Rettende Radtour
Die folgende Geschichte ist wahr: Radtouren des ADFC können Leben retten!
Folgendes hat sich zugetragen: Am 2. Juni 2011 (Himmelfahrt) frühmorgens starteten 19 Radler, darunter Hans (Name geändert), unter meiner Tourenleitung von Bad Homburg nach Bad Vilbel, um von dort per Zug nach Stockheim und dann per Bus mit Fahrradtransport auf den über 700m hohen Hoherodskopf im Vogelsberg zu fahren. Von dort sollte es dann per Rad an der Nidda entlang größtenteils abwärts wieder zurück nach Bad Homburg gehen - wohlgemerkt: größtenteils abwärts, denn zwischen der Stadt Nidda und Bad Salzhausen liegt eine kurze, aber sehr heftige Steigung.
In Stockheim am Bahnhof gab es Ärger: Obwohl ich die Gruppe bei der Verkehrsgesellschaft angemeldet hatte, weigerte sich der Busfahrer zunächst, uns mitzunehmen. Der Grund: Eine andere sechsköpfige Gruppe hatte sich schon vorher in Büdingen unter Angabe meines Namens den Transport mit dem Bus sozusagen erschlichen. Der Fahrer hatte daraufhin in der Annahme, nur 6 statt der gemeldeten 19 Fahrgäste zu haben, die Räder großzügig auf den Transportanhänger verteilt. Ich bestand darauf, dass alle Teilnehmer der Gruppe mitfuhren. Also musste der Fahrer mehrere Räder ab- und wieder aufhängen und dann noch unsere 19 zusätzlich befestigen. Das tat er widerwillig, schweißgebadet und unter Schimpfen. Als der Platz auf dem Hänger knapp wurde, wollte er drei oder vier Leute unserer Gruppe zurücklassen. Obwohl ich ein friedliebender Mensch bin, stand ich kurz vor einer Tätlichkeit und drohte dem Fahrer Tod und Teufel an. Mit brachialer Gewalt zwängten wir schließlich die letzten Räder in den Mittelgang des Busses. Unterwegs stiegen sechs zum Trunk bereite "Väter" mit einem Kinderwagen voller Bier zu, sehr zur Freude des Fahrers, wie man sich denken kann. Mit einstündiger Verspätung erreichte die gesamte Fuhre dann endlich den Gipfel des Hoherodskopfs.
Die Rückfahrt verlief scheinbar ohne Zwischenfälle, wenn man von der Erschöpfung der Teilnehmer nach dem Mittagessen in Nidda und dem folgenden steilen Anstieg nach Bad Salzhausen absieht.
Für mich als Leiter der Tour stand allerdings fest: Nie mehr mit dem Fahrrad-Bus auf den Vogelsberg!
Vier Monate später. Hans (siehe oben) kommt zum ADFC-Stammtisch in Bad Homburg und erzählt, was ich bis dahin nicht wusste: Seine außergewöhnlich große Erschöpfung nach dem Anstieg zwischen Nidda und Bad Salzhausen habe ihm damals sehr zu denken gegeben. Er sei sofort danach zum Arzt gegangen und habe sich untersuchen lassen. Die dramatische Diagnose: eine bösartige Geschwulst in der Niere. Er sei unverzüglich operiert worden und fühle sich nun nach der Behandlung und der anschließenden Rehabilitation wieder gesund. Nur die betroffene Niere sei leider nicht mehr funktionsfähig. Dank sei dem Berg bei Nidda!
Vielleicht sollten wir im nächsten Jahr doch wieder mit dem Bus auf den Vogelsberg fahren - wenn das Leben retten kann...
Günther Gräning