England abseits der olympischen Spiele
Radtour entlang eines Kanals bei Ely
Foto: Holger Küst
England mit dem Rad? Dort regnet es doch nur! Das ist bei dem Linksverkehr mit Kindern ja viel zu gefährlich! Die engen Straßen ohne Ausweichmöglichkeit! So eingestimmt waren wir bestens auf den Urlaub vorbereitet, doch zum Glück kam es anders als befürchtet. Aber alles der Reihe nach…
Bevor wir per Fähre zur Insel gelangten, mussten wir erst einmal zum Fährhafen Rotterdam kommen. Das hatten wir uns gut ausgedacht: wir starten eine Stunde früher als notwendig, dann haben wir ausreichend Reserven. Na ja, als es im IC vom Frankfurter Hauptbahnhof nach Wuppertal in Mainz hieß, dass der Zug wegen eines Erdrutsches rechtsrheinisch fahren müsse und deshalb 25 Minuten Verspätung bekommen würde, dachten wir uns noch nichts Böses – schließlich hatten wir in Wuppertal 40 Minuten Umsteigezeit. Die dann folgende Eskapade mit stellenweise Fortschritten im Meterbereich über mehrere Minuten aufgrund von Lokproblemen ließ die Verspätung bis Wuppertal zu 60 Minuten werden. Damit war natürlich der Anschlusszug weg. Die Fortsetzung bis Venlo verlief ohne Probleme, doch der Zug von Venlo über Rotterdam nach Den Haag fuhr auch nach planmäßiger Abfahrtszeit nicht ab. Stattdessen kam eine längliche Durchsage, aus der ich das Wort Polizei aufschnappte. Der daraufhin vorbeikommende Bahnbedienstete bestätigte: wegen eines Polizeieinsatzes ist die Strecke zwischen Eindhoven und Rotterdam gesperrt, wir müssten einen Umweg über Utrecht nehmen und weitere zwei Male umsteigen. Damit wäre die Fähre dann ohne Änderungen nicht mehr zu erreichen. Zum Glück wurde die Sperrung jedoch nach wenigen Minuten aufgehoben und wir konnten mit dem Zug nach Rotterdam fahren. Vom Rotterdamer Hauptbahnhof ging es dann per Rad zum Fährhafen, eine 30 Kilometer lange Etappe auf Radverkehrsanlagen vom Feinsten: es macht richtig Spaß, durch einen Kreisel zu fahren, wenn ein- und ausfahrende Kraftfahrzeuge auf die Radler warten müssen und dies auch tun. Die Radwege hatten eine durchweg sehr gute Qualität und führten bis direkt zum Fährterminal. Das war eine richtige Entschädigung für die Unbill der Anreise. Kaum waren wir an Bord, legte das Fährschiff ab mit dem Ziel Kingston upon Hull, von den Engländern nur als Hull bezeichnet.
Wegweiser des nationalen Radverkehrsnetzes an historischem Laternenpfahl
Foto: Holger Küst
Am nächsten Morgen zeigte der Blick aus der Kabine schon die englische Küste und nach einem schnellen Frühstück ging es mit den Rädern vor den Kraftfahrzeugen an Land. Für das vorne fahrende Kind gab es gleich den Hinweis: nicht rechts sondern links fahren! Die Ernüchterung über straßenbegleitende englische Radwege folgte auf dem Fuß: unzureichende Breiten und Wartepflicht an Seitenstraßen und manchmal auch Grundstücksausfahrten sorgten nicht für großen Fahrspaß. Doch zum Glück gibt es in England bei aufgestellten Schildern keine Radwegbenutzungspflicht wie hierzulande. Nach kurzer Strecke konnten wir die Stadt Hull verlassen, auf dem Lande wurden die Wege besser. Unsere erste schöne Kathedrale sahen wir in Beverley – in weitaus mehr Städten als in Deutschland sind die Städte nicht stark über die mittelalterlichen Begrenzungen hinausgewachsen und in den meisten von uns besuchten Städten sind die Häuser nicht höher als zwei Stockwerke. So kann man noch heute die Wirkung der Kirchen erfahren, wenn sie unvermittelt mitten hinter einem Feld zu stehen scheinen. Ziel der ersten Etappe war die alte Römer- und Wikingerstadt York, wo noch heute viele Wortteile an in Schleswig-Holstein oder Skandinavien existierende Ortsnamen erinnern. So heißen die Stadttore bar nach dem entsprechenden dänischen Wort, viele Ortsnamen enden auf -by . Auch Wilhelm der Eroberer mit seinen Kriegern hat hier seine Spuren hinterlassen, nachdem er von Nordfrankreich kommend die lokalen Fürsten im Süden der Insel unterworfen hatte. Relikte aus dieser Zeit sollten uns noch häufiger im Verlauf des Urlaubs begegnen. Der zweite Tag in England war dann ganz der Besichtigung der Stadt York gewidmet, wo wir bei einem Rundgang auf der alten Stadtmauer die ausgedehnten Gärten bewunderten. Deutschen Sicherheits-Verantwortlichen hätten sich dort die Nackenhaare gesträubt: auf der Innenseite der Mauer gibt es teilweise kein Geländer zur Absturzsicherung... Besonders interessant war auch der Besuch des Castle Museums, wo eine Geschäftsstraße des 19. Jahrhunderts überraschend lebensecht nachgebaut wurde. Zum Glück wurden wir in der Stadt von Geistern verschont – York soll die englische Stadt mit den meisten Gespenstern innerhalb der Stadtmauern sein. Vielleicht hat es uns gerettet, dass unser Quartier außerhalb der Stadtmauern lag…
Nach so viel Pflaster-Treterei sollte es am nächsten Tag in Richtung Lincoln weitergehen. Bis Selby hatten wir das Glück, auf einer ehemaligen Bahntrasse zu fahren, die im Rahmen des nationalen Radverkehrsnetzes (National Cycle Network) zu einem Radweg ausgebaut worden ist – wir flogen nur so dahin! Leider gab es von Selby nach Lincoln keine direkte Verbindung – und wir wollten weder zurück über Hull noch über die Industriestadt Sheffield fahren. Nach Kartenlage und einem Vorschlag von einem Routenfinder im Internet machten wir uns über kleine Straßen und Feldwege auf den Weg nach Scunthorpe. Leider machte an strategisch günstiger Stelle eine Baustelle neben einem Kanal einen dicken Strich durch unsere Rechnung: wir mussten einige Kilometer zurück fahren und – schlimmer noch – über eine vierspurige A-Road ohne Radweg nach Scunthorpe. Dabei muss man wissen, dass A-Roads unseren Bundesstraßen entsprechen und aufgrund des weniger stark ausgebauten Autobahnnetzes entsprechend befahren sind. Nach diesem Tag hieß die oberste Maßgabe der Routenwahl: keine A-Road fahren. Zu allem Überfluss gab es am Ende des Fahrtages auch noch einen Schauer, doch der schaffte eher die notwendige Abkühlung beim Erklimmen des Schlussanstiegs.
Foto links: Absolventen der Lincoln University im Ornat
Foto rechts: Die Kathedrale von Lincoln
Fotos: Holger Küst
Tags darauf starteten wir nach einem reichhaltigem englischen Frühstück bei freundlichem Wetter auf kleinen Straßen in Richtung Lincoln. Offensichtlich waren wir genau mit der richtigen Geschwindigkeit unterwegs, denn die heraufziehenden schwarzen Wolken zogen haarscharf vor uns vorbei. So hatten wir einen wunderschönen Blick auf Lincoln mit seiner beeindruckenden Kathedrale, die schemenhaft vor einem stahlblauen Himmel zu sehen war. Kurz vor Lincoln passierten wir einen Gedenkstein für die ehemaligen Flugfelder in Ostengland. An vielen Stellen sind Erinnerungen an Bomberkommandos zu sehen. Nach dieser Etappe stand ein Ruhetag in der schönen Kleinstadt an, die sehr schön am Durchstoß eines Flusses durch eine Hügelkette liegt. Besonders imposant und weithin sichtbar sind die unter Wilhelm dem Eroberer erbaute Festung und die Kathedrale. In Lincoln hatten wir das Glück, abends in der Stadt die Absolventen der lokalen Hochschule in ihrem Festornat zu sehen – es war der Tag der offiziellen Abschlussveranstaltung in der Kathedrale mit vielen schick angezogenen Gästen. Tags darauf konnten wir die mittelalterliche Baukunst an der Kathedrale ohne Absolventen ausgiebig betrachten, auch ein Besuch der Festung mit einem Exemplar der bis heute richtungsweisenden Magna Charta lohnte sich. Ein weiteres Glanzlicht der Stadt ist die seit dem Mittelalter bebaute High Bridge über den Fluss Witham.
