Editorial
Wer auf seinem Computer neue Software installieren möchte, muss schauen, dass die Hardware, also der Prozessor im PC, dafür ausreichend leistungsfähig ist. Bei Automobilen wird dieses Verhältnis gern auf den Kopf gestellt: Da hat die Software schon mal den Zweck, das Versagen der Hardware, etwa mangelnde Abgasreinigung im Dieselmotor, zu verschleiern. Die technisch mögliche Nachrüstung der Hardware ist ein so großes Tabu, dass die Autoindustrie lieber tatenlos zusieht, wie eine Stadt nach der anderen Diesel-Fahrverbote verhängt.
Aber auch bei Fahrrädern, nicht zuletzt denen zum Ausleihen, spielt die Qualität der Hardware eine wichtige Rolle. Nachdem vergangenen Herbst in Frankfurt drei neue Leihrad-Systeme förmlich aufpoppten, testete auch die Lokalpresse die Funktionalität dieser Räder. Das Schlusslicht in den Vergleichen bildete regelmäßig das inzwischen insolvente Unternehmen Obike. Jan-Keno Janssen, Redakteur der Computerzeitschrift c't, bezeichnete das gelb-silberne Gefährt aus Singapur gar als "das Leihfahrrad aus der Hölle". Das Rad fühle sich so an, "als würde man ständig bergauf fahren." So zieht er das Fazit: "Die Teile sind so schwergängig, dass schnödes Gehen weniger Energie und Zeit kostet."
Bemerkenswert ist, dass den Nachteil schlechter Automotor-Hardware vor allem die Umwelt, den der Fahrrad-Hardware dagegen der Nutzer selbst zu spüren bekommt. Wenn die mangelnde Akzeptanz der Kunden aufgrund mieser Hardware-Qualität zum Niedergang von Obike geführt hat, funktionieren hier offenbar die Marktkräfte, um die sich die Autoindustrie erfolgreich herumschummelt.
Nun, da das Pleite gegangene Unternehmen sich offenbar nicht kümmert, steht die Stadt Frankfurt vor dem Problem, wie sie die schwergängige Hardware legal und ohne eigene Kosten aus dem öffentlichen Raum bekommt. Das ist zugegeben knifflig. Relativ leicht ist es dagegen, die falsch abgestellte automobile Hardware aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, wo sie wesentlich gefährlichere Hindernisse schafft als ein paar hundert Obikes. Ein gutes Beispiel ist in diesem Heft auf Seite 7 zu lesen. Darüber würden wir gern häufiger berichten.
Doch zurück zur Fahrrad-Hardware: Wenn sie gut funktioniert und ausgereift ist, wie die Beiträge über den legendären "Long John" (Seite 24) oder das klassische Bäckerrad (Seite 26) in diesem Heft zeigen, transportiert sie nicht nur die Person auf dem Sattel, sondern außerdem eine ganze Menge schwerer und sperriger Hardware.
Torsten für das Redaktionsteam