Foto: Bernd Georg
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Bei seinem Besuch am 3.8.2017 in Offenbach weihte Verkehrsminister Al Wazir ein Banner der Kampagne "Offenbach fährt fair" ein, für welche die Landesregierung dem ADFC Offenbach den Förderpreis
"Ort des Respekts" verliehen hat. Mit dem Minister freuen sich der ADFC-Vorstand und Multiplikatoren der Kampagne.
Foto: Bernd Georg
Der Sprung nach vorn
In Offenbach engagiert sich eine Koalition aus ADFC mit drei städtischen Institutionen für den Radverkehr
Wir Offenbacher waren schon ziemlich überrascht über eure Aufmerksamkeit: "Offenbach fährt vor!" stand auf der Titelseite der letzten Ausgabe. Vier Seiten Lob über das Aschenputtel vor der stolzen Großstadt F – eigentlich ein Unding! Oder doch nicht? Seitdem OFC und SGE drei Klassen auseinander liegen, ist der Ton eh schon nicht mehr so scharf wie einst. Aber solches Lobpreisen?
Ja, denn es hat sich wirklich viel verändert. Nicht nur haben wir den über den Main geschwappten Bauboom – wir haben auch einen Fahrradboom! Unsere Zählstation am R3 registriert bis zu 5.000 Fahrräder am Tag, und die Fahrradparkbügel an den Bahnstationen reichen schon längst nicht mehr.
links:
Der hessische Verkehrsminister Tarek Al Wazir bei der Verleihung der Urkunde "Ort des Respekts" im Gespräch mit dem ADFC-Vorstand (v. l.) Wofgang Christian, Andrea Golde und Detlev Dieckhöfer. Außerdem freuen sich Dr. Anna Sander und Heike Hollerbach vom Umweltamt Offenbach über die Auzeichnung.
Nicht zu übersehen in der linken Hand des Ministers: ein Exemplar der letzten Ausgabe von Frankfurt
aktuell
rechts:
Werbeposter für die Kampagne "Offenbach fährt fair"
Fotos: Bernd Georg
Was hat sich getan? Das ist eine falsche Fragestellung, denn "sich" tut sich schon mal gar nichts auf dem strukturell vernachlässigten Fahrradsektor, das wisst ihr aus eigener Erfahrung ebenso wie wir: In der Verkehrspolitik steht die Förderung des Radverkehrs weit, weit hinter der des Deutschen Lieblingsprodukts PKW zurück. Da muss schon mal ein unorthodoxer Zugriff in das kommunalpolitische Routinehandeln nach dem Motto "Da könnte ja jeder kommen!" geschehen, um dem Radverkehr einen "Sprung nach vorn" (Mao Tse-tung) einzuräumen.
Und das war vermutlich der Wendepunkt: Das ADFC-Mitglied Horst Schneider, seines Zeichens Oberbürgermeister und über die ADFC-Forderungen wohlinformiert, greift auf Förderpläne "seines" Bauamtes von 2008 zurück und lässt den dortigen Fahrradbeauftragten Schritt für Schritt drei größere Projekte auf den Weg bringen:
- Weitreichende Öffnung der Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung
- Freigabe der Fußgängerzone für in Schritttempo fahrende Radler
- Umfassende und einheitliche Beschilderung zur Lenkung des Radverkehrs.
Nichts von alledem war ohne Widerstand aus den autoverliebten Bevölkerungsschichten zu haben: Ärgerlich tönende Leserbriefe in der Offenbach-Post, Geschimpfe in der Fußgängerzone und Ablehnung einer großen Fraktion im Stadtparlament. Aber alle diese "Njets" waren kurzatmig, denn bald setzte eine stille Konsolidierung ein. Geholfen hatte dazu auch die Haltung einiger Fraktionen im Parlament, aber auch gemeinsame Info-Stände von Bauamt, Umweltamt und ADFC. Wie überhaupt diese Dreierkoalition in Zusammenarbeit mit der Offenbacher Projektentwicklungsgesellschaft OPG dauerhaft für weitere Maßnahmen zur Förderung des Radfahrens sozusagen "kämpft".
links:
links: An der Eröffnungsfahrt des Stadtradelns nahmen rund 20 Radler/-innen aus verschieden Teams unter Regie des ADFC teil.
rechts:
Andere Städte, ähnliche Probleme – hier zugeparkter Radstreifen in der Luisenstraße
Fotos: Detlev Dieckhöfer
Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die Kampagne "Offenbach fährt fair"! Seit drei Jahren werben wir in Gestalt dieser "Kooperative" mit diversen Werbemitteln für mehr Respekt und Freundlichkeit auf den Straßen, für Rücksichtnahme statt Aggressivität zwischen Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern. Unsere Kampagne hat sogar die finanzielle und ideelle Unterstützung des Hessischen Ministerpräsidenten gefunden!
Nun sind wir noch lange, sehr lange nicht am Ziel: der Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer in den baulichen und steuernden Voraussetzungen der Verkehrsanlagen. Von den einfachen Plagen wollen wir gar nicht erst reden, wie schlauch- und felgenmordende Radwegauffahrten, falls dieselben überhaupt befahrbar sind! Nein, es geht uns in Offenbach um die Beseitigung der schwersten Mängel. Insbesondere sind dies die fehlenden Radwege oder Radstreifen an den Ausfallstraßen, denn nur eine von fünf hat eine akzeptable Qualität. Darüber hinaus fehlt es überall an geeigneten Abstellmöglichkeiten – und ein gelber Pfeil für rechts abbiegende Radfahrer wäre ein interessantes Fernziel. Alles Hürden für viele Leute, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen.
Mit unserem jüngsten Coup spielen wir allerdings schon Zukunftsmusik: Wir haben sechs Fahrradstraßen mit Anbindungen an die Nachbargemeinden beim Bundesumweltministerium beantragt – die 5-Millionen-Zustimmung haben wir bereits, es fehlt nur noch die Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung. Darüber berichten wir in der nächsten Ausgabe.
Wolfgang Christian