Foto links: Queen's College in Cambridge
Foto rechts: Durchlass für Radler durch Stadtmauer bei Sperrung für Kfz-Verkehr
Fotos: Holger Küst
Nach der Ruhepause in Lincoln ging es wieder auf einer nationalen Radroute gen Osten – herrlich gelegen zwischen einem Kanal und einem kleinen Fluss. Der Weg verläuft auf einer ehemaligen Bahntrasse. Der Wegesrand wurde von diversen Plastiken zum Thema Landschaft und Landwirtschaft gesäumt. Leider war die Wegoberfläche ein wenig rauh und lenkte von der schönen Umgebung ab, die Wurzelaufbrüche taten ein Übriges. Bei einer Rast auf einer für den Verkehr gesperrten Brücke konnten wir die Flugkünste von Eurofighter-Kampfflugzeugen des nahegelegenen Flugplatzes der Royal Air Force bewundern – und den damit verbundenen Lärm erfahren. Bald darauf kamen wir in Boston an, dem Namensgeber für die Großstadt in den USA. Wie üblich fanden wir nach kurzer Suche ein passendes Quartier.
Sandringham House mit See
Foto: Holger Küst
Die nächste Etappe war die Umrundung des Wash nach King's Lynn – ein früheres Sumpfgebiet, das jetzt zu den ertragreichsten landwirtschaftlich genutzten Gebieten in England zählt. Entsprechend reihen sich die Äcker aneinander. Da die Temperaturen um einige Grad angestiegen waren, konnten wir auch endlich die lange Kleidung gegen T-Shirts und Radlerhosen tauschen. Da machte das Radeln gleich noch mehr Spaß. Nach der Querung des Flusses Ouse kamen wir in die alte Hansestadt King's Lynn. Der Abend klang mit einem idyllischen Essen unter freiem Himmel an der Ouse mit Blick auf das auslaufende Wasser aus. Tags darauf stand eine Stippvisite beim Landsitz des Königshauses in Sandringham auf dem Programm. Entsprechend der Auskunft des Touristenbüros in King's Lynn ist der Park an dem Tag zu besichtigen – so lohnte sich der Ausflug. Zum Glück hatten wir nachgefragt – zwei Tage später war der Zugang zum Park gesperrt, da Mitglieder der königlichen Familie vor Ort waren. Die Anfahrtsstrecke zum Landhaus – direkt an einer Route des nationalen Radverkehrsnetzes gelegen – wurde im letzten Abschnitt in einem Reiseführer als außergewöhnlich schön gerühmt. Neben einem Rundgang durch das Erdgeschoss des Landhauses und der Remise mit den königlichen Fahrzeugen (darunter auch zwei Fahrräder der Prinzen neben diversen Daimler-Modellen) stand natürlich ein ausgiebiger Spaziergang durch den herrlichen Park des Schlosses auf dem Programm. Es boten sich viele tolle Ausblicke auf die englische Gartenbaukunst mit unterschiedlichen Blattformen und farben nebeneinander, Wasserflächen und natürlich ausgedehntem englischen Rasen. Der herrlich blaue Himmel ließ den Tag zu einem tollen Erlebnis für die ganze Familie werden.
