Alle Jahre wieder: zum Autofreien Weiltalsonntag
Weiltal? Weit weg, im Hintertaunus, könnte man meinen. Als Ziel einer Radtour rückt es jedoch näher, eine Tour de Natur durch viel Grün.
Am ersten Augustsonntag findet jedes Jahr das Autofreie Weiltal statt. Auf der für den motorisierten Verkehr gesperrten und mit attraktiven Info-Ständen gesäumten Landesstraße zwischen Weilburg und Weilrod rollt dann geräuschlos der mit eigener Muskelkraft betriebene Verkehr.
Zugegeben, die E-Biker erscheinen in immer größerer Anzahl neben den reinen Muskelplagern, verständlich hier im Weiltal, das so harmlos nach Flussebene klingt, aber doch einige steile Anstiege birgt; wir sind ja im Taunus, das lässt sich nicht leugnen. Die autofreie Straße ist deutlich ebener und ohne Autos auch komfortabler. Deshalb strömen Besucher aus allen Ecken heute hierher. Zwanzigtausend sollen es nach Schätzungen der Polizei sein, die neue Wander- und Radfahr-Lust und wiederentdeckte Heimatliebe zeigt ihre Auswirkungen auch im Hintertaunus. Dabei hatte der Autofreie Weiltalsonntag auch schwierigere Zeiten erlebt, vor ein paar Jahren sah es mau aus mit der Veranstaltung, sie wurde abgesagt und dann doch im letzten Moment gerettet.
Wie jedes Jahr befindet sich unter den Ausstellern auch ein Info-Stand des ADFC Hochtaunus. Es ist schon Tradition, dass einige Mitglieder inklusive meines Mannes hier Fahrräder codieren, Kartenmaterial anbieten und verschiedenste Fragen beantworten. Und es ist auch Tradition geworden, dass ich ihn per pedale da am Nachmittag abhole. Alle Jahre wieder schwinge ich mich am ersten Augustsonntag in meinen Sattel und fahre die x-mal geradelte Strecke von Bad Homburg über Sandplacken, den Feldberg-Höhenweg, am Zacken vorbei nach Seelenberg. Vom Riedel-bacher Flugplatz an den Windrädern vorbei, auf der durch ihre Breite Schnellstraßendimensionen annehmenden, mit weißem Feinsplitt befestigten Forststraße sause ich zum Eichelbacher Hof und dann den R8 weiter runter nach Rod an der Weil. Die Strecke kenne ich auswendig, keine Navi-Unterstützung als Orientierungshilfe nötig.
Was ist diesmal anders? Viele Waldwege wurden mit einem befestigten Kiesbelag versehen, nun muss sich niemand bei Regen durch Matsch und Schmutz quälen, unsere legendären Herbsttouren zum Eichelbacher Hof, bei denen wir dreckverschmiert nach Hause kamen, sind passé, eigentlich schade. Dafür sind die Wege jetzt E-Bike-tauglich und vorbildlich ausgeschildert, auch im Hintertaunus. Aber nicht alle Wege lassen sich anstandslos zähmen. Da stand ich, vor einer Woche, auf der Feldbergflanke im Platzregen, die Sintflut um mich tobte längere Zeit und hat den Pfad regelrecht ausgeschwemmt und in einen Bach verwandelt. Der Mensch bessert jedoch unermüdlich nach und so hatte ich die Freude, mich heute auf den neuen spitzen Kiessteinchen, die unter meinen Reifen knirschten, mit für diesen neuen "Belag" eingesetzter Extra-Kraft hochzukurbeln.
Wie schon erwähnt, die neue -Bewegungslust, ausgelöst durch immer erschwinglichere Fitness-Gadgets, zaubert auch an früher vollkommen verlassene Streckenabschnitte bunt bekleidete Radfahrer und Wanderer, die irgendwie in ihr Sport-Revier gelangen müssen. Deshalb sind Waldparkplätze besetzt oder quellen regelrecht über und parkende Blechkarossen beanspruchen jeden freien noch erlaubten Quadratmeter Waldfläche, sei es am Forellenhof, Sandplacken oder bei Seelenberg. Dagegen ist der Parkplatz beim Eichelbacher Hof gähnend leer, Sommerpause, nur drei ratlose und scheinbar hungrige Radfahrer stehen vor dem geschlossenen Tor.
Auf der autofreien Weiltal-Strecke beobachte ich dann das bunte Treiben lycraüberzogener Sportkörper neben gemütlich auf dem Rad schaukelnder Opas und Omas in bequemem Freizeit-Look. Familienausflug mit Radanhänger für Nachwuchs, alle fahrbaren Gegenstände werden hier betrieben und vorgeführt, geparkt während der obligatorischen Wurstpause bei der Feuerwehr oder Kuchen bei den Landfrauen, da kann ich auch nicht widerstehen. Der Magen ist gefüllt, meine Sinne optisch und olfaktorisch gesättigt. Danach entführe ich Wolfgang von seinem ADFC-Dienst und wir tauchen in den nur ein paar hundert Meter entfernten stillen Wald auf der anderen Weilseite, schrauben uns hoch nach Oberlauken und folgen einem neu entdeckten Pfad nach Merzhausen. Kurzer Stopp am Grünwiesenweiher, wo überzeugte FKK-Anhänger auch zur späteren Stunde noch am Ufer verharren. Am Oberhainer Flugplatz werfen Flugzeuge in den letzten Sonnenstrahlen viel längere Schatten als sonst und dann ist es nur ein längerer Katzensprung nach Hause.
Haben eigentlich die Weiltalsonntag-Organisatoren einen Pakt mit Petrus geschlossen? Soweit ich mich erinnern kann, bis auf ein paar Tropfen hat es noch nie geregnet. Alle Jahre wieder… Wir sehen uns 2018.
Andrea Maier-Pazoutova