MTB-Tour zum Ucka
xBike-Erlebnis in Istrien
Aussichtsturm mit Souvenir-Shop, das Bike steht auf der Startrampe für Gleitschirmflieger
Foto: Oliver Stöppler
Seit vielen Jahren verbringe ich mit meiner Familie die Sommerferien an der kroatischen Adria. In den letzten fünf Jahren sind wir auf der Halbinsel Istrien geblieben, dieses Mal in Labin.
Labin liegt an der östlichen Seite der herzförmigen Insel Istriens. Im Nordosten, bei Opatija, liegt der Berg Ucka. Er ist ein Teil des großen Gebirgsmassives Dinariden, das sich durch Slowenien und Kroatien bis Bosnien und Herzegowina zieht. Der höchste Punkt des Ucka ist der Vojak. Er ragt auf seinem felsigen Grund mit 1401 m über die Halbinsel hinaus. Auf der Spitze steht ein großer Sendemast, der schon aus der Ferne zu sehen ist. Des Weiteren befindet sich dort ein kleiner, älterer, gemauerter Aussichtsturm, der begehbar ist. Dort kann man die herrliche Aussicht über Istrien genießen.
Im Jahr 2016 wollte ich mir einen Traum erfüllen: Einen Abenteuertrip mit dem MTB ins Gebirge – den Ucka auf Schotterpisten und Trails zu erklimmen.
Hierzu studierte ich meine digitalen Daten des Sigma-Computers und wählte meine Route am Vorabend der Tour aus. Natürlich sollte der Trip nicht nur auf "Ucka-Autobahnen" führen. Trails sollten den Trip mit Abenteuer und Fahrspaß versüßen.
Ich nahm einen Rucksack mit einer Zwei-Liter Trinkblase mit, eine 0,75-Liter-Trinkflasche, ein Akkuladegerät für das Handy, einen Ersatzschlauch, eine Minipumpe, ein Werkzeug-Tool, meine BikeCam, Geldbörse, Erste-Hilfe-Set, ein Ersatztrikot, Taschentücher und ein zweites "BUFF"-Röhrentuch. Bei der Ausrüstung sollte noch etwas fehlen, doch dazu später. Auf feste Nahrung verzichtete ich, denn der Rucksack sollte möglichst leicht sein. Ein paar kohlehydratreiche Energieriegel sollten über den Tag helfen. Den Start hatte ich für die große Tour (ca. 80 km) am folgenden Tag um 10.00 Uhr festgelegt. Das ist eigentlich recht spät, aber ich hatte meine Touren immer gegen 10.00 Uhr gestartet, und es war immer gut so.
Am Morgen stärkte ich mich mit einer riesigen Schale Müsli, einer Banane und einem Brötchen. Dazu trank ich eine aufmunternde Tasse Kaffee. Die Sonne lachte in unser Apartment im Zentrum der Altstadt Labins. Ich fieberte dem Abenteuer entgegen. Frisch rasiert schwang ich mich in meine Sportklamotten und schob mein Bike aus dem Apartment auf die Straße. Meine Familie wünschte mir einen guten Ritt, und guten Mutes radelte ich aus dem Stadtkern um die Stadtmauer herum auf die Hauptstraßen Labins. Da ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich eine gute Route gewählt hatte, radelte ich den Bike Shop "IstraBike" an. Der Inhaber des Geschäftes ist Einheimischer und ein begnadeter Radsportler mit sehr guten Ortskenntnissen. Mit einem kurzen Blick bestätigte er mir, eine gute Wahl getroffen zu haben. Also ging es endlich richtig los.
links:
Pferde blockieren an einem ehemaligen Bahnübergang den Weg
rechts:
So sieht er von unten aus, der Ucka auf der kroatischen Insel Istrienalle
Fotos: Oliver Stöppler
Auf der Hauptstraße radelte ich nach Strmac bis Vozilici. Bis hier herrschte relativ viel Autoverkehr. Schließlich bog ich in eine kleine Dorfstraße und fuhr an Kozljak vorbei nach Jesenovic bis nach Nova Vas.
