Leserbrief
Was beim ADFC verkehrspolitisch Konsens ist, gefällt nicht allen Mitgliedern. Ein Radfahrer ärgert sich über die Angebotsstreifen für den Radverkehr auf der Alten Brücke (FFA 3/2012)
Mir ist beim Besuch des ADFC-Standes beim europäischen Verkehrstag (oder wie auch immer der hieß) im Herbst vergangenen Jahres an der Konstablerwache aufgefallen, dass eure Vereinszeitung – wohl seit 2012 – farbig ist und ich habe gemerkt, dass ich seit Anfang 2012 keine Ausgabe mehr bekommen habe, obwohl ich weiterhin Mitglied bei euch bin.
Ich hätte gerne die Zeitung, weil mich schon interessiert, was hier verkehrspolitisch – vor allem bezogen auf den Radverkehr – in Frankfurt passiert.
Ich hatte mir beim ADFC-Stand auch ein Exemplar mitgenommen, in dem es um den neuen Radfahrstreifen/Angebotsstreifen auf der Alten Brücke ging. Ich war schon sehr irritiert, um nicht zu sagen verärgert, über den Bericht in dieser Ausgabe, denn dieser Angebotsstreifen ist nichts weiter als eine weitere Maßnahme zur Förderung des Autoverkehrs, auch wenn die Stadt Frankfurt sich die Förderung des Fahrradverkehrs zum Ziel gesetzt hat und auch durchaus einiges für den Radverkehr tut. Dass der ADFC die Markierung des Angebotsstreifens lobt, hat mich sehr geärgert.
Der Angebotsstreifen stellt insofern eine Förderung des Autoverkehrs dar, als dass die Radfahrer von der Fahrbahn in ein Ghetto verlagert werden, damit der Autofahrer nicht mehr auf die Radfahrer achten muss und freie Fahrt hat. Und das findet der ADFC gut? Ich habe was gegen Ghettos und Verdrängung des Radfahrers von der Fahrbahn auf irgendwelche Seitenbereiche, damit der Autoverkehr freie Fahrt hat.
Kurz zu mir. Ich bin 42 Jahre alt, fahre seit 37 Jahren Fahrrad, wohne seit Ende 2006 in Frankfurt und bin Alltagsradfahrer (mit einem Hollandrad und ganz normaler Alltagskleidung). Ich fahre bei Wind und Wetter und habe kein Auto.
Mein täglicher Weg von und zur Arbeit führt mich auch über die Alte Brücke, so dass ich einen guten Vergleich zwischen vorher und nachher –bezogen auf den Angebotsstreifen – habe. Vor der Markierung des Angebotsstreifens war das Fahren auf der Fahrbahn angenehm. Ich habe einen ausreichenden Sicherheitsabstand nach rechts von ca. 1 Meter eingehalten (so wie es auch vorgeschrieben ist). Die Folge war, dass mich die Autos nur dann überholen konnten, wenn die Nebenspur frei war. Das hat auch gut funktioniert und ich wurde mit großem Abstand überholt.
Nachdem Fahrradpiktogramme auf die Fahrbahn aufgebracht wurden, wurde ich auch nicht mehr angehupt (was eh selten passiert ist). Zudem hatte ich auch keine Probleme, mich bei der Rückfahrt Richtung Sachsenhausen auf die Linksabbiegerspur einzuordnen.