Foto links: Durchfahrsperre für breitere Fahrzeuge auf nationaler Radverkehrsroute
Foto rechts: Durchfahrtmöglichkeit für Radler und Rettungskräfte in Cambridge
Fotos: Holger Küst
Das folgende Etappenziel war Ely, entsprechend folgten wir der Ouse gen Süden. Trotz der ebenen Fahrtroute wurde die Etappe mühsamer als erwartet – wir hatten den gesamten Tag kräftigen Gegenwind. Dies ist die Kehrseite der flachen Landschaft: als Radler ist man dem kräftigen Wind ohne Schutz ausgesetzt. Schon vor der Ankunft in Ely grüßte von weitem das Schiff der Fens – die auf einem Hügel im einstigen Marschland erbaute Kathedrale. Bis zur Landgewinnung durch den Einsatz von kräftigen, motorbetriebenen Pumpen war das ganze Land um die Insel Ely sumpfig. Die kontinuierliche Entwässerung bewirkt, dass ein Teil der Gegend zwischen King's Lynn und Ely unterhalb des Meeresspiegels liegt. Die Kathedrale von Ely mit einem umfangreichen, teils gut erhaltenen Klosterkomplex geht wie viele andere Kirchenbauten in Ostengland auf die Zeit von Wilhelm dem Eroberer zurück. In diesem seinerzeit von Sümpfen umgebenen Ort soll sich der letzte Engländer Hereward the Wake mit seinen Mannen befunden haben, der sich nicht unterwarf. Erst durch einen Verrat konnten die Truppen des Eroberers auch Ely bezwingen und hatten damit ganz England besiegt. Die Kirche weist als Besonderheit ein Oktogon aus Eichenholz in der Vierung auf, das nach dem Einsturz des alten Vierungsturms errichtet wurde. Eine Besichtigung lohnt sich hier sehr, denn dabei kommt man in 30 Metern Höhe in das Oktogon und kann die interessante Konstruktion aus mittelalterlichen Baumstämmen bestaunen, die bis zur viktorianischen Zeit völlig ohne Metallbolzen gehalten hat. Die 400 Tonnen Eichenstämme für diesen Bau wurden aus ganz England zusammen gesucht; zum Wetterschutz ist das hölzerne Oktogon noch mit einigen Hundert Tonnen Blei abgedeckt. Das dämpft das mulmige Gefühl ein wenig, das einen beim Herumlaufen auf dem unebenen Dach des Oktogons bei herrlicher Fernsicht beschleicht.
Foto links: Fahrradförderung: steuerfreie Fahrräder für die Fahrt zur Arbeit
Foto rechts: Durchfahrtmöglichkeit nur für Radler und Busse durch versenkbare Poller
Fotos: Holger Küst
Von Ely aus ging es weiter in Richtung Süden auf die alte und ehrwürdige Universitätsstadt Cambridge zu. Zunächst sahen wir beim Verlassen von Ely einen mit zwei Dieselloks betriebenen Zug mit merkwürdigen Personenwaggons in Richtung Norden durchfahren, eine Lok hatte ein großes DB-Emblem, die andere eine Aufschrift "Diamond Jubilee" – wieder daheim stellte sich heraus, das in diesem Zug möglicherweise ein Teil der königlichen Familie nach King's Lynn unterwegs war. Am Wegesrand liegt eines der ältesten Naturschutzgebiete unter der Obhut des National Trust, der Wicken Fen. Hier wurde seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das sumpfige Gelände belassen wie es war. Entsprechend bietet sich hier eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren, die anderswo durch die intensive Landwirtschaft stark zurückgedrängt wurden. Ein Rundgang war hier obligatorisch und auch wir konnten seltene Pflanzen und Tiere sehen. Natürlich leben in dem Gebiet auch die weniger geliebten Stechmücken und die meisten von uns wurden von den Quälgeistern traktiert. Nach dem Besuch mussten wir nicht mehr lange treten und erreichten die alte Römerstadt Cambridge. Schon bei der Fahrt zum Stadtzentrum wurde klar: hier fahren viele Leute mit dem Rad. Der Hintergrund ist einfach: die Universität verbietet allen Studenten im Umkreis von 10 Meilen, ein Auto zu besitzen. Vielleicht sollte man das hierzulande auch einführen… Die Universität in Cambridge ist anders aufgebaut als man es in Deutschland kennt: die Universität stellt die Fachinstitute, nimmt die Prüfungen ab und verleiht die Abschlüsse, doch die Studenten wohnen und lernen in den Colleges. Jedes der 31 Colleges ist wie ein kleines abgeschlossenes Areal für sich mit eigener College-Bibliothek, eigener Kirche, eigenen Unterkünften und eigenem Speisesaal. Manche Colleges haben in den Bibliotheken wahre Schätze, so ist im Trinity College eine Handschrift aus dem achten Jahrhundert zu sehen, ebenso das Hauptwerk von Isaak Newton, der an diesem College gewirkt hat. Je nach Stifter sind die Colleges unterschiedlich reichhaltig ausgestattet, am prächtigsten ist das King's College, doch auch viele andere Colleges und ihre Parkanlagen sind äußerst sehenswert. Sehr beliebt ist eine Kahntour auf dem Cam, bei der man viele Colleges von der Parkseite aus betrachten kann. Beim Besteigen des Turms der Universitätskirche war in der Führung eine Einführung in die Kunst des Wechselläutens inbegriffen. Dies ist eine in England verbreitete Art, Kirchenglocken in bestimmten Reihenfolgen zu läuten. Entsprechend der Bedeutung des Radverkehrs in der Stadt – nicht nur die Studenten fahren Rad – sind diverse Brücken eigens für den Rad- und Fußverkehr eingerichtet worden, um diesen Verkehr abseits von Hauptverkehrsstraßen zu führen.
