"Fahrradstraße" in Bad Homburg
Als der ADFC vor ein paar Jahren den Begriff "Fahrradstraße" für Bad Homburg ins Spiel brachte, war das humoristisch gedacht – anders geht es in dieser Stadt ja auch gar nicht. Dennoch war die Aufregung groß, denn niemand, auch Verkehrspolitiker nicht, wusste, was eine Fahrradstraße ist. Das ist auch kein Wunder, denn in dem Jahrhundert, in dem die Bad Homburger Verkehrspolitik spielt, gab es noch keine Fahrradstraßen.
Nun hat es dieser Begriff doch tatsächlich in die Agenda des Stadtforums "Bad Homburg 2030" geschafft! Das Planungsbüro Albert Speer und Partner hat am 14. März 2018 vor 350 Zuhörern im Bad Homburger Kurhaus angekündigt, der Straßenzug Kaiser-Friedrich-Promenade/Höhestraße werde zu einer Fahrradstraße umgebaut. Die Leute haben geraunt und es geglaubt, und die Zeitung hat's gedruckt.
Leider werden sie weiter vergeblich warten, genauso wie seit 40 Jahren auf ein innerstädtisches Radwegenetz. Und das Planungsbüro Albert Speer und Partner weiß hoffentlich, was es tut – oder eben auch nicht:
Denn eine Fahrradstraße ist für Radler gewissermaßen das, was eine Spielstraße für Kinder ist: Sie dürfen hier gemächlich nebeneinander zuckeln und den Autos eine lange Nase drehen. Wenn Autos zugelassen sind (das muss nicht so sein), dann dürfen sie maximal 30 km/h fahren und müssen den Radlern jede Freiheit gewähren. Überholen ist nicht drin, denn erfahrungsgemäß liegt die Geschwindigkeit bei höchstens 15 bis 20 km/h. Fahrradstraßen dürfen nur dort eingerichtet werden, wo ohnehin reger Radverkehr stattfindet, und auch nur in Nebenstraßen, damit Radler abseits des Durchgangsverkehrs sicher und entspannt fahren können. In Kiel zum Beispiel gibt es davon mehrere mit insgesamt 10 km Länge. Sie befinden sich mehrheitlich in der Nähe der Universität, um dort zu verhindern, dass die akademische Jugend ihre Freiheit auf Rädern auf Hauptverkehrsstraßen austobt.
Und eines ist auf Fahrradstraßen garantiert nicht erlaubt: öffentlicher Personennahverkehr mit Bussen. Durch den Straßenzug Kaiser-Friedrich-Promenade/Höhestraße fahren rund ein Dutzend Buslinien. Deren Fahrgäste würden ein Zuckeltempo hinter einem mit 10 km/h radelnden Rentnerpaar sicher nicht goutieren. Und keine Verkehrsbehörde der Welt genehmigt hier eine Fahrradstraße, basta!
Aber der Glaube stirbt zuletzt, in diesem Fall irgendwann kurz vor 2030.
Günther Gräning