Editorial
Fake. Das Wort ist in aller Munde, es begegnet uns täglich in den Medien. Mit "Schwindel" übersetzt es die Dudenredaktion, oder, schlimmer noch, mit "Fälschung". Kaum ein Begriff aus dem Englischen hat in so kurzer Zeit Eingang in unsere Alltagssprache gefunden. Dabei ist "Fake" nichts Neues. Schon immer wurde geschwindelt, wurde blauer Sommerhimmel in Urlaubsprospekte montiert, wurde der perlende Schaum in der Bierwerbung mit Spülmittel erzeugt oder wurden in Ungnade gefallene Personen nachträglich aus Fotos entfernt.
Irgendwie ist es manchmal gar nicht so leicht, bestimmte Stimmungen mit einem einzigen Bild einzufangen. Für die Titelseite sichtete ich dutzende von Aufnahmen mit Radfahrenden vor der Zählstelle am Offenbacher Hafen. Als Fotograf sehe ich einen Strom von Velos an der Säule vorbeiziehen – vermeintlich dicht an dicht, Berufsverkehr auf dem Mainradweg. Zuhause dann, auf dem Bildschirm des Rechners, ist diese Dichte, diese Menge an Fahrrädern, kaum zu erkennen. Weit auseinander gezogen rollen sie dahin, anders als bei einer Etappe der Tour de France, auf der das Peloton dicht gedrängt vorüber rast. Da muss bei uns, im Radverkehrsalltag, nachgeholfen werden. Die Radler im Bild rücken enger aneinander und der auf einem anderen Foto eingefangene Velofahrer wird von seiner Partnerin getrennt und ins Titelbild verfrachtet. Damit sind es dann immerhin vier, die euch auf engem Raum zeigen sollen, dass in Offenbach Rad gefahren wird. Fake? Ja und nein. Die Radelnden waren da, nur nicht alle im gleichen Augenblick. Dass sich in Offenbach viel getan hat in Sachen Radverkehr, ist ebenfalls eine Tatsache. Die anderen Bilder im Heft? Alles echt, ehrlich!
Eine "Fahrrad-Professorin" aus den Niederlanden, Referentin bei einer Veranstaltung des ADFC Hessen, äußerte sich skeptisch darüber, dass der Radverkehrsanteil in Frankfurt bei rund 15 Prozent liegen soll. Wo sie denn seien, die vielen Radfahrer, fragte die Professorin etwas provozierend in die Runde. Man müsste sie doch sehen in der Stadt. Ein Fake, die 15 Prozent? Zählen wir anders als die Niederländer? Fakt (nicht Fake) ist, dass dort mehr Menschen aufs Rad steigen als bei uns. Fakt ist auch, dass in den welligen Regionen im Süden des Landes weniger Rad gefahren wird als in den flachen Provinzen. Prompt liegt der Anteil der übergewichtigen Einwohner im Süden deutlich über dem in anderen Landesteilen. Kein Fake, behauptet die Fahrrad-Professorin.
Guten Appetit, vor allem aufs Radfahren, wünscht
Peter für das Redaktionsteam