Radfahren macht schlau
Radfahren macht schlau? Ja nun, das haben wir doch schon immer gewusst. Und dass es für diejenigen nicht gilt, die auch bei Dunkelheit ohne Licht fahren, das haben wir auch schon immer gewusst. Doch auch die Hypothese, dass Radfahren schlau macht, wird jetzt wissenschaftlich bestätigt.
Die moderne Hirnforschung hat erkannt, dass Bewegung in mehrfacher Hinsicht die Bildung von Nervenzellen und deren Verbindungen fördert. Bewegung hilft den Nerven beim Wachsen, und das gilt auch im höheren Lebensalter. Für das Gehirn gilt also ebenso wie für die Muskulatur: Use it, or lose it. – Benutze es oder verliere es.
Die Zahl neu gebildeter Nervenzellen lässt sich durch körperliche Aktivität verdoppeln. Körperlich aktive Menschen sind daher besser vor Demenzerkrankung geschützt. Oder anders gesagt: Der Mensch braucht Bewegung, um besser denken zu können. Und ebendiese Bewegung sollte in einer möglichst vielseitigen Umwelt stattfinden, die Anforderungen an Kraft, Ausdauer, Aufmerksamkeit und Körperwahrnehmung stellt. Je komplexer diese Anforderungen sind, desto größer ist der Trainingseffekt für das Gehirn.
Wenn da das Radfahren nicht die ideale Form von Bewegung ist! Kraft und Ausdauer werden auf jeden Fall benötigt, können aber in idealer Weise sehr individuell entwickelt werden. Und die Körperwahrnehmung? Ja, das kennt doch jeder Radfahrer und jede Radfahrerin vom Bergauffahren. Auch sind die Gefühle bei Regen oder Hitze breit gefächert. Und das Gefühl des Fahrtwinds, vor allem beim Bergabfahren, ist sowieso schier unbeschreiblich. Aufmerksamkeit wird in jeder Sekunde gefordert: in die Pedale treten, das Gleichgewicht halten, die Richtung verändern, andere Verkehrsteilnehmer beachten, Hinweisschilder erkennen und interpretieren, Hindernisse erkennen, klingeln, bremsen, lächeln.
Wenn man jetzt die Verkehrssituation für Radfahrer/-innen, wie man sie meist noch vorfindet, unter diesem Blickwinkel betrachtet, so wird einem erst richtig bewusst, mit welcher Weisheit die Verkehrsplanung erfolgt. Dem unkritischen Beobachter mag es auf den ersten Blick so erscheinen, als stünden hinter so mancher Radverkehrsführung Unkenntnis und Unfähigkeit, gelegentlich auch Unwilligkeit. Bei Licht besehen erkennt man aber unter dem Blickwinkel der Hirnforschung, mit welcher Weisheit manche Politiker und Planer dem Radverkehr begegnen. Sie wollen den Radverkehr schlicht und einfach so gestalten, dass wir Körper und Geist sehr anstrengen müssen, denn dies dient vor allem dem Training des Gehirns! Der Umkehrschluss: Gute Radverkehrsanlagen lassen die Radler verblöden.
Was können wir daraus lernen? Wir sollten nicht immer nach Verbesserungen für den Radverkehr trachten, sondern versuchen, den – meist nicht auf den ersten Blick erkennbaren – geheimen Sinn der Verkehrspolitik zu erkennen. Wie ich das herausgefunden habe? Ich bin einfach viel Fahrrad gefahren.
Und das nächste Mal gibt es einen Artikel zum Thema: "Radfahren macht glücklich"
Karl Pfeil