Jetzt wurde es ernst. Auf einem Feldweg begann die erste schwierige Etappe mit 13 km Länge und von 60 m auf 1.000 m üNN in den Berg. Mein Tacho zeigte eine Temperatur von 30° C.
Nicht nachdenken darüber, was man da tut, sondern einfach strampeln und das Bergpanorama genießen. Mit zunehmender Kurbelei wurden die Ortschaften, die ich zuvor durchfahren hatte, immer kleiner. Ich gewann an Höhe.
Frei umherlaufende Pferde auf dem Weg
Schon nach zwei Kilometern wurde ich von einigen frei umherlaufenden Pferden an einem Bimmelbahnübergang gestoppt. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es war ein sehr schöner Anblick. Da die Tiere sich noch ein wenig auf dem Weg ausbreiteten, schob ich das Rad um die Herde herum, über die Schienen hinweg und durch dorniges Gestrüpp. Nach ein paar piksenden Kontakten und einem kleinen Fluch hatte ich die Pferde hinter mir gelassen und setzte meine Fahrt durch die Mittagshitze fort.
Die Zeit wollte nicht vergehen, das Panorama aber rettete meine Laune. Die Temperaturen stiegen weiter, der Tacho zeigte 38° C und ich befand mich auf der sonnigen Seite des Berges, ohne starke Vegetation. Zudem hatte der Weg eine Steigung teilweise bis ca. 18%. Das hieß "klettern auf der Rentnerscheibe" und bei den Temperaturen am Rande meiner Kräfte.
Auf ca. 950 m üNN erreichte ich das kleine Dörfchen Mala Ucka und war froh, an der Dorfquelle meinen Trinkrucksack und die Flasche auffüllen zu können. Ob die Wasserqualität gut war? Das war mir egal, ich war durstig und ich trank mit einem Schluck fast einen Liter des kühlen Bergwassers.
Nun war es nicht mehr weit bis zur Spitze, Luftlinie gefühlte 3 km mit 400 Höhenmetern. Nach einer kleinen Powerbar-Stärkung setzte ich den Weg gut motiviert fort.
Von Mala Ucka sollte ein Trail zur Ucka-Spitze führen. Als ich den Eingang dazu fand, kam mir eine Wanderergruppe entgegen. Ich erkundigte mich nach dem Weg und erhielt als Antwort: "Den Weg wollen Sie doch nicht mit dem MTB befahren? Das funktioniert nicht." Ups! Was sollte ich nun machen? Die wissen vermutlich gar nicht, was mit dem MTB gefahren werden kann. Ich bedankte mich für die Information und fuhr abseits meiner geplanten Route der Nase nach, um einen anderen Weg zu finden. Ich fand diesen Weg und landete auf der "Hauptstraße 500" hinter dem Gipfel Vojak, der großen Querverbindung von Rijeka (Opatija) ins Landesinnere. Dabei gingen mir wieder die mühsam erkämpften Höhenmeter verloren, denn es ging bergab. Die Straße war mir aus den Vorjahren meiner Rennradtouren bekannt. Ich suchte die kleine Wirtschaftsstraße zur Ucka-Spitze.
Herrlicher Panoramablick über die gesamte Insel
Das "Grande Finale" war erreicht, aber es waren doch noch 7 km und 500 Höhenmeter zu bezwingen. Oben angekommen, genoss ich ein Feuerwerk der Gefühle.
Am ersten erreichten Aussichtspunkt blickte ich in das Ostpanorama mit Sicht auf Opatija und Krk. Neben dem kleinen gemauerten Aussichtsturm war eine Startrampe für Drachenflieger. Hier konnte man weit über die westliche Seite Istriens blicken. Im Aussichtsturm befindet sich ein kleiner Souvenirshop, bei dem ich Getränke kaufte. Dann genoss ich bei einem Drink auf dem Turm das herrliche Panorama über die gesamte Insel.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es nun langsam Zeit wurde, den Heimweg anzutreten. Es war mittlerweile 18 Uhr. Mein Gedanke: "Jetzt geht es ja bergab, und es sind ein paar Trials zu rocken". Aber ich hatte nicht bedacht, dass ich mich nicht am heimischen Feldberg befand. Das war ein ganz großer Fehler!
links:
Hier gibt es beschilderte Fern- und Wanderwege
rechts:
Wer hätte gedacht, dass normale Forstwege zur Trails mutieren?
