Deutschland von A bis Z: Korrektur
"Es geht durch Weimar in den großen Park, in dem das berühmte Gartenhaus Goethes steht. Wenn er zu Hause sein sollte, fährt er einen kleinen gelben KIA, der stand nämlich davor. Wir müssen eine Umleitung über sehr steile Berge fahren und erreichen Jenas Innenstadt. Gerhard kauft sich ein Fischbrötchen. "Diedschn dazuuh" lehnt er zunächst ab, weil er dahinter eine ihm unbekannte Zutat vermutet, nicht etwa ein "Tütchen". Wir testen einen hölzernen Anhänger und sehen eine gold-rot-schwarze Fahne auf einem Dach."
So lautet im Original ein Teil meiner Reisebeschreibung für die Nummer 5/2010 dieser äußerst lobenswerten Zeitschrift, nachzulesen im Archiv – bis auf die gold-rot-schwarze Fahne, die damals von der ebenso äußerst lobenswerten Redaktion zu Recht wegen Irrelevanz gelöscht wurde.
Nun bin ich kürzlich wieder mit dem Rad auf dem Fernweg "Thüringische Städtekette" von Weimar nach Jena gefahren und muss aufgrund neuer Erkenntnisse den obigen Text korrigieren und ergänzen. Und das geht so:
Der Weg von Weimar nach Jena, also von der Ilm zur Saale, führt nicht mehr über "sehr steile Berge", sondern nach dem wunderschönen Park in der Ilmtalaue über eine ruhige Landstraße mit mäßiger Steigung bergauf und dann auf Waldwegen wieder bergab sowie auf dem Radweg an der B7 in die Jenaer Innenstadt bis zur Saale. Das sind hin und zurück genau fünfzig Kilometer, die man ohne Gepäck (und ohne Pedelec) in zügiger Fahrt in 2,5 Stunden locker schafft.
Wir sehen eine gold-rot-schwarze Fahne auf einem Dach ...
Foto: Günther Gräning
Und nun zur Fahne: Wie das aktuelle Foto zeigt, hängt sie immer noch da, mittlerweile ein wenig zerfetzt, aber deutlich als "Gold-Rot-Schwarz" zu erkennen. Damals, 2010, habe ich mir, nicht ganz im Ernst, gedacht, jemand hätte sie uns Fernradlern mit Gepäck zu Ehren etwas zu hastig aufgezogen, eine andere Erklärung fiel mir nicht ein. Heute bin ich schlauer, wenn auch nur ein wenig: In dem Haus direkt an der Saalebrücke, über dessen Dach die Fahne hängt, befindet sich eine Kneipe. Und in dieser Kneipe wurde im 19. Jahrhundert die "Deutsche Burschenschaft" gegründet, so sagt es jedenfalls ein Metallschild an der Fassade. Die Farben der Burschenschaft waren Schwarz und Rot mit goldener Umrandung. Jetzt sehe ich folgende Möglichkeiten:
Erstens: Der Burschenschaft ist die Reihenfolge der Nationalfarben schnuppe, weil bei ihr ja nur der Rand golden ist.
Zweitens: Jemand hat die Fahne seinerzeit absichtlich aufgezogen, um die Weimarer Republik verächtlich zu machen. Und niemand, die Nazis nicht und auch nicht die DDR, waren in der Lage, sie von dort oben zu entfernen.
Drittens: Jemand hat sich beim Aufziehen nach der Wende 1990 vertan und weiß auch nicht, wie er die Fahne wieder vom Dach herunterbekommt.
Viertens: Jemand wollte nach der Wende gegen die Vereinigung Deutschlands demonstrieren.
Für weitere Erklärungsversuche wäre ich dankbar.
Günther Gräning