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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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Straßensezene in Beijing (links) und E-Mofa in Beijing
Fotos: Bertram Giebeler

So funktioniert Elektromobilität woanders

Eindrücke von einer Osterreise nach China

Beinahe schon mit Mitleid kann man hierzulande den verzweifelten Versuch beobachten, dem Teutonen elektrisch angetriebene PKWs nahezubringen.

Von der Hybridtechnik abgesehen, bei der asiatische Hersteller den Markt beherrschen, floppt das Projekt Elektroauto bislang trotz Milliardensubvention. Es muss den knappen Batterierohstoff Lithium dazu vergeuden, zusätzlich zum Körpergewicht des Menschen eine Tonne Blech zu bewegen. Aus diesem simplen physikalischen Grund kann das E-Auto keine der Kundenerwartung gerechte Reichweite bieten. Trotzdem: wenn hierzulande von Förderung der E-Mobility die Rede ist, ist immer das E-Auto gemeint. Diese einseitige Fixierung verbaut den Weg zur gezielten Förderung einer Form von E-Mobility, deren Leistung der Kundenerwartung viel besser entspricht: dem Elektrofahrrad oder allgemein dem Elektro-Zweirad.

Schauen wir nach China, dem Markt mit dem größten Volumen und/oder Wachstum für alle Kategorien von Verkehrstechnik weltweit. Dort ist das Elektrozweirad eine Massenerscheinung, die Produktionsausstöße liegen im zweistelligen Millionenbereich jährlich. Gefahren werden hauptsächlich Elektro-Mofas bis 25 km/h oder Elektro-Motorroller bis 45 km/h, für die auf den innerstädtischen Hauptstraßen Zweiradspuren abgetrennt sind. Die Gefährte kosten zwischen 150,- und 350,- € und haben eine nach unseren Maßstäben schlichte Batterietechnik.

Pedelecs jedoch sind die absolute Ausnahme, und eine moderne Fahrradkultur gibt es in China noch nicht, Fahrräder sind Billigware (ab 50,- € Neupreis). Was auf den Straßen herumfährt ist meist uralt, bis auf wenige MTBs. Der Mischverkehr von E-Bikes und Rollern auf Zweiradspuren wäre für uns nicht akzeptabel. Positive Beobachtung: In Hangzhou, einer 4-Millionen-Stadt unweit Shanghai, wird ein Leihfahrrad-System gut angenommen, das dem Pariser Beispiel (Velib) nachempfunden ist.

China hat extreme Platzknappheit in den großen Städten, Dauerstau ist die Regel, eine PKW-Dichte wie in Deutschland wäre gar nicht denkbar. Das Land setzt daher vorrangig auf Schnellbahntrassen und U-Bahn-Netze, die mit unglaublichem Tempo überall ausgebaut werden. Die parallel dazu laufende massenhafte Nutzung von Elektrozweirädern hat u.a. einen ökologischen Grund: viele Innenstädte sind aus Umweltgründen für benzingetriebene Zweiräder gesperrt. In erster Linie sind aber Platz- und Finanzgründe entscheidend: für ein eigenes Auto fehlt vielen Chinesen das Geld (der beliebte Wuling-Minivan kostet neu ca. 5.000,- €) und vor allem der Parkplatz. Ein Elektro-Auto wäre da keine Lösung, außerdem ist es nicht langstreckentauglich. Das E-Zweirad dagegen kostet wenig, spart Platz und wird ohnehin nur im urbanen Einzugsbereich genutzt, wo es elegant am Stau vorbei flitzt.

Deutschland und China sind in vielem nicht miteinander vergleichbar, und eine E-Mobility auf zwei Rädern wird hier pedelec-betonter aussehen. Dennoch: wenn Millionen Chinesen zum E-Zweirad greifen und einer ganzen Branche zum Aufschwung verhelfen, dann muss die Politik hierzulande sich endlich Gedanken über die Sinnhaftigkeit der bisherigen E-Mobility-Förderpraxis machen. Was schlau ist für Chinesen, muss für uns Deutsche nicht dumm sein. E-Bike statt Zweitwagen – eine vernünftige Alternative und am Markt chancenreich, wie die Pedelec-Verkaufszahlen hierzulande beweisen. Ramsauer und Co sollten diesen Trend fördern, statt ihn zu ignorieren!

Bertram Giebeler