Parkplatznot in Frankfurt – aber diesmal anders!
Abstellen wo es grade noch geht, Hauptsache Metallstange: Nähe Koselstraße
Foto: Bertram Giebeler
Ein Auto in der Frankfurter Innenstadt abzustellen ist in der Regel gut möglich, wenn man ein paar Euro zahlt und ein paar Minuten bis zum Ziel läuft. Die Parkhäuser in der City sind nur im Vorweihnachtstrubel richtig voll. Im Gründerzeitgürtel der angesagten Wohnviertel rund um die City gilt für Autobesitzer das Mikado-Prinzip: wer sich bewegt, hat verloren, nämlich den Parkplatz. Also besser Karrosse stehen lassen, nur im Notfall nutzen und Merkzettel machen wo die Kiste steht, sonst vergisst man's und findet sie nur mit Mühe wieder. Sachsenhäuser oder Nordendler, die sich dort den Luxus eines Privat-PKW genehmigen, kennen das seit Jahren und sind es gewohnt.
Seit aber der Radverkehrsanteil in Frankfurt steigt und steigt, kann man ein neues Phänomen beobachten: Parkraumsuchverkehr mit dem Fahrrad. Rund um die Konstablerwache und deren Nebenstraßen irrlichtern Rad fahrende oder schiebende Menschen mit suchendem Blick hin und her, auf der Suche nach irgendeiner Metallstange, an der sie ihr Rad anschließen können. In den Gründerzeit-Wohnvierteln sieht man die abenteuerlichsten Varianten, Fahrräder irgendwie an Zäune und Gitter anzuschließen. Es ist schließlich reine Glücksache, ob es daheim im Wohnhaus überhaupt Platz zum Abstellen und einen verständigen Vermieter oder Hausverwalter gibt.
Der "ruhende Radverkehr" gehört zu den Problemen, mit denen sich der neugewählte Verkehrsdezernent Klaus Oesterling und seine Referenten in nächster Zeit systematisch befassen müssen. Der Spruch auf dem Titel dieses Heftes "...mehr Bügel..." ist dabei natürlich eine plakative Vergröberung. Es geht nicht darum, ganz Frankfurt zuzubügeln, sondern gezielt dort, wo der Bedarf wirklich größer ist als das momentane Angebot, alle Potenziale für Abstellmöglichkeiten kreativ auszuschöpfen. Dabei können auch andere technische Varianten zum Einsatz kommen als der in Frankfurt übliche Omega-Bügel. Es muss dabei auch bedacht werden, dass ein gutes Angebot sich seine Nachfrage schafft: gute Abstellmöglichkeiten ermuntern Menschen zum Radfahren, die das derzeit noch nicht tun. Das erfordert dynamische Planungsansätze.
Der dringendste Mehrbedarf besteht derzeit an drei Lagetypen:
- Der City-Hauptkorridor zwischen Konstablerwache und Opernplatz
- die Gründerzeitwohnviertel rings um die City und deren Hauptstraßen für Einkauf und Gastronomie
- bestimmte Knoten des S- und U-Bahnnetzes mit hohem Bike+Ride-Potenzial.
Sonder-Lagen sind darüber hinaus der Hauptbahnhof, die Einkaufszentren sowie große Sportstätten und Veranstaltungshallen.
Jedes dieser Lage-Szenarien erfordert differenzierte Lösungsansätze.
Die City
Eins ist klar: noch mehr Bügel auf die Zeil stellen als jetzt schon geht nicht. Eine der B-Ebenen zum Fahrradparkhaus umzurüsten geht entweder gar nicht oder wäre extrem teuer (Konstablerwache, Hauptwache), oder es ginge am Bedarf der Radfahrer vorbei (Eschenheimer Tor, Willy-Brandt-Platz). Wir hatten das Thema schon vor vier Jahren in Ausgabe 6-2012: wichtigster Hebel ist die systematische Versorgung der Zeil-Nebenstraßen, nahen Zeil-Parallelstraßen und der Plätze rund um Zeil/Hauptwache mit vielen kleinen Gruppen von Abstellbügeln. Auch Radfahrer nehmen in Kauf, ihr Gefährt nicht überall direkt vor der Ladentür abstellen zu können.