Das ist jetzt alles nicht mehr so: Seitdem dieser unselige Streifen da ist, den ich wohl benutzen muss, werde ich von Autofahrern mit einem sehr geringen Abstand überholt (teilweise wirklich nur 30, 40 cm, so dass ich den Fahrtwind deutlich spüre und aufpassen muss, nicht zu stürzen). Das kann man auch klassisch als "Schneiden" bezeichnen. Dies ist aber auch kein Wunder, da die Autos mich nicht mehr überholen (mit Lenkbewegung nach links), sondern an mir vorbeifahren und dabei die Markierung des Angebotsstreifens als rechte Leitlinie benutzen. Ich gehe auch davon aus, dass ich gar nicht mehr wahrgenommen werde, da ich nicht im direkten Wahrnehmungsbereich des Autofahrers fahre. Während die Situation vorher ungefährlich war, ist sie jetzt durch das enge Überholen/Vorbeifahren gefährlich geworden. Und nicht zur das. Wenn sich auf dem Angebotsstreifen Dreck, Scherben, Pfützen etc. befinden, ist ein Ausweichen auf die Fahrbahn nicht oder nur unter Gefahren möglich, da Autofahrer nicht damit rechnen, dass ein Radfahrer plötzlich in "ihren" Bereich eindringt und dies auch nicht tolerieren würden (Revierschutzverhalten, übrigens bei allen Verkehrsarten zu beobachten). Ich habe deswegen schon manches Mal Probleme gehabt und bin auch angehupt worden, wenn ich zum Ausweichen auf die Autospur gefahren bin.
Auch wenn ein langsamerer Radfahrer vor mir fährt, ist es jetzt nicht mehr – bzw. nur unter Gefahren und Verlassen des Angebotsstreifens – möglich, diesen zu überholen. Ich werde also ausgebremst. Und das Einfädeln auf die Linksabbiegerspur auf dem Rückweg ist auch nicht mehr so leicht möglich, da ich zum einen zwei Fahrstreifen queren muss und zum anderen erstmal in den fließenden Autoverkehr muss, was mir oft nur schwer gelingt. Zudem wird der Radverkehr Richtung stadtauswärts im Bereich vor der alten Brücke direkt neben den parkenden Autos geführt – also im direkten Aufklappbereich der Autotüren, so dass es nicht möglich ist, den vorgeschriebenen Abstand von ca. 1 m zu den parkenden Autos einzuhalten. Wenn da mal 'ne Tür aufgeht, hat man ein Problem.
Durch den neuen Streifen ist das Fahrradfahren gefährlicher und unkomfortabler geworden. Und das findet ihr ernsthaft gut??? Geärgert hat mich auch der BILD-Zeitungsstil zumindest auf der Titelseite der Ausgabe der Zeitung. Von einem Massensterben von Radfahrern vor Einführung des Angebotsstreifens ist mir nichts bekannt.
Aus meiner Heimatstadt Oldenburg, in der ich 32 Jahre gelebt habe, weiß ich, dass Radwege – und damit die Separierung des Radverkehrs vom Autoverkehr – das Verkehrsklima sehr verschlechtern, da jeder darauf besteht, dass der jeweils andere nicht in sein Territorium eindringt, d. h. Autofahrer dulden keine Radfahrer auf der Fahrbahn wenn es einen – vermeintlichen – Radweg gibt (Benutzungspflicht ist dabei egal). Nach meinem Wissenstand führen Radwege, Radfahrstreifen etc. nicht zu einer erhöhten Verkehrssicherheit für den Radverkehr. Dass subjektives Sicherheitsgefühl und objektive Sicherheit nichts miteinander zu tun haben müssen und oft auch nicht haben, dürfte klar sein. Ich finde es daher auch wichtig, den Leuten zu erklären, dass Radwege die Sicherheit des Radverkehrs gerade nicht erhöhren.
Soweit erstmal. Ich würde mich über eine Reaktion freuen, denn ich mache aus meiner Verärgerung bezüglich des Angebotsstreifens und eurer von mir wahrgenommenen (ich kann mich ja auch irren) Haltung keinen Hehl.
Stephan Popken
Ein weiterer Leserbrief beschäftigt sich mit dem schweren Unfall an der Hansaallee (FFA 5/2012)
Ich wohne in der Hansaallee und war mit der Verkehrssituation an der Hansaallee/Miquelallee schon immer unzufrieden. Seit dem Umbau der Kreuzung ist die Situation aber noch gefährlicher geworden, da die neue Verkehrsführung mehr Sicherheit vortäuscht, als eigentlich da ist. Die Kreuzung und die Verkehrsführung sind aus mehreren Gründen lebensgefährlich:
1. Die Hansaalle ist erfreulicherweise zu einer vielbefahrenen Radstrecke geworden. Gerade morgens benutzen sehr viele Schüler den Radweg. Ich habe schon Jungs auf dem Fahrrad erlebt, die, um das Grün noch zu kriegen, auf der leicht abschüssigen Strecke richtig schnell mit dem Fahrrad unterwegs waren. Bremsen wäre in diesem Fall bei Fehlverhalten des motorisierten Verkehrs unmöglich gewesen und eine Kollision hätte üble Folgen gehabt.
