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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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"> Foto: Peter Sauer

Frankfurt nimmt sich was vor

Eine gewaltige Aufgabe für die nächsten Jahre – das Netzkonzept für Radverkehr und Wegweisung

Die Vorarbeiten haben lange gedauert, über ein Jahr. Viele ADFCler haben ihre Ortskenntnis eingebracht. In Zusammenarbeit mit dem Radfahrbüro wurde das Ganze systematisiert, digitalisiert, vom Amt für Mobilitätsplanung nochmals überarbeitet, mit anderen Behörden wie dem Stadtplanungsamt und dem Grünflächenamt abgestimmt, dann zu einer Vorlage verdichtet. Nun ist es endlich im Magistrat beschlossen worden und für alle Bürger im Parlis-Informationssystem des Stadtparlaments mit Kartenanhang zugänglich unter B - 108 - 2014. In Frankfurt wird ein netzförmiges, stadtweites System von Radverkehrsverbindungen eingerichtet und auch ausgeschildert werden. In vielen Städten wie Berlin, Karlsruhe, Bremen, Essen, Köln, aber auch im suburbanen benachbarten Main-Taunus-Kreis gibt es das schon. Wir vom ADFC begrüßen diesen Beschluss!

Geradelte Realität: Das Netzkonzept
Das Netzkonzept ist aus Sicht des Verkehrsdezernats die den heutigen Erfordernissen angepasste Weiterentwicklung der 1992 und 2005 im Stadtparlament beschlossenen Radroutenkonzeption. Das neue Radverkehrsnetz ist streckenmäßig größer als die Summe der "alten" Radrouten. Diese sind weitestgehend Bestandteil des neuen Netzes. Über die wegweisende Beschilderung bleiben viele von ihnen sogar in ihrem Routencharakter faktisch erhalten. Der Grundansatz des neuen Netzkonzepts ist aber, dass Frankfurts Radfahrer/-innen sich im Alltagsverkehr nicht an Routen orientieren, sondern von A nach B den für sie besten Weg wählen. Der reale Bedarf an gut zu beradelnden Wegeverbindungen innerhalb Frankfurts und in die Nachbarkommunen spiegelt sich in einer Netzstruktur wieder – das sehen wir auch so, tragen diesen Grundansatz mit und haben entsprechend an der Konzeption mitgearbeitet.

Alt, aber verdienstvoll: die F-Radrouten aus den 90ern
Die "alten" F-Radrouten waren als komplette Routen auf voller Länge oft eine kostenträchtige Sache (dabei aber immer noch günstiger als alle Straßen- und ÖV-Baumaßnahmen) und manchmal sperrig für die Beschlussfassung im städtischen Haushalt. Sie hatten dennoch einen unschätzbaren Effekt: Nur dadurch, dass auf einer Radroute eine angemessene Qualität der Befahrbarkeit von vornherein Bedingung war, musste die Stadt Geld investieren, um diese Qualität auch baulich sicherzustellen.

Zum Beispiel wären komfortable Querungen für den Radverkehr wie die über den Alleenring an der Burgstraße oder über die Eschersheimer Landstraße an Grüneburgweg/Fichardstraße nie entstanden, wenn diese nicht Bestandteil einer Radroute gewesen wären. Das gleiche gilt für Zweirichtungsradwege wie an der Hammanstraße oder für komfortable breite Radwege und Radstreifen wie an der Hansaallee und (künftig) an der Alten Brücke, sowie für so manchen Schutzstreifen, Radfurt, Aufstellfläche vor Ampeln etc. Die "alten" Routen waren nie dazu da, den Radverkehr künstlich zu kanalisieren. Das können sie auch gar nicht, das lassen Radfahrer/-innen schlichtweg nicht mit sich machen. Ohne die F-Routen gäbe es in Frankfurt aber heute überhaupt keine bauliche Qualität der Radverkehrsverbindungen. Wir würden hier noch mitten in den 70er Jahren stecken.