Es sind schon einige solcher Bügel-Gruppen vorhanden, vielerorts ist aber noch eine Menge Spielraum. Poller, die außer der Sperrwirkung keine Funktion haben, sollten durch Bügel ersetzt werden, wo dies den Fußgängerverkehr nicht behindert. Dies muss unbedingt im Rahmen der derzeit laufenden und geplanten Umbaumaßnahmen berücksichtigt werden. Architekten und Planer müssen sich generell von der Vorstellung lösen, abgestellte Fahrräder verunzierten das Stadtbild. Das tun schon eher mannshohe pechschwarze 3-Tonnen-SUVs, die in Frankfurt manche Straße verdunkeln.
Die Gründerzeit-Wohnviertel
Hier haben wir ein echtes Mengen- und Platzverteilungsproblem. Der Radfahreranteil ist hier am größten, die Abstellbedingungen in den meist privaten Wohnhäusern aber am schlechtesten – es sei denn es gibt Hinterhöfe oder Hofdurchfahrten und die Eigentümer spielen mit. Hauseigentümern sollte die Stadt (evtl. in Zusammenarbeit mit Haus & Grund) eine Beratung über die vorhandenen technischen Lösungen anbieten – als ADFC werden wir in letzter Zeit öfter dazu angefragt und machen das dann auch. Die Immobilienbranche, auch die private und nicht nur die ABG, muss sich dem Thema weiter öffnen. Für so manche Mieter und auch Eigentums-Bewohner ist heute das sichere und komfortable Fahrradabstellen wichtiger als der Auto-Parkplatz direkt vor der Haustür.
Der öffentliche Raum ist denkbar knapp. Bürgersteige sind oft eng und auch noch halb beparkt. Die Möglichkeit, dort zusätzliche Fahrrad-Abstellanlagen aufzustellen, ist sehr begrenzt. Wir begrüßen zwar das aktuelle Angebot der Stadt, an einigen Stellen anmietbare Gruppen-Boxen aufzustellen, aber das Mengenproblem ist so nicht zu lösen. An Kreuzungsbereichen und an den neuen "Gehwegnasen" gibt es noch etwas Spielraum, u.&xnbsp;a. nach dem Prinzip Bügel statt Poller, aber viel geht da nicht mehr, und Fußgänger (auch Seh- und Gehbehinderte) müssen ja auch noch durchkommen.
Es führt kein Weg dran vorbei: PKW-Parkplätze müssen für Fahrradparkplätze umgerüstet werden. Es ist nicht länger einzusehen, dass der Straßenraum-Anteil des ruhenden Verkehrs nur vom Kfz beansprucht wird. Wenn in Gründerzeit-Wohngebieten nur jeder 40ste PKW-Parkplatz (auf einen passen vier Bügel, also acht Fahrräder) umgerüstet wird, kommt man dem Mengenproblem schon ernsthaft bei. Die bislang einzige bdquo;Pioniertat" in dieser Sache in der Zeißelstraße im Nordend ist seit Jahren leider ein singulärer Einzelfall. Das darf nicht so bleiben!
Das muss es bald öfter geben: Bügelgruppe auf ehemaligem Parkplatz, Zeißerstraße
Foto: Bertram Giebeler
Die ÖPNV-Knotenpunkte für Einpendler und Auspendler
Wir hatten das Thema bike + ride schon vor knapp 2 Jahren, in Ausgabe 6-2014: bei der smarten Kombination von Rad und ÖPNV kann Frankfurt noch eine Menge nachholen und auch von anderen Städten lernen. Die Kombination Rad / ÖPNV macht insbesondere für Berufspendler Sinn, wenn der Weg zur Arbeit zum Durchradeln zu lang ist oder ernsthafte Anstiege erfordert. Also sind für Einpendler in die City Knotenpunkte am Stadtrand interessant, nicht so sehr in Citynähe. Von Bockenheim radelt jede/-r gleich durch, von Höchst schon nicht mehr. Richtige Mengenpotenziale sehen wir insbesondere an den Knoten Höchst, Heddernheim, Riedberg (Steigung, hat schon recht ordentliches Abstellangebot) und Enkheim. Auch die VGF müsste ein Interesse an gut funktionierender Rad/ÖPNV-Verknüpfung haben, denn wer das macht, der ist meist auch Dauerkarten-Kunde.
