Leserbriefe
ADFC - auch meiner
Ob Verein, politische Partei oder Bürgerinitiative, immer werden sich mehr oder minder verschiedene Meinungen und Ansichten unter einer gemeinsamen Überschrift versammeln, die im Falle des ADFC lautet, "Verkehrsclub für Fahrradfahrer und deren Interessenvertretung". Über die Art der Interessenvertretung, die Themen und verkehrspolitischen Bereiche muss dann natürlich innerhalb des Vereins, z. B. hier in Frankfurt aktuell, diskutiert und in den verschiedenen Versammlungen auf Kreis-, Landes-, und Bundesebene in Abstimmungen beschlossen werden.
Die Mitglieder des ADFC bestehen nicht nur aus lupenreinen, autofernen Ganzjahresalltagsradfahrern oder nur aus gelegentlichen Schönwetter-Freizeitradlern sondern viele (die Mehrheit?) sind z. B. auch Autobesitzer und -nutzer, die je nach Notwendigkeit das Verkehrsmittel wählen. Daher sollte niemand für sich und seine Art der Fahrrad- und Verkehrsmittelnutzung einen Ausschließlichkeits- oder Alleinvertretungsanspruch ableiten, das sollte dem Papst in Rom überlassen bleiben.
Für mich heißt das: Ich bin Mitglied des ADFC, weil ich die Interessenvertretung der Radfahrer in einer Auto dominierten Verkehrspolitik als unterrepräsentiert hielt und leider, trotz aller Erfolge, noch immer halte. Dass ich zu den Hauptthemen und Meinungen unseres Vereins nicht immer die gleiche Meinung wie eine Mehrheit habe versteht sich von selbst.
Wie Günther Gräning (Frankfurt aktuell 6/2011) meine ich, dass z.B. die uneingeschränkte Fahrradmitnahme im ICE nicht sinnvoll ist, da für mich der ICE als schnelle Städteverbindung in unmittelbarer Konkurrenz zu Auto und Flugzeug steht. Deshalb halte ich den ICE für das ungeeignete Verkehrsmittel zur Fahrradmitnahme. Zudem findet man inzwischen in vielen Großstädten Fahrradmietsysteme, durch die sich die Mitnahme des eigenen Rades erübrigt.
Die Öffnung von Einbahnstraßen halte ich, um ein weiteres Thema von Günther Gräning aufzugreifen, allerdings für unbedingt notwendig, denn ich fahre, speziell in der Stadt, ungern Umwege, wenn ich von Punkt A nach Punkt B möchte und nicht zum Zeitvertreib nach der Devise: "Der Weg ist das Ziel", per Rad flaniere. Das Fehlverhalten von manchen Rad fahrenden Zeitgenossen kann nicht zum Verbot bestimmter den Radverkehr begünstigender Regelungen führen, wie man auch nicht das Radfahren in der Dunkelheit verbieten kann, nur weil etliche Radnutzer ohne Licht unterwegs sind.
Generell gilt aber für mich, was der ehemalige Bundesgeschäftsführer der SPD, Peter Glotz, in Bezug auf seine Parteimitgliedschaft sinngemäß meinte: "Solange ich mindestens 60% der Parteipolitik unterstützen kann ist die SPD meine Partei".
Da diese Quote bei mir bezüglich des ADFC z.Zt. bei mindestens 80% liegt, bin ich mit Vergnügen und dem mir möglichen Engagement Vereinsmitglied, immer natürlich daran interessiert, in einer toleranten Atmosphäre die wichtigen Themen der Fahrrad- und Verkehrspolitik zu diskutieren und Mehrheitsentscheidungen und daraus folgendes Handeln auch dann zu akzeptieren wenn Sie nicht komplett meiner Meinung entsprechen.
Albrecht Reinhard
Das war doch mal ein interessanter Austausch zwischen den Herren Gräning und Sauer!
