Radfahren in Eschborn, Teil III
Rad und Nahmobilität
links:
So kann's passen mit der Nahmobilität –
Fahrrad, Abstellboxen, S-Bahn
rechts:
Bahnhof Niederhöchstadt – so sollte eine Förderung von nachhaltiger Nahmobilität nicht aussehen
Helge Wagner
In den letzten beiden "Frankfurt aktuell" beleuchteten wir in der Reihe "Radfahren in Eschborn" die radverkehrspolitische Situation und das Angebot an Fahrradabstellanlagen vor Ort. Zur alltäglichen Nutzung des Rades gehört eine ineinandergreifende Struktur der Nahmobilität, insbesondere um zur Arbeitsstelle zu gelangen oder Besorgungen zu erledigen.
Mitte des vergangenen Jahres schlug der Deutsche Städtetag Alarm: In den Städten nähmen Verkehrsaufkommen und Pendlerzahlen zu, die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an Mobilität stiegen und Radfahrer und Fußgänger forderten mehr Anteile an der vorhandenen Verkehrsfläche. Die Städte müssten Umweltschutzvorgaben und Klimaschutzziele beachten. Länder und Bund sollten für eine zukunftsfähige Infrastruktur Gelder bereitstellen. Dazu gehöre auch ein leistungsfähiger ÖPNV (Positionspapier "Nachhaltige Mobilität für alle", Deutscher Städtetag, Juni 2018). Der ADFC begrüßt die Forderung. Wenn man die Situation auf den Straßen verändern will, muss man effizient eingreifen. Der öffentliche Raum verlangt eine Neuaufteilung für alle Verkehrsteilnehmer. Gleichzeitig müssen Alternativen an Mobilität (Multimodalität) für alle Verkehrsteilnehmenden geschaffen werden. Was nun tun?
Am besten geeignet für eine Nahmobilität ist das Fahrrad. Ob zur Arbeit, zur Schule, zum Training oder zu einer Behörde oder Arztpraxis: Das Rad ist das ideale Gefährt. Auch für Einkäufe innerorts oder in den Großmärkten am Ortsrand. Aber: Im Straßenverkehr geht es nicht immer konfliktfrei zu. Die Situation für Radfahrer/-innen ist nicht immer optimal, manchmal ist sie sogar gefährlich. Für eine deutliche Verbesserung des Radfahrens sind die Verantwortlichen in den Gemeinden und Städten, in den kommunalen Parlamenten und Verwaltungen zum Handeln aufgefordert. Ein Mobilitätsbeauftragter nimmt sich der Belange des Radverkehrs an. Gerade bei der Bürgerbeteiligung am Stadtentwicklungsplan "Zukunft 2030+" waren viele kritische Stimmen zu hören über radverkehrstechnische Mängel. Auch über die Meldeplattform Radverkehr und RADar von Stadtradeln wird auf Mängel hingewiesen und werden Verbesserungsvorschläge gemacht. Nur: Die Betreuung dieser Plattformen wirkt mangelhaft, die angekündigten Punkte in Sachen Radverkehr müssen endlich angegangen werden!
Zukunftsfähige Radverkehrsplanung erforderlich
Zu einer zukunftsfähigen Radverkehrsstruktur für Eschborn gehört das Kombinieren von verschiedenen umweltfreundlichen Fortbewegungsmitteln. Gerade in den Gewerbegebieten Eschborns ist das Bedürfnis da, zügig in den Hauptverkehrszeiten an den Pkw-Staus vorbei und hin zu den Stationen des ÖPNV zu kommen. Oft steckt der Linienbus im Stau.
Für eine integrierte Nahmobilität reicht längst nicht mehr das Planen örtlicher Radrouten. Sie müssen überörtlich, regional gedacht werden. Wer das Rad nutzt, will eine gut ausgebaute und gut ausgeschilderte Radverkehrsanlage. Es ist unverständlich, wenn, wie in Niederhöchstadt, Radwegweiser in der Hauptstraße hinter einem großen Spiegel versteckt und dadurch nicht erkennbar sind.
