Editorial
Auch in Großbritannien ist das Fahrrad auf dem Vormarsch, es hinterlässt sichtbare Spuren im Linksverkehr. Ich belächele zwar die dürftigen Radstreifen entlang mancher Hauptstraße oder die Schildchen, die vor der neuen Tram in Edinburgh warnen ("Caution, Tram Tracks"), nehme diese Dinge aber als Indiz dafür, dass es im (noch) Vereinigten Königreich mit dem Radverkehr langsam voran geht. Innerlich moniere ich etwas überheblich die Wegeführung von Radfernwegen und deren Qualität, bin aber froh, überhaupt eine Beschilderung im National Cycle Network zu finden, die uns davor bewahrt, im ländlichen Straßennetz den Überblick zu verlieren. Unterstützt wird meine leichte Frankfurter Überheblichkeit durch Engländer, die nach einer Radtour in Süddeutschland vom deutschen Radwegenetz und, als sei das nicht genug, von der Deutschen Bahn und der deutschen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft schwärmen. Letzteres verblüfft uns ein wenig, aber beim Radwegenetz fühlen wir uns ganz obenauf und halten deutsche Verhältnisse den britischen für weit überlegen. Dass im diesjährigen Tour de France-Fieber (drei Etappen fanden auf englischem Boden statt) eine Brauerei in Newcastle "Peloton Pale Ale" abfüllt, "Gebraut, um die britische Fahrradkultur zu feiern", amüsiert uns zwar, kommt aber gegen unsere Gesamteinschätzung kaum an.
Auf der Rückreise ins Rhein-Main-Gebiet legt die England-Fähre gut 20 km vor Amsterdam an. Vom Fähranleger führt eine breite Fahrradstraße in die Stadt. Jede Kreuzung, jeder Abzweig auf dieser Strecke ist beschildert, zuverlässig erreichen wir die City auf separaten Rad-"Straßen". Ohne Karten, ohne Navigationsgerät finden wir den Bahnhof, leicht gestresst nur vom brandenden Radverkehr in der niederländischen Metropole.
Meine Frankfurter Überheblichkeit ist schlagartig verschwunden, zwischen all den Amsterdamer Fahrrädern wird mir bewusst: Es gibt noch enorm viel zu tun, um Frankfurt wirklich fahrradfreundlich zu gestalten. Die Messlatte liegt hoch, sehr hoch, und wir sind weit entfernt davon, sie zu touchieren. Auch, wenn wir schon länger "Radler" trinken als die Radfahrer in Newcastle "Peloton Pale Ale".
Es gibt auch Gutes zu vermelden: Weniger Unfälle mit Radfahrerbeteiligung, sagt die Frankfurter Polizei, trotz steigendem Radverkehr. Wegen steigendem Radverkehr, meinen wir (Seite 14)!
Passt trotzdem auf Euch auf im (hoffentlich) unfallfreien Sommer.
Peter für das Redaktionsteam