Das neue Netz – eine Dauerbaustelle für Jahre!
An vielen Stellen stecken wir tatsächlich noch in den 70ern. Auch da, wo wir laut Netzkonzept eigentlich Rad fahren können sollten. Die Mindestanforderung dafür, eine Verbindung von A nach B mit einer Wegweisung den Radlern zu empfehlen, ist die durchgängige, sichere, legale und umwegarme Befahrbarkeit für nicht behinderte, aber auch nicht sportliche Menschen. An vielen Stellen des neuen Netzes geht dies aber schlichtweg noch nicht. Einige Beispiele unter vielen:

  • Die Radverbindung zwischen Nieder-Erlenbach und Nieder-Eschbach gibt es überhaupt noch nicht.
  • Die westliche City-Tangente entlang der Bahnline Ginnheim – Bockenheim – Gallus – Niederrad ist gleich an mehreren Stellen nicht vorhanden, legal gar nicht und physisch nur für Cracks befahrbar: die Galluswarte von Nord nach Süd zu queren geht nur als Fußgänger, die Mainbrücke erfordert Kraft zur Überwindung einer 15-Prozent-Rampe und danach eine Trageaktion auf einer steilen Treppe.
  • Auf der Strecke City – Höchst fehlt der Durchstich am Ende der Frankenallee.
  • Auf der an sich schönen Nordtangente Seckbach – Unfallkrankenhaus – Dornbusch – Bundesbank – Niddapark muss an der Fußgängerbrücke am BGU-Klinikum eine Treppe überwunden werden.

Dies sind nur einige wenige Beispiele. Beim Radfahrbüro wurden 120 Lücken an den Strecken des Radverkehrsnetzes identifiziert – Lücken meint nicht Komfortprobleme, sondern ein ernsthaftes Hindernis, um legal von A nach B zu kommen. Diese Hindernisse sind oft nicht einfach mit ein bisschen weißer Markierungsfarbe zu beheben, sondern erfordern ernsthafte bauliche Investitionen.

Sparfüchse täuschen sich!
Der Bemerkung in der B 108, das Netz sei "überwiegend bestandsorientiert", können wir nicht ohne weiteres zustimmen. Der Bestand ist an vielen Stellen nicht vorhanden oder qualitativ unzureichend für eine Ausschilderung. Wir bezweifeln auch, dass die notwendigen Lückenschlüsse alle ohne spezifische eigene Haushaltstitel zu bewerkstelligen sind. Es soll sich niemand täuschen: angemessene Bedingungen für den ständig wachsenden Radverkehr in Frankfurt zu schaffen wird nicht dadurch billiger, dass man die großen Routenprojekte wegdefiniert und in einem stadtweiten Netz aufgehen lässt.

Das geplante Frankfurter Netz hat über 750 km Streckenlänge und über 250 Kreuzungspunkte von Radverkehrsverbindungen. Aus der Erfahrung des ADFC Hessen mit der Betreuung der touristischen R-Radwege sowie aus den Erfahrungen im Main-Taunus-Kreis, wo es ein flächendeckendes Wegweisungssystem bereits gibt, können wir die Dimension der Aufgabe abschätzen. Allein die bloße Verwaltung des Netzes bedarf eines modernen GIS-Systems (das hat die Stadt), eines Schilderkatasters und eines schnellen abgestimmten Workflows zwischen den zuständigen Behörden. Ein ständiges Monitoring erfordern Diebstahl, Verschmutzung, Zuwuchs und Vandalismus (in Ballungsräumen ca. 10 % der Schilder jährlich) sowie baustellenbedingte Umleitungen und Warnhinweise (in Frankfurt gibt es im Sommer locker 40 Straßenbaustellen gleichzeitig, von privaten Baustellen gar nicht zu reden).

Wir alle wachsen mit unseren Aufgaben!
Fazit: die Stadt Frankfurt hat sich mit dem Radverkehrsnetz und der Wegweisung eine ambitionierte Aufgabe gestellt. Das finden wir gut, aber auch völlig angemessen für die fünftgrößte Stadt Deutschlands, in der immer mehr Bürger das Fahrrad im Alltag nutzen wollen. Schon die Betreuung eines solchen Netzes mit Wegweisung erfordert personelle und finanzielle Ressourcen. Erst recht erfordert es finanzielle Ressourcen und auch den politischen Willen, diese einzusetzen, wenn es darum geht, die Verbindungen des Netzes überhaupt erst zu bauen oder auf den angemessenen Qualitätsstandard zu bringen. Wir als ADFC werden diesen Prozess in den kommenden Jahren begleiten, als solidarischer Partner, unterstützend wo immer wir können, aber auch fordernd wann immer es nicht vorwärtsgehen will!

Bertram Giebeler