten Offenbach".
Heute kursieren zwei Vorschläge. Der erste bezieht sich auf das Wetteramt, das als Alleinstellungsmerkmal gilt und von einem ebenso einmaligen Wetterpark ergänzt wird. Warum also nicht "Wetterstadt"? Die zweite Idee leitet sich von der "Hochschule für Gestaltung" ab, in deren Umkreis sich Hunderte von Künstlern, Grafikern und Designern niedergelassen haben. Wäre es deshalb nicht naheliegend, Offenbach den Beinamen "Kreativstadt" zu verleihen? Man merkt es schon – richtig überzeugend ist keine der beiden Namensgebungen.
Also geht die Suche weiter!
Gibt es da nicht - ganz aktuell - den verkehrspolitischen Impetus, die Stadt vom zunehmend verdichteten Autoverkehr zu entlasten? Ist nicht die 5-Millionen-Investition in sechs Fahrradstraßen für die hochverschuldete Stadt ein starkes Signal für Mut und Vernunft? Hat nicht sogar die Bundesregierung das Vorhaben geadelt, indem sie es als zeitgemäßes Modell für Stadtplanung anerkannte? Ist Offenbach wegen seines flachen Profils und seiner bekannt kurzen Wege und nun mit der Einrichtung von Fahrradstraßen nicht ein ideales Angebot für Leute, die ans Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad denken?
Was spricht also noch gegen eine FAHRRADSTADT OFFENBACH?
Wir wüssten da schon eine Menge (kaum Fahrradwege und -streifen, die auch noch sanierungsbedürftig und oft zugeparkt sind, oder die OF-Fahrer, für die das Kennzeichen OF das Fahren "Ohne Führerschein" oder "Ohne Ferstand" signalisiert), aber wir schweigen darüber höflich – bis zum nächsten Etatentwurf.
Wolfgang Christian