Wir sollten unsere Ziele wichtig nehmen, die Förderung des Radverkehrs, die Verbesserung der Rahmenbedingungen fürs Radeln. Uns selbst sollten wir eher nicht so wichtig nehmen. Ich lese in Frankfurt aktuell des Öfteren "moralinsauer" und todernst geschriebene Artikel - Leute, warum nicht etwas mehr Humor? Freundlichkeit und Humor sind nicht gleichbedeutend mit der Aufgabe von Interessen! Wir sind doch (hoffentlich) keine Fanatiker. Wenn es auch eines unserer Ziele ist (und das hoffe ich). andere Menschen für unsere Ideen zu gewinnen und zu überzeugen sind gute Vorschläge, Lob und Beharrlichkeit bessere Strategien als zu Schimpfen und sauertöpfig zu wirken. Das funktioniert nicht nur bei Kindern - es geht auch bei Erwachsenen. Wir könnten zum Beispiel mal einen Katalog mit Tipps für die Bauämter verfassen. Die Medien würden die Vorstellung eines solchen Katalogs sicher gerne publik machen.
Wir könnten in einer Stadt wie Frankfurt mal die Radverkehrsströme ermitteln (Internetbefragung), Lücken im Wegenetz zeigen und ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept für ein Radwegenetz der Stadt vorstellen.
Wir könnten mal mit Infoblättern für Autofahrer bei denen um Verständnis für Radler werben, möglichst lustig erklären warum Radler gegen Einbahnstraßen fahren müssen, was für Radler schlimm und gefährlich ist usw. (eine bescheidene Anzahl von Handzetteln würde genügen, wenn das gleichzeitig an Presse und ARD/ZDF/HR geht, dann wird es gezeigt und gedruckt und die tatsächliche Handzettelverteilung an Ampeln wäre nur der "Hingucker").
Wir könnten das wiederholen, um bei Radlern für Verständnis für Fußgänger und Autofahrer zu werben. Damit die verstehen, das ein schwarzer Radler ohne Licht auch auf einer mager beleuchteten Straße für einen Autofahrer erst sichtbar wird, wenn ihn die Stoßstange schon erwischt hat. Denn darum geht es doch: ein sinnvolles Miteinander zu finden an Stelle eines Straßenkampfes!
Wenn wir nicht medienwirksame Aktionen starten (Kaminklettern wie bei Greenpeace muss es ja nicht unbedingt sein...) beachtet uns niemand. Wir brauchen ein Referat Öffentlichkeitsarbeit.
Und wir sollten nicht versuchen Berge zu versetzen - die Grenzen des Machbaren müssen wir erkennen. Die Bahn zum Beispiel wird niemals flexibel genug sein, um an schönen Tagen Massen von Fahrrädern transportieren zu können. Die Bahn wird nie hunderte von Bahnhöfen so umbauen können, das man von einem Zug zum anderen kommt, ohne sich auf Treppen beim Radschleppen einen Bandscheibenvorfall zu holen. Da ist das eigene Auto eben unschlagbar besser. Na und? Wir retten die Welt doch nicht, wenn wir das Auto stehen lassen und uns per Bahn irgendwo hin quälen. Der Deutsche Energieverbrauch liegt so bei 2,5% des Weltenergieverbrauches, 25% davon entfallen auf Verkehr (rechne ich richtig: etwa 6 Promille des Weltenergieverbrauches?). Von den 6 Promille können wir ein paar Billionstel einsparen wenn wir mit der Bahn zum Radeln fahren und mit den 10 hoch minus 12 retten wir die Welt? Na, dafür lohnt es sich doch die Bandscheiben zu opfern und 10 Stunden in Zügen zu sitzen statt 1 Stunde Auto zu fahren.
Nein, die Bahn können wir nicht beeinflussen, als Bahnreisende sind wir in der DB Bilanz absolut unbedeutend. Noch nicht mal ne Nachkommastelle.
Und wir sollten auch nicht davon träumen, Hundehalter dazu zu bringen ihre Tierchen anzuleinen. Geht nie. Ich hab auch schon einigen Hunden das Leben gerettet, mit meinen erstklassigen Fahrradbremsen.....
Lasst uns doch bitte das Machbare angehen und das Miteinander verbessern. Nicht die Welt verbessern. Und Spaß haben!