Wer das "bike+ride"-System nutzt, erwartet eine gute Anbindung an die Stationen des ÖPNV und gute Abstellmöglichkeit für sein Rad. Wer per Rad zur S-Bahn-Station will, freut sich über gute Park- und Anschließmöglichkeiten an der Station.
Radverleihsysteme
Ein Fahrradverleihsystem unterstützt die Erreichbarkeit von Stationen des öffentlichen Nahverkehrs. Inzwischen sieht man auch in Eschborn Leihräder stehen. Die Kommune muss dazu mit den Radverleihern Regularien festlegen und Vereinbarungen treffen. Anbieter müssen eine Bedienleichtigkeit des Rades gewährleisten und rund um die Uhr für Nutzer und Sicherheitsdienste erreichbar sein. Statt strukturierter Betreuung der Räder (Wartung und Service, Entfernung aus dem Verleih bei Defekt oder Behinderung, Versicherung usw.) scheinen für manche Betreiber lediglich die Nutzerdaten und erstellten Bewegungsprofile zu Werbezwecken interessant zu sein. Für die Kommunen sind solche Daten, anonymisiert, aber für eine zielgerichtete Radroutenführung und Verkehrsflussplanung wichtig. Zudem muss überregional gehandelt werden, müssen sich mehrere Kommunen zu einem Verbund für ein Radverleihsystem zusammenschließen, am besten noch mit (festen) Ausleihstationen für Liegeräder, Lastenräder oder Dreiräder.
Radschnellwege
Wichtiger Bestandteil für die Region sind Radschnellwege. Gerade Eschborn liegt mit seinen Gewerbegebieten in einem Kreuzungsbereich für diese Routen. Ideen sind schon da: So müssen im Umfeld von Eschborn Radschnellwege aus dem Hochtaunuskreis kommend mit einer Route aus dem westlichen Main-Taunus-Kreis in Richtung Frankfurt verbunden werden. An Schnittstellen sollten Anbindungen an den ÖPNV bestehen. Bei der Regionaltangente West sind die Bahnstrecke begleitende Radwege eine optimale Lösung. Der ADFC hat dazu ein Konzept vorgelegt ("RTW Plus"). Wenn das realisiert wird, muss auch eine witterungsunabhängige Nutzbarkeit der Wege gesichert sein! Das System "bike+ride" erfährt hierdurch beste Unterstützung.
Da inzwischen viele elektrisch unterstützte Räder gekauft werden, muss an ein Netz von Ladestationen für E-Bikes gedacht werden. Diese können in der Nähe öffentlicher Einrichtungen, an Fahrradparkstationen (Fahrradparkhaus), an Bahnhöfen oder bei größeren und öffentlichen Gebäuden installiert werden.
Ein mobiles Reparatursystem mit Bringdienst, wie es schon angeboten wird, sollte unterstützt und erweiterbare Strukturen eines solchen Services gefördert werden. Die Wirtschaftsförderung im Rathaus kann hier beratend helfen, vielleicht auch bei der Ansiedlung eines Fahrradgeschäfts. Nichts macht sorgenfreier, als morgens ein defektes Rad zur Reparatur abzugeben und nach Feierabend wieder abholen zu können. Vielleicht kann in Zukunft nicht nur schnell ein Platten durch den nahe gelegenen Radservice geflickt werden, vielleicht kann der dann auch den Akku am Pedelec aufladen und ersatzweise ein Leihrad zur Verfügung stellen. Zukünftig muss an Fahrradparkplätzen (z. B. an Bahnhöfen oder zentralen Bushaltestellen) an die Anforderungen der elektronischen Zukunft des Radverkehrs gedacht werden. Mit Smartphone und Navi eröffnet die digitale Welt ganz neue Kommunikations- und Servicemöglichkeiten.