Fotos: Oliver Stöppler
Die ersten Meter zeigten schon: Der Weg hat es in sich. Doch wenn ich hier schon nicht hinauf radle, dann wenigsten irgendwie herunter. Von der Bergkuppe hinab musste ich meine Heimfahrt mit Bikehiking beginnen. Da ging gar nichts mit Radeln. Aber es war absolut klasse und hat Spaß gemacht. Auf meinem Bike konnte ich mich hervorragend abstützen. So ging es relativ flott bergab.
Am Fußpunkt der oberen Kuppe teilte sich der Weg in etwas besser zu befahrende Wanderwege. Obwohl ich eigentlich einige Schwierigkeitsstufen im Mountainbiken beherrsche, waren mir auch hier an einigen Stellen Grenzen gesetzt. Abgesehen davon: Ich war alleine! Ein Sturz hätte verheerende Folgen gehabt, zumal ich keine Protektoren trug. Wer sollte da für mich zur Stelle sein, um zu helfen?
Das Ende dieses Trails brachte mich zu meinem bekannten Kreuzungspunkt in Mala Ucka zurück. Die Wanderer hatten Recht, der Weg hoch zum Ucka wäre nicht mit dem Rad befahrbar. Meine Entscheidung, die Route auf gut Glück zu ändern, hatte mir viel Zeit und erhebliche Qualen erspart.
Jetzt hatte ich keine weiteren Trails eingeplant, aber wer hätte gedacht, dass normale Forstwege derart zu Trails mutieren.
So langsam spürte ich, dass sich diese Tour dem Ende nähern sollte. Die Sonne hatte einen niedrigen Stand erreicht. Alle meine Geräte, abgesehen vom Fahrradcomputer, hatten so langsam auch keine Akkuleistung mehr.
Das Schlimmste war nun noch, in die Dunkelheit zu fahren. Ich hatte bei der Materialzusammenstellung erwähnt, etwas vergessen zu haben: Ich hatte keine Akkulampen dabei!
Was die stark gezackte Linie zwischen Temperatur und Höhenprofil zeigt? Den Pulsschlag des Autors während seiner schweißtreibenden Tour.
Foto: Oliver Stöppler
So verfolgte mich hier nicht ein Yeti, sondern die Angst, in die Dunkelheit zu kommen. Ich kannte keinen kürzeren Weg in die Zivilisation zurück. Klar, immer bergab, dann komme ich ans Meer. Aber die Küstenstraße wollte ich auch nicht mehr fahren. Die führte bergauf in Richtung Labin. Davon hatte ich heute genug gehabt.
Von meinem Weg musste ich dann doch noch in einen kleinen Trampelpfad einbiegen, wobei mir im weiteren Verlauf die Orientierung genommen wurde. Hier und da waren Steinhäufchen und Grundstückseingrenzungen sichtbar, aber keine nutzbaren Wirtschaftswege. Der Pfad schlängelte sich durch den Wald und schien nicht zu enden. An manchen Stellen musste ich nochmals schieben. Die Route auf meinem Navi war hier schwer zu verfolgen, weil die Wege nicht immer erkennbar waren.
Dann ein Zeichen der Zivilisation. Eine aus Stein gelegte Schlange und eine Hinweistafel. Die Zeit nagte an meinen Nerven und ich machte schnell noch zwei Fotos. Dann setzte ich meine nun abenteuerlich und langsam grenzwertig werdende Fahrt fort.
