Statt konvex eher konkav
Rad-Gedanken zur wassergebundenen Oberfläche
Wenn mal ein Loch drin ist und sich die erste Pfütze in der wassergebundenen Oberfläche bildet...
Foto: Peter Sauer
Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich auf meine alten Tage noch einen Artikel zum Fahrradfahren auf verdichtetem Schotter schreiben würde – aber alles der Reihe nach:
Schlag nach bei Wiki: Eine wassergebundene Decke ist ein Fahrbahnbelag für befestigte Straßen und Wege, die aus einem gebrochenen Natursteinmaterial besteht. Das Material wird dabei weder von hydraulischen noch bituminösen Bindemitteln zusammengehalten. Diese Art von Straßen-belag eignet sich nur für Verkehrswege mit geringer Verkehrsbelastung und geringer Reisegeschwindigkeit. Der oberste Belag ist etwa vier Zentimeter dick und liegt wiederum auf einer sechs Zentimeter dicken dynamischen Schicht zur Druck- und Schubübertragung. Darunter liegen Frostschutzschicht und der tragfähige Unterbau. Der Oberbau wird feucht aufgebracht, anschließend verdichtet (gewalzt) und dann einige Wochen nicht befahren. Die Einwaschung der obersten Schichten sorgt dann für die Entstehung einer kompakten Struktur. Kennzeichen eines Weges mit richtig ausgeführter wassergebundener Decke ist, dass auch schmale Reifen mit hoher punktueller Druckbelastung auf diesem keine Spuren zurücklassen, und der Fahrwiderstand bei geringer Geschwindigkeit auf ihnen vergleichbar ist mit dem auf durchschnittlichen Asphaltdecken.
Des Sonntags radle ich super gerne auf genau dieser Art von "Schotter", lasse den Gedanken freien Lauf und genieße Luft und Landschaft und…
Uups, was passiert denn hierrrrrrrrrrrrrrrr?
Da bricht dieser schöne Weg plötzlich ab und geht nahtlos über in ein Stück "reparierten" Radwegs. Da wurden große und kantige Kiesel locker in die Löcher geschmissen, die sich in der wassergebundenen Oberfläche gebildet haben. Das ist halt ihr Nachteil: Wenn mal ein Loch drin ist und sich die erste Pfütze in der wassergebundenen Oberfläche bildet, dann wird ganz schnell aus der kleinen Pfütze eine größere und bald ein Loch.
Und noch ein Loch und noch eins….
In der Zwischenzeit kann die Freizeitradlerin alles außer die "Gedanken fließen lassen". Stattdessen ist anspruchsvolles Slalomfahren gefragt – weniger wegen der Pfützen, eher wegen dieser blöden Kiesel, auf denen man schnell rutscht und unentwegt hoppelt. Bin doch kein Osterhase.
Dann plötzlich eine Rinne!?!
Klar, hier schlägt die Physik zu: Wasser fließt den Berg runter und wenn der Weg statt konvex eher konkav angelegt wurde (immer an die Eselsbrücke "der Popex ist -konvex" denken), führt der erste Platzregen zu einer ganz schmalen Rinne, die dann größer wird und irgendwann aussieht wie Bachbetten eben aussehen – vor der Kanalisierung. Und dann kommt wieder der oben beschriebene Reparatur-Schotter und den Berg geht's immer noch hoch. Obwohl ich keine schmalen Reifen fahre, bin ich mittendrin im MTB Training für Anfänger.
Vollbremsung, ich stehe vor einem Anlieger-Kfz
Nichts gegen Menschen, die ihre Freizeit statt auf einem Drahtesel lieber auf einem richtigen Pferd verbringen, aber die inflationäre Zunahme der Reiterhöfe im Rhein-Main-Gebiet ist verbunden mit einer ebensolchen Zunahme an so genanntem Anliegerverkehr. Gerade am Wochenende teilen sich Freizeitradler, Freizeitreiter und Freizeit-Anlieger-Autos die ohnehin nicht für tonnenschwere SUVs gemachten wassergebundenen Oberflächen. Geht's noch?
Wieder aufsitzen, und alles wird gut, denn da vorne ist die Schranke
Im Fachjargon "Umlaufsperre" genannt, schützen diese rot-weißlackierten Gesellen den nicht motorisierten Freizeitverkehr vor den unendlichen Staubwolken, die auf wassergebundenen Oberflächen in Kauf genommen werden müssen, wenn Autos auf ihnen unterwegs sind. Egal wie langsam und rücksichtsvoll sie auch fahren. Aber bevor ich dieses sichere Terrain erreiche, gilt es, eine letzte Hürde zu nehmen.
Langsame Schlangenbewegung im Sandbett
Natürlich umrunden alle Fußgänger, Radfahrer, Kinderwagen, Hunde, Pferde und sonstigen Verkehrsteilnehmer mit Eigenantrieb die Schranke an der einen Stelle, an der man eben vorbeikommt. Die Konsequenz? Auf rund einem halben Quadratmeter ist eine zentrale Bedingung für die wassergebundene Oberfläche, nämlich wenig starkes Verkehrsaufkommen, absolut nicht gegeben: An dieser Schlängelbewegung führt kein Weg vorbei, und tausend Schlängler ergeben eben Sand… Voll konzentriert erreiche ich das gelobte Land, und bald lasse ich meinen Gedanken wieder freien Lauf und genieße Luft und Landschaft bis
... uups, was passiert denn hierrrrrrrrrrrrrrrr?
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Grundsätzlich könnte Fahrradfahren auf verdichtetem Schotter echt schön sein.
Gabriele Wittendorfer