Kampfradler, Kung-Fu-Driver, Sitzbekotzer, Schnarchsäcke
Nachhilfe für Peter Ramsauer
Dem Bundesverkehrsminister ist es irgendwann im März auf dem Rücksitz seines 300 PS starken und 2 Tonnen schweren Dienst-7er-BMW eingefallen, dass es mal wieder Zeit ist, den Radlern eins drüber zu geben. Einen besonderen Grund gibt es eigentlich nicht, aber es ist Frühjahr, und die Radler werden auf der Straße immer mehr. Also wird der "Kampfradler" zum pauschalen Gattungsbegriff für alle Radfahrer erklärt und eine Pressekampagne vom Zaun gebrochen.
Die Sache läuft aber nicht ganz so wie geplant. Es melden sich natürlich die notorischen Radlerhasser in Mailforen und Leserbriefspalten, aber viele Journalisten sind mittlerweise selbst Radfahrer und machen nicht jeden Blödsinn mit. Es gibt mehr ablehnende oder ironisierende Presseartikel als zustimmende oder gar anheizende.
Für Peter Ramsauer und andere hier ein kurzer Lehrgang in Sachen "Regelverstöße im Stadtverkehr":
Es gibt bekanntlich 4 Hauptkategorien von Verkehrsteilnehmern in der Stadt: Radfahrer, Autofahrer, ÖV-Nutzer, Fußgänger. Die meisten Mitbürger sind mal dies, mal das, in unterschiedlicher Gewichtung. In jeder Art der Verkehrsteilnahme gibt es bevorzugte Varianten, sich daneben zu benehmen. Überland- und Luftverkehr können vernachlässigt werden, es entfallen also die Drängler auf der Autobahn, die jugendlichen Selbstmörder nachts auf der Landstraße von der Dorfdisco und die Fluggäste, die der Stewardess ins Dekolleté kübeln.
Hier die beliebtesten 3 Regelverstöße je Kategorie:
Karl-Heinz Kampfradler bevorzugt
- Verstoß gegen Ampelrot – obwohl Krankenhausaufenthalte länger dauern als Ampelstopps
- Fahrt bei Dunkelheit ohne Licht – obwohl es mittlerweise zuverlässige Lichttechnik gibt
- Radeln auf dem Bürgersteig – obwohl dies Fußgänger gefährdet und völlig unnötig ist
Benno Bleifuß ist, anders als seine "Kollegen", eine tödliche Gefahr für andere und liebt besonders
- Tempoüberschreitung, gern auch in der Tempo-30-Zone
- Parken auf Rad- und Fußwegen
- unachtsames Fahren mit Handy am Ohr
Paul Pöbler fällt im ÖPNV gern auf durch
- Beförderungserschleichung, vulgo Schwarzfahren
- verunreinigen, urinieren, vandalisieren
- Aggressivität gegen Mitreisende, Bandbreite dummer Spruch bis Totschlag
Ferdi Fußgänger (alias "der Schläfer") nervt durch
- ansatz- und blickloses Überqueren der Straße und/oder des Radwegs
- Herumstehen auf dem Radweg, möglichst mit Handy am Ohr
- "Führung" der Töle an einer bis zu 50 Meter langen Flexi-Leine
Rüpel schaffen es, in allen vier urbanen Verkehrskategorien mehrere Regelverstöße zu begehen. Die Mehrheit unserer Mitbürger und damit auch der Radler besteht aber nicht aus Rüpeln, sondern lässt sich gelegentlich mal zu einem Regelverstoß hinreißen, mehr aber auch nicht. Niemand muss sich pauschal als Kampfradler abqualifizieren lassen, sobald er aufs Rad steigt. Ein Verkehrsminister, der das dennoch tut, handelt unprofessionell und lässt den Eindruck aufkommen, dass es ihm um etwas ganz anderes geht: zurück in die heile Welt der autogerechten Stadt.
Bertram Giebeler