Meine BikeCam-Akkus waren gegen 20 Uhr alle am Ende, mein Handy zeigte nur noch 15 % Akkuleistung. Ich wollte endlich auf den finalen Heimweg kommen.
Nein ...! Mein Navi lenkte mich auf einen neuen Wanderpfad. Nun taucht sicherlich die Frage auf, warum ich nicht einen anderen Weg im Navi eingegeben habe. Ich nutze den Sigma-Fahrradcomputer ROX 10, ohne Kartenbild und Routing über Hinweispfeile. Eigentlich ein super Fahrradcomputer, aber man kann die Wege nicht umplanen. In diesem Fall hätte ich mir ausnahmsweise ein Garmin- oder Falk-Navi gewünscht, wobei da vermutlich die Akkus auch an die Grenzen der Ladekapazitäten gekommen wären.
Egal, es ging weiter auf einem Pfad, und dieser endete an einem steilen und felsigen Berghang. Der Weg schlängelte sich in Serpentinen entlang des Bergs. Die Sonne verabschiedete sich langsam, mein Bike und ich waren aber immer noch im Berg. Ohne Licht diesen Pfad herunterzukraxeln war lebensgefährlich. Gestützt auf das Bike lief ich den Weg hinunter. Ich weiß heute noch nicht, wie ich es geschafft hatte, dort nicht mit dem Fuß umzuknicken.
Ich zog jetzt das "letzte Register": Schnell den GPS-Standort per Screenshot an meine Frau geschickt, mit dem Hinweis, mich in der Nähe abzuholen. Der nächste Ort war am Fußpunkt des Berges, das hatte ich mit dem Screenshot registriert. Es waren nur noch 5 % Akkuleistung am Handy. Ich schaltete es aus.
Weiter ging der Wettlauf gegen die Dunkelheit. Ich konnte nicht abschätzen, wie lange das noch gutgeht, aber der liebe Gott war gnädig mit mir. Der Hang war zu Ende und ein Waldweg lag vor mir. Mittlerweile war der Übergang von Dämmerung zur Nacht eingetreten. Den Forstweg konnte man nur noch erahnen.
Welch Wunder, dass mich nicht ein Steinbrocken oder Ast zum Sturz gebracht hatte, zumal ich nicht gerade langsam fuhr. Schließlich die Erlösung: Licht, Häuser, Straßen ... Ich hatte die Gefahrenzone hinter mir gelassen. Jetzt muss ich nur noch meine Retterin finden, sie würde hoffentlich auf der Dorfstraße auf mich warten.
Das war ein Trugschluss! Sie war nicht zu sehen. Ich fuhr auf der Straße ohne Licht, nur mit einem reflektierenden Rucksack, zur Hauptverkehrsstraße nach Labin. Unterwegs versuchte ich erneut, Kontakt mit meiner Liebsten aufzunehmen, aber das Handy ging nach Eingabe meiner Nachricht noch vor dem Absenden endgültig aus. Ich fuhr weiter.
In Labin angekommen kaufte ich im erstbesten Markt ein paar Schokoriegel, um mir einen längst überfälligen Energieschub zuzufügen. Dazu gönnte ich mir eine Cola. Als ich dann Richtung Zentrum weiterfuhr, kam mir ein Auto mit MTK-Kennzeichen entgegen. Das war meine Gattin, die völlig aufgelöst und aufgeregt war. Ich hatte ihr nie gezeigt, wie man mit GPS umgeht und die Geräte bedient. Sie konnte mit meiner Nachricht vom Berg nichts anfangen und benötigte einige Zeit (und Nerven), bis sie sich auf den Weg machte, um nach mir zu suchen. Den Abend schlossen wir dann erleichtert gemeinsam in der Pizzeria am Marktplatz ab.
Ende gut, alles gut?! Es war meine bisher beste und spannendste Bike-Tour – ever! Die gesammelten Erfahrungen bilden wichtige Grundlagen für weitere Tourenplanungen. Ich würde auf jeden Fall wieder eine Tour alleine planen – aber selbstverständlich gründlicher vorbereitet.
Oliver Stöppler