Bertram Giebeler
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Ein Beispiel aus Bielefeld für einen typischen "freien Rechtsabbieger". Die Roteinfärbung der Radspur ist hier sicherlich richtig, aber eigentlich sollten solche Rechtsabbiege-Beschleunigungsstreifen abgeschafft und komplett ummarkiert werden
Bertram Giebeler
Frankfurt greift in den Farbtopf
Verkehrsdezernat plant Roteinfärbung vieler Radwege und Radstreifen
Verkehrsdezernat plant Roteinfärbung vieler Radwege und Radstreifen.
In Frankfurt wurde es bisher nur ganz selten getan, aber in vielen anderen deutschen Städten gehört die Roteinfärbung von Radwegen, Radstreifen und Schutzstreifen, zumindest in Querungsbereichen, schon seit langem zum Standardrepertoire der Radverkehrsplaner. In unserem fahrradfreundlichen Nachbarland, den Niederlanden, ist sogar die gesamte Fahrrad-Infrastruktur rot gefärbt, und zwar in der Regel nicht nur mit aufgetragener Farbe, sondern gleich in komplett durchgefärbtem Asphalt!
Holländische Radfahrerverhältnisse haben wir halt leider nicht, und es wäre auch nicht realistisch, alle Radwege in Frankfurt rot einfärben zu wollen. Erfreulich ist aber, dass ab jetzt die bisherige Zurückhaltung in dieser Sache aufgegeben werden soll, ja es soll kräftig in den Farbtopf gelangt werden! In der Presse wurden gleich ein Dutzend Abschnitte genannt, in denen die Fahrrad-Infrastruktur rot eingefärbt werden soll: Konrad-Adenauer-Straße (auf dem aktuell neu anzulegenden geschützten Radstreifen), Taunusanlage im Bereich Opernplatz (das wäre sehr verdienstvoll, je eine subjektiv anspruchsvolle "Fahrradweiche" in beiden Richtungen), Gutleutstraße, Baseler Platz, Altenhöferallee, Gießener Straße, Holbeinstraße, Bockenheimer Anlage, Kasinostraße, Emmerich-Josef-Straße, Stroofstraße, einzelne Gefahrenpunkte auf der Hanauer Landstraße und der Ludwig-Landmann-Straße.
Bei einigen der genannten Abschnitte ist die Sinnfälligkeit, ja Notwendigkeit sofort einsichtig, etwa an der Taunusanlage. Bei einigen anderen erschließt sich nicht auf den ersten Blick, nach welchen Kriterien die Abschnitte ausgewählt wurden. Möglicherweise ist die Auswahl ja auch noch nicht in Stein gemeißelt. Vielleicht helfen auch die folgenden Hinweise, welche Kriterien unserer Meinung nach bei der Auswahl herangezogen werden sollten:
- starke Kfz-Belastung und/oder mehrstreifig, Tempo 50 oder höher. Bei Tempo 30 und wenig Verkehr braucht es keine Roteinfärbung
- Kfz-Rechtsabbiegen "feindlich" zu Radverkehr geradeaus (Unfall-"Klassiker", an ampelgeregelten Kreuzungen gehört dies eigentlich abgeschafft)
- Radverkehrsführung auf "Fahrradweiche" zwischen Kfz-Geradeaus und Kfz-Rechtsabbiegern (Beispiel aus neuerer Zeit: Radweiche am Taunustor)
- "freier Rechtsabbieger" vor der Ampelkreuzung (Relikt aus der autogerechten Stadt der 60er Jahre, wäre mit einfachen Mitteln zu entschärfen)
Die Roteinfärbung soll dem Autofahrer signalisieren, dass er damit rechnen muss, vorfahrtsberechtigten Radfahrern den Weg zu kreuzen, und ihn dadurch zu Umsicht und Entschleunigung veranlassen. Dieser Sicherheitsaspekt ist der vorrangige Sinn der Roteinfärbung, daran sollte sich auch die Auswahl der Abschnitte orientieren. Die Einfärbung muss so ausgeführt werden, dass sie wahrgenommen wird und ihren Zweck auch erreichen kann, d. h. sie muss nicht nur über die komplette Querung geführt werden, sondern möglichst schon im Vorfeld der Querung ansetzen. Gibt es eine Fahrrad-Aufstellfläche vor einer Ampel, sollte diese eingefärbt werden. Gibt es sie nicht, sollte die Roteinfärbung dazu dienen, sie neu einzurichten.
links:
Ein Beispiel aus Bremen für eine rot eingefärbte "Fahrradweiche". Diese Führungsform stresst manche Radfahrer/-innen. In anständiger Breite und in Rot fährt sich's darauf besser.
rechts:
Ein Beispiel aus Berlin, wo Roteinfärbung offensiver eingesetzt wird. Diese Markierung, Breitstrich rechts und links und Roteinfärbung über die komplette Kreuzung, übersieht so schnell keine/r. Was aber noch fehlt, sind 2 – 3 Fahrradpiktogramme.
Fotos: Bertram Giebeler
Andere positive Effekte psychologischer und politischer Natur, wie die Hebung des subjektiven Sicherheitsempfindens der Radfahrer/innen oder die Demonstration der eigenen Radverkehrsfreundlichkeit seitens der Kommune, gehören in die Kategorie "nice to have". Auch ist es fraglich – zumindest nicht erwiesen – dass Roteinfärbung vor Falschparkern schützen kann. Einen Radweg, Radstreifen oder Schutzstreifen komplett auf ganzer Länge durchzufärben, ist nicht verkehrt, aber nicht unbedingt notwendig. Muss die Stadt auswählen, weil Geld, Manpower oder Farbe knapp werden, sollten die gefährlichen Querungsbereiche Vorrang haben!
Darüber hinaus gilt die Regel: eine schlechte Infrastruktur bleibt auch dann schlecht, wenn sie rot eingefärbt ist. Gefährliche freie Rechtsabbieger wie an der Ludwig-Landmann-Straße sollten erst einmal mit anderen Maßnahmen entschleunigt werden, etwa durch Kurvenradiusverengung mit Sperrflächenmarkierung und Sperrbaken. Erst dann macht es Sinn, Farbe aufzutragen. Schutz- und Radstreifen ohne Sicherheitstrennstreifen zur Dooring-Zone und in Minimalbreite (Schlossstraße Bockenheim) gehören nicht auch noch rot eingefärbt, sondern abgetragen und richtig neu markiert – dann auch gern in rot!
Bertram Giebeler