Auch Offenbach ist noch weit entfernt davon, eine wirklich fahrradfreundliche Stadt zu sein. Aber die Anstrengungen, auf dem Weg dorthin voranzukommen, sind nicht zu übersehen. Das zeigt sich auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt. Wer sich durch die Internet-Seiten hessischer Großstädte klickt, wird staunen: Offenbach hat nicht nur einen der attraktivsten Web-Auftritte, sondern wirbt auf der Startseite gleich mit dem Thema Radverkehr. Immerhin eines der fünf wechselnden Bildmotive zeigt den Oberbürgermeister hinter einem Lastenrad, umringt von Offenbacher Bürgern (Stand Ende Februar 2018).
Grafik: Peter Sauer
Wir brauchen eine neue Vorstellung vom
Verkehr in der Stadt!
Ja, es stimmt schon: in den letzten Jahren wurde in vielen Städten etwas getan zur Förderung des Radverkehrs. Allerdings erst nach jahrzehntelanger Vernachlässigung. Offenbach erhielt mit dem S-Bahnbau die breite Berliner Straße mit richtigen Auffahrten zu (damals) richtigen Radwegen und erst in den letzten drei Jahren neue wesentliche Verbesserungen, wie die Freigabe der Fußgängerzone, die gute Beschilderung und die Radfahrerlaubnis entgegen der Einbahnstraßenrichtung.
Dass diese Schritte, so begrüßenswert wir sie finden, nur als ein Anfang zu bewerten sind, das muss erst einmal sehr klar bewusst werden! Für die unbestreitbar immense Bevorzugung des Automobils in der Verkehrsentwicklung seit Beginn der demokratisch verfassten Bundesrepublik gibt es im Prinzip nur zwei Gründe oder Motive:
- der massenhafte Wunsch nach bequemem Gelangen von A nach B sowie nach Prestige
- der massive Lobbyismus der Autoindustrie
Die visuelle und wirtschaftliche Dominanz des motorisierten Individualverkehrs lässt übersehen, dass alle anderen Teilnehmergruppen schwerstens benachteiligt sind. Im demokratischen Selbstverständnis hat "Gleichberechtigung" eine zentrale Funktion, die sich in der Verkehrspolitik und bei der Verteilung der Investitionen in Bezug auf die drei Teilnehmergruppen keineswes realisiert. Im Gegenteil ist der Autoverkehr in seiner politischen Bevorzugung um Lichtjahre von den anderen beiden Teilnehmergruppen entfernt. Das Steueraufkommen als Argument für eine Art Selbstfinanzierung können wir vergessen: Die Kfz-Steuer deckt nur einen Bruchteil der wirklichen Kosten ab.
Von der Geringachtung der berechtigten Anspüche von Fußgängern und Radfahrern an Gleichberechtigung einmal abgesehen, besteht in der Klimakatastrophe ein wohl noch gravierender Aspekt der Kritik an der Autodominanz!
Beide Gesichtspunkte haben uns Offenbacher dazu motiviert, die Sicht der Radfahrer und Fußgänger im "Kommunalen Manifest" auszudrücken. Es wäre schön, wenn Ihr Euch in E-Mails an die Redaktion dazu äußern würdet.
Wolfgang Christian