Alterntive Fakten oder: Frankfurter Merkwürdigkeiten
Man folge dem Frankfurter Grüngürtel-Radweg entgegen dem Uhrzeigersinn solange, bis man den Lohrberg passiert hat und absteigen muss, weil eine unsäglich hässliche, unbefahrbare Brücke dazu zwingt. Auf der anderen Seite der Brücke ist es immer ratsam, mitreisende Radler darauf hinzuweisen, dass das nun folgende mittelalterliche Stück des Eselswegs abschüssig ist und qualitativ … na ja: wie gesagt mittelalterlich.
Aber es lohnt sich, den Blick nach links zu richten. Dort befindet sich ein Dreiklang aus einer Regionalpark-Stele mit Texten zur Via Regia, dem Heiligenstock und einer Kanonenkugel samt Plakette, die neben dem Eingang zum Gasthaus "Altes Zollhaus" angebracht ist.
Die Stele trägt an allen Seiten Informationen zur Hohen Straße und zur Via Regia. Eigentlich wäre hier das Entrée zur Hohen Straße, nicht in Bergen. Am Heiligenstock kann man opfern, insbesondere, wenn man noch mehrere Kilometer auf dem Rad vor sich hat. Das nützt nichts, schadet aber auch nicht.
Nun zu der Kugel: In Erz gegossen scheint ihre Geschichte auf dem Schild, aber dennoch ist sie falsch: Die Schlacht bei Bergen fand während des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1759 statt. Aber Preußen war daran gar nicht beteiligt. Da das Zollhaus laut Stele erst 1775 erbaut wurde, kann die Kugel nicht aus dem Siebenjährigen Krieg sein, denn der endete 1763.
Zu der Stele: Laut dem Text stammt die Kugel aus dem Jahr 1779. Der Erste Koalitionskrieg jedoch folgte auf die Französische Revolution (1789) und dauerte von 1792 bis 1797. Die Kugel kann also auch nicht aus diesem Krieg stammen.
Was ist denn nun wahr? Es handelt sich eindeutig um eine Eisenkugel. Ihre Herkunft jedoch ist ungeklärt.
Wenn ein Radler, der tiefergehende Kenntnisse über Metalle hat, sich nach Erklimmen des Berger Hangs oder des Heiligenstocks von der Nidda die Mühe machen würde, das Eisen hinsichtlich seiner Herkunft zu analysieren, so könnten dies Rätsel gelöst und die beiden Texte korrigiert werden.
Günther Gräning