Foto links: Führung der Route 51 über die Parkplatzzufahrt zu einem Einkaufszentrum
Foto rechts: Barriere für normale Fahrzeuge mit Durchlass für Busse und Radler
Fotos: Holger Küst
Nach drei Nächten nahmen wir Abschied von Cambridge, um in Richtung Osten zur Küste zu gelangen. Zwischenetappe auf dieser Route war die nationale Pferdezucht National Stud in Newmarket, gleich neben der dortigen bedeutenden Rennbahn. Im Gegensatz zur Praxis in Deutschland mit der künstlichen Befruchtung von Pferden setzt man dort weitgehend auf die natürliche Methode und reduziert auch die Nachkommen pro Jahr und Hengst auf 100, um eine ausreichende genetische Vielfalt zu erhalten. Leider ließ sich dieses Highlight für Pferde-Interessierte nicht über das nationale Radverkehrsnetz sondern nur über A-Roads erreichen, doch das Verkehrsaufkommen war überschaubar und nach kurzer Fahrtstrecke erreichten wir das Radverkehrsnetz wieder. Weiter ging es in leicht welligem Terrain bis Bury St. Edmunds, wo die Ruinen einer alten Abtei malerisch in einen Park integriert sind. In dieser alten Stadt, deren großes Kloster unter Heinrich VIII zerstört wurde, hatten sich die Herzöge versammelt und einander Unterstützung geschworen, bevor sie 1215 Johann Ohneland die Magna Carta abtrotzten. Eindrucksvoll in Bury St. Edmunds der Bed & Breakfast-Betrieb in der 83, Whiting Street in einem mittelalterlichen Haus – besonders das Frühstück dort war sehr schön.
Foto links: Kostenfreies Fahrradparkhaus mit Anlehnbügeln in Cambridge
Foto rechts: Route kreuzt Parkplatz mit Aufpflasterungen an den Querungen
Fotos: Holger Küst
Die letzte größere Etappe an die Nordsee verlief über Stowmarket. Dort ließen wir beim Besuch des Museums of East Anglian Life dunkle Gewitterwolken passieren, während wir uns mit landwirtschaftlichem Gerät, kleinen Industriebetrieben und Erzählungen zum Leben auf dem Lande die Zeit vertrieben. Wieder auf dem Rad ging es weiter nach Ipswich, wo wir am Ortsbeginn unter dem Vordach eines Supermarkts einen veritablen Gewitterguss mit Hagel vorbeiziehen ließen. Am nächsten Tag war ein freier Tag in Ipswich geplant, doch die Stadt erwies sich als nicht besonders sehenswert – die (auto-)verkehrsgerechte Gestaltung hatte einige Schneisen in die Stadt geschlagen und auch alte Bausubstanz war weitgehend beseitigt worden. Interessant waren hier viele alte Kirchen, die jedoch alle nicht besonders groß waren. Da heutzutage offensichtlich so viele Kirchengebäude nicht mehr benötigt werden, finden sich in drei Kirchen jeweils das Fremdenverkehrsbüro, ein Café und ein Orchester. Insbesondere letzteres war durch die Akustik sehr spannend, wie wir beim Üben zweier Saxofonisten feststellen konnten. Ungewöhnlich an dieser Kirche war auch die Gestaltung der Außenfassade: hier war die ganze äußere Mauer mit halbierten, schwarzen Flintsteinen bedeckt, so dass die Kirche von außen bis auf die Mörtelfugen schwarz aussah.
