Drahtesel und andere große Tiere II
...oder: Bad Homburg zum Letzten
In der Juli-Nummer dieser Zeitschrift stand wörtlich: "Die großen Tiere also haben nach der Kommunalwahl vereinbart, den Radfahrern ein Stück der Bad Homburger Fußgängerzone zu öffnen, nämlich den oberen Teil zwischen Dorotheenstraße und Schulberg."
Meine Zweifel daran wurden am 17.9. bei einer Stadtrundfahrt mit einem der beiden Koalitionspartner glänzend bestätigt.
Die Teilnehmer dieser kleinen Radtour durch die Innenstadt erfuhren, dass die vereinbarte Freigabe von etwa 100 m Fußgängerzone nicht stattfinden wird, weil dann ja noch mehr Radler den Schulberg auf dem Gehweg oder auf der Straße entgegen der Einbahnrichtung befahren würden. Das ist eine charmante Begründung echt Bad Homburger Art. Aber es geht noch besser: Man könnte ja jetzt fordern, auch den Schulberg zum Radeln entgegen der Einbahnstraße freizugeben. Charmantes Gegenargument echt Bad Homburger Art: Dann müsste man den Schulberg vorher monatelang sperren und umbauen. Das wiederum würde die Geschäftsleute der Wallstraße und der Haingasse auf die Barrikaden treiben, weil die unlängst lange unter Bauarbeiten schwer gelitten hätten.
Die Wahrheit ist nicht Bad Homburger Art: Ein mittelmäßig begabter und ausgestatteter Bautrupp könnte drei zusätzliche Verkehrsschilder montieren, die völlig überflüssigen Parkplätze am Schulberg beseitigen, bergab einen Radschutzstreifen markieren und das Radeln entgegen der Einbahnstraße ermöglichen. Das würde etwa zwei Stunden dauern, keine Geschäftsleute belästigen, den Bussen bergauf genügend Platz schaffen und den Radlern das Durchqueren der Innenstadt ermöglichen.
Nadelöhr Thomasstraße
Foto: Günther Gräning
Aber gemäß echt Bad Homburger Argumente geht das alles nicht. Lieber schickt man Busse aller Bad Homburger Linien, Taxis, Lieferverkehr, Pkw und (mutige) Radler in beiden Richtungen durch das finstere Nadelöhr Thomasstraße (siehe Foto) und steigert das Chaos durch ein paar überflüssige Parkplätze, die hier die Straße auf eine Spur verengen.
Noch ein Beispiel echt Bad Homburger Argumente gefällig? Bitte sehr:
Bad Homburg verehrt Kaiser Wilhelm II. und Hindenburg, letzteren durch Benennung einer nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten vierspurigen Hauptstraße als "Hindenburgring". Forderungen, die Straße umzubenennen, werden regelmäßig abgewiesen mit dem Hinweis, Hindenburg habe Hitler zwangsläufig zum Reichskanzler ernennen müssen. Das ist in mehrfacher Hinsicht echt Bad Homburger Argumentation: Laut Weimarer Verfassung wurde der Reichskanzler nicht, wie heute in der Bundesrepublik, gewählt, sondern vom Reichspräsidenten ernannt. Hindenburg hätte jeden anderen ernennen können, auch sich selbst vermutlich. Aber darum geht es gar nicht. Hindenburg hat die fatale "Dolchstoßlegende" zu verantworten und Hitler zu seiner ersten Mordserie gratuliert; diesem Mann gebührt nur Verachtung. Und als Warnung für die Bad Homburger Verkehrspolitiker: Wilhelm II., der mit seiner Begeisterung für Autorennen im Taunus sozusagen der Urvater der Bad Homburger Verkehrspolitik ist, musste in seinen letzten Lebensjahren in seinem holländischen Exil in Doorn ganztägig Holz sägen!
Zum Letzten: Ich erkläre Bad Homburg zu einem hoffnungslosen Fall!
Günther Gräning