links: So etwas ginge doch auch in Frankfurt: U-Bahn / Bus – Hub Kieferngarten in München, 300 Fahrrad-Abstellplätze, überdacht, kostenlos, unbewacht.
Foto: Bertram Giebeler
rechts: Schlecht ausgeschildert und hinter Baucontainern kaum zu finden: Einfahrt zum neuen Fahrradparkhaus an der Südseite des Hauptbahnhofs
Foto: Peter Sauer
An großen ÖPNV-Knoten, wo es um hunderte von Fahrrädern geht. reichen die Bügel nicht mehr aus, man braucht Doppelstock-Parksysteme. Die Variante bdquo;kostenlos, aber unbewacht" funktioniert bei großen Anlagen ganz gut. Wo viele Räder stehen, besteht für den Fahrraddieb das Risiko, dass ständig jemand vorbeikommt, um sein Rad abzustellen oder abzuholen – ungestörtes Durchschneiden oder Durchflexen eines Stahlbügelschlosses geht so nur schlecht. Die größte Abstellanlage dieser Art, die der Autor in Deutschland kennt, ist die am Bahnhof München-Pasing mit rund 2.000 Abstellplätzen. Auch die Anlage in Berlin-Pankow mit gut 600 Plätzen schafft schon was. In den Niederlanden plant man solche Anlagen in noch ganz anderen Dimensionen, etwa in Utrecht, Hollands größtem Bahnknoten: 12.000 (!) Fahrradabstellplätze wird es dort nach dem jetzt laufenden Umbau des Bahnhofsgebiets geben. Stadt und VGF sollten sich zusammensetzen und eine gemeinsame Maßnahmeplanung vereinbaren.
Sonderfälle
Der wichtigste Sonderfall ist der Frankfurter Hauptbahnhof. Frankfurt hat immerhin auch 60.000 Auspendler täglich. Für viele von ihnen ist der Hauptbahnhof der Startpunkt des Wegs nach Wiesbaden, Darmstadt, Mannheim oder anderswohin. Wir begrüßen daher, dass auf dem Platz südlich des Hauptbahnhofs in dem neuen Parkhaus auch eine Fahrradabstellanlage gebaut wurde (siehe auch die zwei vorigen Ausgaben dieser Zeitschrift). Es ist eine bewachte Anlage, die Abstellgebühr halten wir für fair. Leider ist die Einfahrt zu der Anlage aufgrund der etwas chaotischen Situation rundherum (Baustelle, Fernbus-Haltepunkt) für manche schwierig zu finden, aber das wird sich bald ändern. Wir können jedem, der vom Hauptbahnhof auspendelt, nur empfehlen, die Anlage für sein Rad zu nutzen. Im Umfeld des Frankfurter Hauptbahnhofs ist eine bewachte Anlage sicher nicht verkehrt. Weiterhin sehr schwach ist das Angebot direkt am Bahnhofsvorplatz, für Leute, die kurz am Bahnhof oder in den vielen Läden dort etwas zu erledigen haben.