Gerhard Suchant
Mein ADFC... Bierernst
Ohne einen gewissen Bierernst wäre es bestimmt nicht möglich gewesen, auf der Frankfurter Schlossstraße einen Fahrradstreifen anzulegen und damit den Autoverkehr auf eine Spur zu drängen. Diese Straße war für Radfahrer äußerst gefährlich, weil durch die Überbreite der Fahrbahn zweispuriger Autoverkehr in gehörigem Tempo in die Stadt rollte; der Radler auf der rechten Spur wurde im Abstand von weniger als 50 cm überholt. Auf dieser Einfallstraße kann man sich als Radfahrer jetzt richtig sicher fühlen.
Leider geht es halt nicht ohne Bierernst. Die zahlreichen Radwegauffahrten, die höher als gefühlte fünf Zentimeter den Felgen nicht wohl wollten, wären niemals auf Straßenniveau abgeflacht worden, ohne dass der ADFC mit Nachdruck auf diesen Missstand hingewiesen hätte.
Und zum Thema "Einbahnstraße": Ich sehe lieber die Autos von vorn auf mich zukommen als in einer engen Gasse von hinten mit manchmal beängstigend geringem Abstand überholt zu werden.
Brigitte Rebna
"Helm auf!" in Frankfurt aktuell 6/11, Seite 16
Was dem ADAC das Tempolimit ist dem ADFC die Helmpflicht: Sobald das Stichwort fällt, werden die Reflexe ausgelöst. So auch bei Günther Gräning. Dessen Argumentation ist allerdings dünn. Gewiss, es ist nicht zu beweisen, ob in allen Fällen von tödlichen Radunfällen ein Helm den Tod verhindert hätte. Na und: Wird ein Schutzhelm dadurch weniger sinnvoll? Bei den meisten Stürzen schlägt man mit dem Kopf auf. Wie viele Unfälle mit Kopfverletzungen führen zwar nicht zum Tod, aber zu schweren Verletzungen?
Radfahrer wollen als vollwertige Verkehrsteilnehmer behandelt werden. Das ist eines der zentralen Anliegen des ADFC. Dazu gehört dann aber auch, dass man sich an die Verkehrsregeln hält und dass man mit einem verkehrstauglichen Fahrzeug unterwegs ist. Und dann hat der Staat auch das Recht, ein Mindestmaß an passiver Sicherheit einzufordern. Wieso soll das, was für Mofa-Fahrer selbstverständlich ist, für Radfahrer eine Zumutung sein? Mir ist es unbegreiflich, weshalb der ADFC mit derartiger Verbissenheit gegen jede Diskussion über den Fahrradhelm zu Felde zieht. Dass Herr Ramsauer damit von anderen Themen ablenken will, mag ja sein, es ist aber kein Argument.
Gert Hautsch
Plädoyer für das Helmtragen
Si tacuisses, philosophus mansisses, lieber Günther Gräning!
Aufgrund eigener schmerzlicher Erfahrung bin ich bestürzt über Ihre Glosse "Helm auf". Ausgerechnet der Sprecher des ADFC-Kreisverbands Hochtaunus e.V. macht das Helmtragen mit seinem Sarkasmus lächerlich.
Folgender Erfahrungsbericht sei mir gestattet: Am 22. Juli 2006 radelte ich auf der Schwalbacher Straße südlich von Kronberg. In Höhe der Einfahrt zum Schafhof (Gestüt Linsenhoff) verließ ich mit Handzeichen links den Fahrradweg, um in Richtung Bad Soden weiterzufahren. Kaum auf der Straße, bin ich vom rechten Außenspiegel eines Lieferwagens an meiner linken Schulter getroffen worden. Mein Fahrrad geriet an den Bordstein, ich selber wurde über den Bordstein in den Zaun des Schafhofs geschleudert. Der Lieferwagen fuhr ungerührt weiter.
(...) bin ich relativ glimpflich davongekommen. Mein Fahrradhelm allerdings erwies sich als mein Schutzengel! Er trug zwei Risse und ein tiefes Loch davon. Diese drei Verletzungen in meiner Schädeldecke, und meine Frau wäre seit fünf Jahren Witwe. Ich selber, 75 Jahre alt, hätte keine Freude mehr an über 6.000 km Radfahrens jedes Jahr - mit Helm auf dem Kopf.
Dieter F. Lohmann