2. Der Radweg ist verdeckt und schwenkt erst unmittelbar vor der Kreuzung ein. Das vermittelt trügerische Sicherheit. Der Autofahrer, der kurz vor dem Abbiegen im Spiegel überprüft, ob sich von rechts hinten ein Radfahrer nähert, kann den Radfahrer quasi erst, wenn er kurz hinter dem Fahrzeug oder so gut wie neben dem Fahrzeug ist, wahrnehmen. Die Reaktionszeiten sind dann sehr kurz, da der Radweg erst ca. 3 – 5 m vor der Kreuzung einschwenkt. In einem Lieferwagen oder LKW ohne Fenster hat man ein Problem, da man sowohl nach vorne auf den Verkehr, nach rechts auf den Fußgängerüberweg und in die Außenspiegel auf den Radweg sehen muss. Bei 25 km/h = 7 m/s Geschwindigkeit des Radfahrers taucht der Radfahrer also erst 0,5 Sek. vor dem Abbiegen überhaupt im Spiegel auf und ist weitere 0,3 Sek. später neben dem Fahrzeug und u. U. im Spiegel schon gar nicht mehr zu sehen. Hier kann die kleinste Unachtsamkeit zu einer Katastrophe führen. Gerade jetzt bei Dunkelheit und Regen ist ein schlecht beleuchteter oder gar unbeleuchteter Radfahrer im nassen Spiegel so gut wie nicht mehr zu erkennen.
3. Viele Autofahrer vermeiden den Stau auf der Rechtsabbiegerspur, indem sie auf der rechten Geradeausspur illegal rechts abbiegen. Ein Autofahrer, der auf der Rechtsabbiegerspur anhält, um einen geradeaus fahrenden Radfahrer vorbeizulassen, verdeckt automatisch die Sicht auf den Radfahrer und eine gefährliche Situation entsteht. Um das zu beobachten muss man sich nur morgens zwischen 7.30 und 8.00 an die Kreuzung stellen und man kann dieses Fehlverhalten massenhaft beobachten. Warum? Weil der hohe Radverkehr den Rechtsabbiegerstrom so verlangsamt, dass sich ein Stau bildet und viele Autofahrer einfach mal vorfahren und in zweiter Reihe abbiegen.
Die Lösung wäre und das hat der ADFC, wenn ich mich recht erinnere, schon mal vorgeschlagen: Zwei Rechtsabbiegerspuren für Autos und eine exklusive Grünphase für Fußgänger und Radfahrer. Die Parallelschaltung von Autos und Radverkehr muss weg wie auf der anderen Seite der Kreuzung auch. Das Argument, dass dann der Durchsatz sinkt, ist Blödsinn: die Geradeausspuren sind nie voll, auf zwei Rechtsabbiegerspuren kommen in der halben Zeit mehr als doppelt so viele Fahrzeuge, da Radfahrer die Rechtsabbieger nicht mehr blockieren. So kann man die Abbiegephase auf deutlich weniger als die Hälfte der heutigen Zeit reduzieren und hat immer noch den gleichen Durchsatz. Außerdem geht es hier an dieser Kreuzung nicht nur um Durchsatz, sondern um unser Leben und das Leben unserer Kinder. Wenn nichts passiert, wird es hier bald einen weiteren, sehr schweren Unfall geben. Um das zu verhindern müssen wir als ADFC aktiv werden und eine Änderung einfordern. So kann das nicht bleiben. Wir sollten alle Schulen und Eltern diverser Schulen im Innenstadtbereich (Lessing, Elisabethen, Anna Schmidt, Kant, etc.) mobilisieren, um Druck auf die Behörde auszuüben.
Norbert Schaefer