ÖPNV und Nahmobilität
Der öffentliche Nahverkehr spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Nahmobilität. Wenngleich die Fahrradmitnahme Beschränkungen (Kapazitäten, zeitliche Begrenzung) unterliegt, sollte über eine Ausweitung des Angebots nachgedacht werden. Man ärgert sich, wenn in den Broschüren "RMV Rhein-Main-Vergnügen" Radrouten zum Entdecken der Region angeboten werden, aber gerade an Sonn- und Feiertagen auf bestimmten Strecken die S-Bahn auf eine kurze Zugeinheit beschränkt ist (siehe Sonntagmorgens auf der Linie S1 Richtung Wiesbaden). Mit der Regionaltangente West wird der Grundstein für eine Schienenstrecke rund um Frankfurt gelegt.
Und wie sieht's aus mit Bussen? Könnte man nicht Busse bauen, die eine Radmitnahme flexibel und schnell ermöglichen? Gerade die neuen Schnellbuslinien böten dazu eine sinnvolle Verknüpfung. Nicht alle Strecken sind für große Busse geeignet, aber man sollte dafür gezielt Routen aussuchen. Für eine gute Barrierefreiheit an Haltestellen ist zu sorgen. Zudem könnte Eschborn mit den umliegenden Kommunen einen übergreifenden Citybusverkehr planen, der sich an die Angebote des ÖPNV anschließt und diese ergänzt. Auch die Preis- und Tarifgestaltung im RMV sind ein wichtiger Aspekt, Pendlerströme weg vom Auto auf die Bahn zu bringen. Wohl wahrlich ein kompliziertes Thema, es führt aber kein Weg daran vorbei, neue Tarifmodelle zu entwickeln, um Menschen in den schienenbetriebenen Verkehr zu bringen (siehe Schüler-Hessenticket).
Eine weitere Verfeinerung des Nahmobilitätsnetzes ist eine Investition in unser aller Zukunft. Ein entzerrter Straßenverkehr, ein ruhiger Verkehrsfluss und eine abgasärmere Luft sind eine Verbesserung der Lebensqualität für Groß und Klein. Dazu muss das nötige Geld bereitgestellt werden! Warum nicht aus den Bußgeldern der "Dieselabgasskandale" durch die Automobilindustrie?Helge Wagner
In der nächsten Folge stellen wir eine Familie vor, für die die Zukunft schon begonnen hat, indem sie aufs Auto verzichtet und aufs Rad gesetzt hat.
Thomas Barz – Rechtsanwalt
Man kann mit dem Fahrrad wunderbar von Eschborn nach Oberursel zur Arbeit fahren. In den letzten 15 Jahren habe ich das mehrere tausendmal machen können. Die Sommer sind schön und die Winter häufig milde. Zudem bin ich jedes Jahr noch mit dem WfF (Wir fahren Fahrrad) Berlin-Brandenburg e. V. eine Woche in Europa auf Radtour. Es gibt dabei viel zu entdecken.
Patricia Madeiski – Lehrerin
Wir nutzen das Lastenrad "Urban Arrow" für die alltäglichen Fahrten, z. B. um in den Kindergarten zu kommen. Auch Einkäufe sind mit dem Rad kein Problem. Fahrradtouren mit den Kindern werden einfacher bewältigt, da der kleine Finn (4 Jahre) samt Kinderrad bequem im Lastenrad – mitfahrend – kurze Pausen einlegen kann. Heute begleitet ihn sein Bruder Max (6 Jahre) im Lastenrad.
Roland Zenk – IT-Angestellter
Seit Jahrzehnten fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Erst von Frankfurt nach Oberursel, seit über 20 Jahren nun von Eschborn Stadtmitte ins Gewerbegebiet Süd Eschborns. Ich nutze dafür ein älteres "Stadtrad", für längere Strecken ein Tourenrad. Seit einigen Jahren kommen immer mehr Kolleginnen und Kollegen mit dem Fahrrad zur Arbeit: Man fährt mit dem E-Bike oder Pedelec von Königstein, Kronberg und noch weiter hin und zurück. Eine nachhaltige Verkehrspolitik muss Fahrradmobilität noch intensiver in die Planungen einbeziehen.
Helge Wagner