Foto links: Viehgitter zwischen zwei Weiden in der Nähe von Ely (Radroute 11)
Foto rechts: Querungsmöglichkeit einer Bahnlinie bei Bury St. Edmunds
Fotos: Holger Küst
Schließlich ging es am letzten Tag von Ipswich nach Harwich, wobei wir sicherheitshalber unsere Plätze auf der Fähre über die Flussmündung von Orwell und Stour reserviert hatten. Das war auch gut so, denn auf der Nussschale mit maximal 12 Fahrgästen war nicht viel Platz für Räder. Für Radler interessant war ein Spruch im umglasten Steuerstand: We hate Tandems... Nach ein paar Stunden Wartezeit konnten wir dann auf die Fähre zurück nach Hoek van Holland fahren. Allerdings durften die 26 Reiseradler nicht als erste auf das Schiff, weil erst ein Zwischendeck mit Pkw gefüllt werden musste. So blieb ein wenig Zeit, sich mit anderen Radlern auszutauschen. Einige waren in London bei den Olympischen Spielen, andere in Cornwall unterwegs gewesen, wieder andere hatten große Touren ohne größere Halte gemacht. Dann werden auch Tagesetappen von 35 Kilometern verständlich, wenn die Steigung teils 20 Prozent übersteigt. Davon waren wir glücklicherweise verschont, es war sehr vorteilhaft gewesen, dass wir im Vorfeld den flachsten Bereich Englands für unsere Reise ausgesucht hatten. Das Radler-Aufkommen an der Fähre scheint sehr zu variieren – am Vortag wären 150 Radler an Bord gewesen, berichtete eine Angestellte der Fährlinie.
Nach einer kurzen Nacht ging es in Hoek van Holland schnell in einen Zug zum Rotterdamer Hauptbahnhof, von dort wieder mit einem niederländischen Zug nach Amersfoort. Da wir mittlerweile ein eingespieltes Team waren, klappten Einstieg und Ausstieg auch schnell. Ab Amersfoort hatten wir Plätze in einem IC reserviert, entsprechend rechneten wir mit einem Steuerwagen. Doch der fehlte aus nicht nachvollziehbaren Gründen. So musste wieder schnell alles Gepäck vom Rad, die sechs Fahrräder der Radler wurden mit Erlaubnis des Schaffners auf Behinderten-Stellplatz, die zugehörige Toilette und den letzten Einstieg verteilt. So kamen wir wieder in die vertrauten deutschen Lande…
Insgesamt betrachtet war die Reise sehr reizvoll und kulturell interessant, auch wenn Ostengland von den Engländern gerne ignoriert wird. Es gibt hier fast keine Steigungen, lediglich der Wind kann bei ungünstiger Richtung sehr zermürbend sein. Mit Unterkünften (Bed & Breakfast oder einfache Hotels) hatten wir auch ohne Vorbestellung bis auf in Ely keine Probleme. Als Kartengrundlage haben wir Ordnance Survey Karten im Maßstab 1:50000 (Landranger Map) als Ergänzung zu OpenStreetMap Karten auf Computer und GPS-Gerät verwendet. Dieses war hilfreich, da die Routenführung an einigen Stellen über sogenannte Public Footpath-Strecken erfolgte und diese teilweise erst nach Vorarbeit mit einer Sense nutzbar gewesen wären. Die kommerzielle Karte erlaubte eine bessere Beurteilung der Wegequalität. In beiden Karten sind die weitgehend korrekten Streckenführungen des nationalen Radverkehrsnetzes eingetragen, eine Übersichtskarte des Netzes ist zu beziehen unter www.sustrans.org.uk/what-we-do/national-cycle-network , in einer kostenpflichtigen, aktuellen und einer kostenlosen, etwas veralteten Version.
Holger Küst