Sonderfälle anderer Art sind die Einkaufszentren Nordwestzentrum und Hessen-Center sowie das nagelneue Skyline-Plaza. Bei letzterem hat unter anderem die Vorsprache von ADFC-Aktiven aus dem Europaviertel dazu beigetragen, dass eine doch ganz beachtliche Zahl von Abstellbügeln rundherum aufgestellt wurde. Man hat beim Center-Management (ECE, Hamburg) begriffen, dass ein so zentral gelegenes Center sich den radelnden Kunden aus den Nachbarstadtteilen öffnen muss. Beim Nordwestzentrum gibt es offenbar das Pro-blem, dass der Investor Radfahrer irgendwie nicht mag. Rundherum gibt es Radfahrverbote, die wenigen Abstellanlagen sind meist minderwertig, es ist erkennbar nicht das Ziel, Einwohner der Umgebung zum Einkaufen per Rad zu ermuntern. Manche tun dies dann trotzdem, bringen ihr Rad mitten rein in die Shoppingzone und schließen es am Edelstahl-Treppengeländer fest – auch nicht Sinn der Sache. Das Hessen-Center hatte noch nie den Ehrgeiz, radelnde Käufer gezielt anzusprechen. Die Hauptzielgruppe soll wohl eher aus den östlichen Vororten über die A66 mit dem Auto kommen, oder mit U4/U7 aus Ostend/Bornheim/Riederwald. Das Abstellangebot ist derzeit entsprechend.
Frankfurter Bügel – Für und Wider
In Frankfurt wird seit Jahren ein Omega-förmiger dunkelgrauer rundrohriger Abstellbügel im öffentlichen Raum verbaut. Im privaten Bereich gibt es oft andere Bügelformen, die manche Architekten für schöner halten, etwa große schlanke eckige in Massiv oder gar elegant aussehende bdquo;Haarnadel-Bügel" aus Edelstahlrohr. Der Frankfurter Bügel mag nicht der Gipfel der Designkunst sein, hat aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber seinen auf Ästhetik konzipierten "Kollegen": man kann Fahrräder unterschiedlicher Rahmenform und -größe an ihm anschließen, bis zu Kinderfahrrädern. Er bietet sogar ein gewisses Maß an Standsicherheit des Rades, weil der Rahmen an mehreren Stellen nahe am Bügel ist. Außerdem ist seine optische Unauffälligkeit durchaus gewollt, leere Bügel sollen im Straßenbild nicht zu sehr auffallen.
Gilt unter Designern und Architekten nicht unbedingt als der letzte Schrei, findet aber unter Rad fahrenden großen Anklang: Der omegaförmige Frankfurter Bügel
Foto: Peter Sauer
Die mangelnde Standsicherheit und die mangelnde Radfixierung ist aber der generelle Schwachpunkt aller Bügel-Lösungen. Das Rad kann umfallen, und dem Kontakt ans Nachbarrad an empfindlichen Systemteilen beim Ein- und Ausparken wird konstruktiv nichts entgegengesetzt. Deshalb bekommen Bügel auch nicht das ADFC-Zertifikat, im Unterschied zu Systemen mit definierter Radposition.
Diese können wiederum andere Nachteile haben. Sie sind oft unflexibler im Platzanspruch und daher im Bürgersteigumfeld schwierig zu positionieren. Im unbelegten Zustand fallen einige Modelle massiv auf, und schön findet das nicht jeder. Sie sind schwieriger von herumfliegenden Abfällen zu befreien, ja einige sammeln diese sogar regelrecht ein.
Wir haben es in Frankfurt bisher so gehalten und wollen das auch weiterhin, dass wir gegenüber der Stadt nicht gegen den Omega-Bügel anargumentieren. Frankfurts Radfahrer/-innen mögen ihn, so jedenfalls sind fast alle Feedbacks die wir bekommen. Er hat seine Schwächen, das muss man wissen. Ein daran abgestelltes Alltagsfahrrad muss halt ein bisschen was vertragen können. Der Autor stellt sein Rad (Mittelklasse-Trekkingrad) seit es sie gibt an Frankfurter Bügeln ab, mehrmals täglich, das ganze Jahr. Ein paar Kratzer am Rahmen wird das wohl verursacht haben, einen richtigen Schaden noch nicht.
Bertram Giebeler