Das Wiener Rathaus war repräsentativer Schauplatz der Velocity-Konferenz 2013
Foto: Bertram Giebeler
Velocity 2013: Börse für gute Ideen
Weltweites Treffen der Radverkehrsexperten in Wien
Die Velocity-Konferenzen sind immer eine große Chance, neue Ideen aus der Welt des Radverkehrs mit nach Hause zu nehmen. Seien es technische und planerische Innovationen, seien es urbanistisch-politische Entwicklungen, die aufhorchen lassen.
Einerseits ist es oft beeindruckend, was in den Vorreiterländern des Alltagsradverkehrs Niederlande und Dänemark an neuen Ideen präsentiert wird, in diesem Jahr besonders zum Thema Radschnellwege. Die nordholländische Stadt Groningen, etwa so groß wie Kassel, strebt einen Modal-Split des Radverkehrs von 65 % an! Von der Dynamik und der globalen Wirkung her ist es aber bedeutender, wenn Megacities wie Delhi und Istanbul oder süd- und osteuropäische Metropolen wie Mailand und Belgrad die Kultur des Radfahrens für sich (wieder)entdecken, wenn auch von niedrigem Niveau aus.
Wien auf dem Weg zur Radlerstadt
Die Gastgeberstadt Wien, die am schnellsten wachsende Metropole im deutschen Sprachraum, präsentierte sich sehr aktiv und entschlossen, beim Radverkehrsanteil (derzeit ca. 7 %) zu deutschen Großstädten wie München und Frankfurt aufzuschließen. Das Begleitprogramm des Kongresses war beeindruckend und wurde in der Lokalpresse ausgiebig begleitet, vor allem auch der Fahrradkorso mit 4.000 Radlern – darunter 1.000 Kongressteilnehmer – über die Ringstraßen und die Donau zum Prater.
Der prächtige Tagungsssal: die österreichische Hauptstadt zeigte sich den Radverkehrsexperten aus aller Welt von ihrer besten Seite
Foto: Bertram Giebeler
Starker Auftritt von München
Deutschland liegt, was die Qualität der Infrastruktur für den Alltagsradverkehr angeht, im internationalen Vergleich auf einem der vorderen Plätze, mit spürbarem Abstand zu NL/DK und mit geringerem Abstand zu den anderen skandinavischen Städten. Was die Dynamik angeht, schaut die Fachwelt aber sehr genau auf deutsche Großstädte.
Insbesondere die bayrische Landeshauptstadt München legte in Wien einen Auftritt hin, den man schon fast als Versuch werten konnte, den Wienern (mit denen man sowieso um Investoren, Touristen und Flugpassagiere konkurriert) die Schau zu stehlen. Die 5-jährige Kampagne "Radlhauptstadt München" lässt es richtig krachen. Schon die professionelle Kommunikation zieht alle Register (wen's interessiert: www.radlhauptstadt.de ).
Beispiel für Frankfurt
München ist ziemlich genau doppelt so groß wie Frankfurt an Einwohnern und ebenso eine wachsende Stadt und kompakt besiedelt. Noch mehr Parkplätze und PKWs können nicht die Lösung sein, der ÖV ist schon jetzt überlastet, nur mit steigendem Radverkehrsanteil bleibt das urbane Lebensumfeld attraktiv.
Ein erheblicher Unterschied zu Frankfurt liegt aber darin, wie ambitioniert die Stadt das Ziel verfolgt, den Radverkehrsanteil von derzeit 17 % (geringfügig höher als in Frankfurt) noch weiter schnell und massiv zu erhöhen. Die politische Gewichtung des Themas, auch personell und finanziell pro Einwohner, geht weit über das hinaus, was in Frankfurt gemacht wird. Darüber hinaus ist es in München offensichtlich auch möglich, mit starkem Profil für den Radverkehr Wahlen zu gewinnen. Wir werden das hier an geeigneter Stelle und noch vor der Kommunalwahl auf die Themenliste setzen.
Bertram Giebeler